Morgenstunde (997. Blog-Notat)

Halloween. Das Naschwerk für den Klingelzug ist gekauft und wartet auf das Abendschwarz. Schon seit Tagen schmücken Kinder und Eltern ihre Vorgärten mit Nebelvorhängen und Gruselgestalten. Ausgehölte Kürbisse leuchten in der Nacht. Mag sein, das Fest ist nur Kommerz, aber die Kinder lieben es und allein das zählt. Das Thema hielt auch Einzug in meine Cartoon-Zeichnungen. Das dörfliche Kürbisfest, jeweils Anfang Oktober, war sinnstiftend dafür. Dieses Jahr war ich wegen des Beinbruchs das erste Mal nicht mit von der Partie, so gab es auch kein neues Kürbismotiv, ein älteres tut‘s vielleicht auch, und braucht wer eine passende Geschichte? Den Kürbis-Krimi findet Ihr unter diesem Link

Morgenstunde (996. Blog-Notat)

Das Inselwetter vergangene Woche war eine wunderfeine Jahresgabe, ein Geschenk vor der großen Dunkelzeit. Natürlich ist das Erleben am Meer anders, wenn man nicht Strandlaufen kann, sondern nur von der Promenade oder der Seebrücke schmachtende Blicke wirft. Aber der Tapetenwechsel war gut und selbst die Herausforderung der steilen Treppe in der Maisonette-Ferienwohnung zum Bad und Schlafzimmer entpuppte sich hernach als hartes Krafttraining, dass mich weiterbringen wird. Auf der Insel blieb die Teilhabe für mich noch arg eingeschränkt, was meine Stimmung nicht durchgehend hob, aber der Liebste hatte eine aufbauende Zeit. Gut. Heute beginnt ENDLICH die Physio…

Morgenstunde (995. Blog-Notat)

Die ersten zwei Raben flattern über den Zeichenkarton. Zeichen des Aufbruchs. Ein Träumchen von Apfelkuchen kam am Freitag von Nachbarin Christina rüber gesandt. Ach, Dankeschön, etwas zum Sinne wecken 😊. Nächste Woche geht’s mit allem was trägt auf die Insel, den Lagerkoller verscheuchen. Wünsche ein schönes Wochenende allerseits!

Morgenstunde (994. Blog-Notat)

Die Lücke in der Zeit
Wo waren nur die letzten Wochen hin? Eine stumme Schwebe durchzogen sie und nichts, wirklich sogar nichts hatte sie aus dieser Zeit vorzuweisen. Keine gute Zeile, kein Bild, keinen klugen Gedankenblitz. „Hals und Beinbruch!“ als Glücksformel zu benutzen, das ist einfach nur grotesk, dachte humpelnde Frau. Es ist wohl eher so, dass das neidzerfressene Theatervolk nur auf einen Unfall lauerte, der die Zweitbesetzung ins Rampenlicht befiehlt. Wer spielt gerade ihre Rolle, während sie im Dornenschuh die Lücke in der Zeit durchschritt? Sie spürte ganz deutlich, wie sie verschwand. Verborgen zwischen nicht notierten Zeilen. Feststeckend im Schmerz-Rondo ihrer Bein-Fraktur.
Es ist die neunte Woche in diesem Zeitvakuum, als sie sich endlich von ihrem zerwühlten Lager erhob, um sich auf einen Rollator gestützt, durch die Wohnung zu bewegen. Vorsichtig und instabil. Die Hände schmerzen vom abzufedernden Gewicht, als würde sie an Geräten turnen. Es wird Zeit, die Lücke zu schließen…

Morgenstunde (993. Blog-Notat)

Hinter dem Fensterglas dampft das Weinlaub und im Efeu tobt die Spatzenbande. Innenflügel blitzen weiß auf, man könnte meinen, es tanzten Feen im Rauch. Ich liebe diese Zeit, in der die Märchen aus jedem Nebeltropfen aufsteigen. Sie nährt meine Fantasie, auch wenn ich gegenwärtig nicht durch diese Landschaft streifen kann. Der Liebste geht dafür fast täglich in den Wald und bringt mir schönste Pilze zum Verarbeiten mit. Ein 5-Liter-Glas getrockneter Steinis und Maronen haben wir schon gefüllt. Ich füge mich derweil in das anhaltende Dilemma und akzeptiere, dass das wieder-Laufen-Lernen doch länger dauern wird. Es geht nur in Minischritten voran, aber die Stimmung bekommt Auftrieb. Habt ein schönes Wochenende alle miteinander!

Morgenstunde (992.Blog-Notat)

Nun habe ich zwei Tage auf der Lage rumgekaut, wie ein alter Hofhund auf einem ollen Knochen. Ja, der Stützschuh durfte am Montag weg, und nun meinte der Doc:  Belastung bis an den Schmerzpunkt ist jetzt möglich. Mit dem Rezept für sechs Physios sollte es losgehen, doch ich bekam natürlich nicht umgehend einen Termin. Alle Bücher seien voll, die Hilfe gibt erst ab 28. Oktober… ☹. Dank Youtube-Videos kann ich selbst mit dem Training beginnen. Aber was heißt nun – bis an den Schmerzpunkt? Vorsichtiges frei Stehen geht, frei Laufen nicht. Sachtes Aufsetzen des Fußes, mit abgestützter Belastung für ein paar Schritte – Schluss. Schon davon tags darauf Muskelkater und Gelenkschmerzen. Es wird also dauern.

Wenigstens ein Fenster konnte ich – selbst stehend (!) – gestern putzen, um die Spur der Verachtung aus meinem Blickfeld zu wischen. Nachbars Kater war vor Wochen so sauer auf mich, dass ich ihn nicht mehr täglich vor der Tür begrüßte, dass er auf das Blumenfenster zu meinem Sofalager sprang und die Scheibe großflächig markierte. Das war ne Ansage, durch die ich den ganzen September blicken „durfte“. Es wird Zeit, dass ich nun nach und nach Hand an die Ecken und Enden legen kann…

Morgenstunde (991. Blog-Notat)

Noch zwei Tage, noch drei Thrombose-Spritzen, dann Röntgen und schauen, ob ich wieder laufen darf und kann. Ehrlich, nach den reichlich sechs Wochen eingeschränkt sein, gibt es nichts, was ich mir mehr wünsche: Laufen. Ich träume nachts davon. Wir haben endlich einen festen Termin für die Eltern-Beerdigung. Es wird nun der 8. November sein – unsere wahrscheinlich letzte Fahrt ins Erzgebirge. Die lange Wartezeit entstand, aus der schwierigen Terminkoordination der kleinen Verwandtschaft. So ist das, wenn ein Abschied in prall gefüllte Kalender fällt. So zieht sich der Abschied hin. Nicht so gut. Der Liebste geht derweil seiner Lieblingsbeschäftigung nach: Steinpilze finden. Gestern brachte er strahlend seinen ersten Fund in diesem Herbst nach Haus. Das Glück wohnt nicht weit…Im Atelier duftet es inzwischen nahrhaft von den Trockensieben über der Heizung 😊.

Eine Buchbesprechung

Ungleich vereint – Warum der Osten anders bleibt
von Steffen Mau

Diese Schrift gehört wohl ins Stammbuch der Deutschen. Wenig schmeichelhaft entblättert es den Zustand der Deutschen Einheit. Es spricht von „Unaufrichtigkeiten in der Kommunikation der Vereinigungsgesellschaft zweier unterschiedlicher Deutungshoheiten“, woraus neue Entfremdung entstand. Missverständnisse und Dissonanzen häuften sich. Rühren daher die ostdeutschen Verwerfungen? Steffen Mau analysiert die Konflikt- und Problemlagen und kommt zu dem Schluss einer „Verstetigung ostdeutscher Eigenheiten“, die aus einem „spezifischen Umbruchsgedächtnis“ immer wieder neu gespeist werden. Die ausgebremste Demokratisierung von 1989/90 führte durch die Wiedervereinigung zur Endpolitisierung, auch die Selbstentmachtung durch den Beitritt. Es galt das Ländchen auf bundesdeutsche Standards zu trimmen und nicht seine Graswurzelbewegungen zu erhören. Dem folgten die Belehrungen durch westdeutsche Diskurseliten. Hier entstanden Abwehrformeln und das Erinnerungsprivileg. Mau spricht von Identitätsfacetten und von den Ostdeutschen als einer „Erfahrungsschicht“, die sich nicht separieren will, sondern gleichberechtigte Teilhabe verlangt. Sein Fazit: „Es gibt eine andauernde Zweiheit in der Einheit.“
Natürlich gibt es auch einen analytischen Abstecher zur Entstehung der AFD und Interpretationen zum Zustand der Ost-West-Debatte, womit es unterschiedliche Zugänge zu dem nicht ganz leicht verdaulichen Sachbuch geben wird.

Petra Elsner

Ungleich vereint – Warum der Osten anders bleibt
von Steffen Mau, ISBN: 978-3-518-02989-3, Edition Suhrkamp, Softcover, 18 €