Nun halte ich es in der Hand und könnte andauernd „juhu“ rufen und wie ein Wichtel hüpfen, denn das „Dezemberlesebuch“ ist wirklich schön geworden. Der Druck ist statt, die Farben leuchten so, wie Weihnachten leuchtet. Alle haben all ihre Liebe in dieses Buch gesteckt. Glaubt es mir, es ist mir eine große Freude, dieses Bändchen auf den Gabentisch des Landes für das Weihnachtsfest 2013 legen zu dürfen. Es ist kein Schleimen, wenn ich konstatieren darf: Es ist das Beste, was mir in 20 Schreiberjahren mit einem Verlag geschehen ist. Kommunikation auf Augenhöhe, anspruchsvolles Lektorat, fantasievolle grafische Bearbeitung, inspirierende Gespräche – all das ist selten geworden, und dass es nun wahr wurde, lässt mich sehr dankbar sein.
Ab November deutschlandweit im Buchhandel, bitte schaut mal rein …
Gestern kam Manuela Röhken zu mir, um sich Bilder für ihre Kunstkate bei mir auszusuchen. Nach drei Stunden schauen, packen, reden, düste sie mit 11 guten Stücken davon. Die haben jetzt bis März Quartier in Kraatz (OHV). Sie werden einige der Winterveranstaltungen der Kunstmanagerin schmücken. Wie sie dazu kam, erzählt dieser Reportagenausschnitt:
Als die Clowns, Narren und Pierrots in meiner Malerei eine ganze Schelmenschar ergaben, wunderte ich mich. Drehe ich mich im Kreis? Im Tarot gilt der Narr als Anfang und Ende zugleich. Anfang und Ende von was? Einem alten Leben? Als Abschied und Neubeginn? Ich kam schließlich nicht umhin das Jahr 2000 für mich zum Jahr des Narren zu erklären. Sondersam, nach jedem neuen Narrenbild spürte ich mich stärker, als spendete es mir Kraft. Aber was nur hatte ich – als unkomisches Wesen – mit dieser Gestalt gemein? Das Urvertrauen. Endlich, nach der Wendezeit und dem existentiellen Neubeginn, hatte ich es wiedergefunden. Ganz wie ein närrischer Hans-Guck-in-die-Luft, scherte ich mich fortan nicht mehr darum, wie dicht ich am Abgrund tanzte. Und der Narr wurde nach meinen erfundenen Schwebewesen und Wurzellosen zu einer meiner Symbolfiguren.
Immer schon galt der kosmische Gaukler zugleich auch als ein Magier. Einer, der die Fähigkeit besitzt, die Grenzen der Zeit zu überschreiten. Er ist ein Seher, ein Zeitreisender, ein Bote.
Nach selbst erfahrenem Werteverlust brauchte ich einen solchen Begleiter, einen, der sich mit mir über die Gegebenheiten und die Tragik des Seins hinwegsetzt. Dieser ebenmäßige Begleiter hat jegliche Angst überwunden. Auch Krankheit und Isolation. Weil mein Narr sich auf seine innere Kanzel konzentriert. Dieser Narr ist kein lauter, listiger Schelm, kein derber Tor, wie ihn einst das Mittelalter hervorbrachte. Der Gaukler oder Clown ist eine uralte Kultfigur, die kaum einer Religion und Epoche fehlt. Der Narr, der in Deutschland zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert zum Typus gerät, ist eine verwachsene Kreatur, die Gott nicht nach seinem Ebenbild schuf – wie es schon in der Bibel heißt. Dieser unheilvolle, selbstverliebte Kerl kannte keine Nächstenliebe. Und doch galt der natürliche Hofnarr schon seit dem 13. Jahrhundert als Mahner und Erinnerer an die Vergänglichkeit.
Am französischen Hofe zählt der Narr in jener Zeit zur königlichen Menagerie. Er wird Beamter mit dem Privileg der Narrenfreiheit als Gegenpart und Reibemittel zu Ordnung und Heiligkeit. Daneben spielten in Frankreich freie und unabhängige Clowns auf Märkten und zu dörflichen Kirchtagen. Und man feierte am 28. Dezember, dem Tage der unschuldigen Kinder, ein Narren – oder auch Eselsfest. Für einen Tag wurde die kirchliche Hierarchie außer Kraft gesetzt und der Narr schwang das Zepter, wie er es noch heute in Fastnachtsbräuchen tut.
Zum Ausklang des Mittelalters verliert der natürliche Hofnarr seine Funktion als Kontrastmittel. Künstliche Narren gewinnen die Oberhand und sorgen von nun an für pure Unterhaltung. Nur einmal noch gewinnt die Schelmenfigur zwischen dem 15. Und 16. Jahrhundert an Dominanz. Mit dem Till Eulenspiegel. Es ist die Zeit, in der das Handelsbürgertum nach einer Identitätsfigur sucht. Die literarischen Selbstreflexionen des Adels, in der ein ritterlicher Held fiktive Gestalten besiegt, passten nicht zum Wertewandel. Schon damals empfanden die Menschen den Verlust an gewohnten Verbindlichkeiten als bedrohlich, als Krise. Es galt nicht mehr Minnedienste zu leisten, sondern strebsam zu arbeiten. Und statt Tapferkeit brauchten die aufsteigenden Bürger List und Verstand. Der Narr entzog sich schon immer traditionellen Normen und so kam es, dass man mit dem Schelmenbild ein erstes akzeptables Gegenbild zum Ritterideal entwarf. Doch in das vernunftgeprägte Weltbild der Aufklärung ließ sich der schelmische Narr dann doch nicht integrieren und verkam bekanntlich zum Hanswurst.
Es ist fraglos die sich wandelnde Zeit, die nach einer Zukunftskontur schreit, die mir den Narren wieder und wieder auf den Malgrund treibt. Wie einst bei den indianischen Clowns, ist dieser Narr für mich einer, der vor der Erstarrung der Gegebenheiten warnt. Ein Träger von Farbe und Licht und Möglichkeiten. Nur ist diesem Narren die Magie des Lachens abhanden gekommen. Er ist ein Melancholiker, der in sich gekehrt nach Visionen schaut. Nach außen wirkt er, wie ein entrücktes Fragezeichen, dass die Gegenwart nicht akzeptiert. Aber er hat noch keine wirkliche Idee, nur eine Botschaft: Der Welt ist ihr Urgrund abhanden gekommen, die seelische Basis wankt – lange schon.
Der Gedanke, dass alle Menschen miteinander verwandt sind, ist mit den Ismen und zuletzt mit dem Individualismus, begraben worden. Das Motiv, füreinander zu leben, verirrte sich so im Nebel allgemeiner Vorteilssuche. Aber das Erkennen dieses ehernen Bandes ermöglicht erst allumfassende Liebe, die Vertrauen spendet. Ist diese menschliche Ur-Kraft verschüttet, verliert sich der Mensch im Beliebigen. Ganz gewiss ist mein Narr kein schriller Tor, er ist ein unverstellt Liebender, der wie ein Wanderprediger versucht Zutrauen zu stiften.
Die Berliner Nacht hängt mir noch in den Haarspitzen, denn es zeigte sich, das Pflaster dort, auf der alten Winsstraße, ist immer noch heiß, zumal wir beinahe eine Italienische Nacht erleben konnten. Im T-Shirt um 2 Uhr morgens heizten uns noch die Stadtsteine immer noch ein. Die Freisitze der Szenelokale waren bevölkert wie im Sommer. Wir übernachteten in dem Haus Ecke Wins-/Chodowiekistraße, in dem wir sieben sehr lebendige Jahre lebten (bis 2008). Das Haus hat schönerweise eine Pension im Erdgeschoss …
Wir hatten am Abend eine wunderbare Buchpremiere mit Knut Elstermann erlebt. Der uns wie eine Plaudertasche leichtfüßig und zugleich mit Hintersinn in die Straße seiner Kindheit entführte. Mit Witz und großer Routine moderierte er sich selbst. Zwischen den gelesenen Geschichten aus „Meine Winsstraße“, kommentierte Elstermann alte Fotos. Die Standbilder verweilten jeweils 60 Sekunden auf der Bühne des alten Babylons, und der Meister spürte plötzlich, so eine Minute ist lang. Also schwieg er zu jedem Bild gut mal 20 Sekunden, schmunzelnd über die Bild-Regie.
In den nächsten Tagen werde ich das Bändchen lesen und hier besprechen, aber man kann aus dem Gehörten schon erkennen, es lohnt sich das Bändchen des charmanten Geschichtenerzählers sich zu gönnen. Erschienen ist „Meine Winsstraße“ im be.bra verlag und für schlappe 9.95 Euro zu haben.
… Weil der Sommer uns offenbar noch einen kurzweiligen Nachschlag gönnt, traue ich mich, Euch noch die dritte Schön-Wetter-XXL-Kunstpostkarte vorzustellen, obwohl am kommenden Sonntag schon auf Winterzeit umgestellt wird. Sie heißt: Schräge Vögel auf Landpartie – Die Golfer …
Saisonschluss: Am 15. Oktober war Saisonschluss in meinem Atelier. Heißt, es gibt bis 15. April 2014 keine Sonntagsöffnungszeiten mehr. Der Lesegarten schläft und der Bilderspeicher im Kaltdach wird winterfest gemacht. Nur wer sich telefonisch anmeldet, kann ab jetzt Einblicke ins Zeichenkabinett bekommen. Ich habe nun dafür Gelegenheit für Sonntagsausflüge in den Herbst und so schöne Entdeckungen:
…Seit 12 Jahren schreibe ich Weihnachtsgeschichten für Zeitungen. Sie alle (bis 2012) versammeln sich jetzt zu einem Dezemberlesebuch, das die Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Angermünde in Kürze herausgibt. Die Korrekturfahnen sind schon von ihrer grafischen Aufmachung vielversprechend. Ich bin vor lauter Freude darüber einigermaßen schlaflos…
… Moosgrün kannte fast alle Eichen des Waldes, so um die 2000 ganz alte Exemplare. Man sah es ihm nicht an, aber er war schon vor gut drei Jahrhunderten dabei, als sie gepflanzt wurden, damals, als der Wald den Namen „Schorfheide“ bekam. Der Waldgeist liebte die mächtigen Eichen und auch jene, die indes als totes Bruchholz aus der Landschaft ragten oder zwischen die Farne gestürzt waren. Mit Moos bewachsen, sahen sie ganz samtig aus, mal wie ein schlafendes Tier, mal wie die Höhle eines Erdwesens. Lange grübelte er, was er tun könnte. Er wollte einfach nicht, dass diese mächtigen Stämme aus dem Wald verschwinden…
weiterlesen bitte im Buch … „Schattengeschichten aus dem Wanderland – Schorfheidemärchen“, 2. Auflage 2010, geschrieben und illustriert von Petra Elsner, 4-farbig, Schibri-Verlag, ISBN: 78-3-8686-040-4, 6 Euro
Dieses Totholz steht zwischen Schluft und Kurtschlag am Kurtschlager Damm. Viele skurrile Baumgestalten finden sich hier. Diese alte Eiche könnte „die Riesennase“ sein, die in meinem „Schorfheidekurzkrimi“ mitspielt … hier eine Leseprobe:
Die Geister-Eichen
In einer Vollmondnacht erwachten plötzlich die Blitzgetroffenen zu neuem Leben. Sie scharrten mit ihren losen Wurzeln und schauten einander staunend an: der brüchige Galgen, der schwere Mooshammer und die bucklige Riesennase. Dort, wo die Drei standen, an einem Kreuzpunkt über Wasseradern, wuchsen sie seit über 600 Jahren zu mächtigen Bäumen heran, die allerdings wie Blitzableiter wirkten. Unzählige Male durchzuckten ihre Stämme feurige Schläge, bis sie, gespalten und geköpft, leblos in den Himmel stachen. Ihr morsches Holz zog mit der Zeit ein Moosgewand an, und aus ihren Aststümpfen grinsten Geisterfratzen.
In jener Oktobernacht betrat ein Einhorn schnaufend die Lichtung. Sein Atem dampfte, und es tänzelte nervös auf der Stelle. Seit sieben Jahren kam der weiße Hengst stets in der ersten kalten Herbstnacht an diesen Ort, um nach einer Stute zu rufen, doch nie wurde er bisher erhört. Statt einer schönen Gefährtin holte sein sehnsüchtiger Schrei immer etwas Seltsames ins wirkliche Leben zurück: eine vergessene Blume, einen weisen Druiden, ein Elfenkäuzchen. Dieses Mal weckte er die toten Eichen…
weiterlesen bitte im Buch … „Schattengeschichten aus dem Wanderland – Schorfheidemärchen“, 2. Auflage 2010, geschrieben und illustriert von Petra Elsner, 4-farbig, Schibri-Verlag, ISBN: 78-3-8686-040-4, 6 Euro
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