Dorfgeflüster: Der Traurige ist verlustig

Der Traurige am Wegesrand ist verlustig. Schon ein Weilchen. Nein, nein, er ist nicht flüchtig, jemand hat ihn still und heimlich geklaut. Jetzt klafft dort nur noch eine Lücke und dem Zauber fehlt ein magisches Glanzlicht. Einigermaßen zerknirscht stand der Traurige zwei Jahre lang im Kunstwald zwischen Kurtschlag und Klein Dölln und beklagte mahnend den Zustand des Deutschen Waldes. Das war seine Mission. Der Zehdenicker Bildhauer Uwe Thamm hat den Traurigen aus einem Kiefernstamm geschaffen. Nun ist er selber traurig. Klar, der Mann hatte es schon vermutet, dass irgendwann jemand seine Skulptur einfach einsacken würde. Aber gehofft hat er etwas anderes. „Zauberwald“ nennen einige mit leuchtenden Augen den Ort, an dem vier Künstler uneigennützig für die Allgemeinheit wirken – als ein Geschenk für die Region, um sie mit guter Energie aufzuladen, Freude zu verbreiten, zu überraschen. Es ist sehr schade, dass immer mal wieder einer glaubt, dass er nur glücklich wird, wenn er etwas mit langen Fingern an sich raffen kann. Darüber kann der Traurige nun auch noch jammern, vielleicht hört ihn ja wer. Noch besser wäre es allerdings, der verlorene Geselle fände sich endlich wieder ein – im Kunstwald. Der Einstieg erfolgt hinter der Bushaltestelle von Klein Dölln, weiter über die Bücke vom Döllnfließ, dann rechts am Fließ entlang, dort am Waldpfad war sein Steckplatz in einem alten Todholzloch.

© Petra Elsner

Der Traurige, Foto Petra Elsner
Der Traurige,
Foto: Petra Elsner

Märchen im Grün

Es herbstelt im Lesegarten im Atelier an der Schorfheide, Foto: Petra Elsner
Es herbstelt im Lesegarten im Atelier an der Schorfheide,
Foto: Petra Elsner

Im Warten auf ein noch nicht gedrucktes Buch entstand 2009 meine Idee eines Lesegartens. Dort sind sonntags bei schönem Wetter im Sommerhalbjahr drei Schorfheidemärchenstelen, ein Lesepult mit Märchenblock, Gartenkieker und Sprüchevögeln als Bedenkangebote zu sehen, um zum Lesen im Grünen einzuladen. Es ist ein temporäres outdoor-Angebot für Atelierbesucher, die eigentlich zum Bildergucken gekommen sind. Jeden schönen Sommersonntag steige ich auf die Leiter und hänge die Textbanner in die Stelenrahmen. Bei trüben, stürmischen oder nassen Wetter fällt dieses Angebot aus. Wer will schon im nassen Gras sitzen und lesen?

Am kommenden Sonntag, dem 15. September, gibt es nachmittags keine Besuchsmöglichkeit. Ihr /Sie finden mich an diesem Tage auf dem Kunstmarkt beim Fest an der Panke in Berlin-Pankow.

Leseput
Leseput

Schorfheider Winterkarten

Vor vier Jahren habe ich mir gesagt, eigentlich könnest du ja zu Weihnachtszeit immer mal eine regionale Postkarte zeichnen. Märchenhaft. So kam es zu meinen „Schorfheider Winterkarten“: 2010 – der Askanierturm in Eichhorst (wo es zu Neujahr an diesem Turm das Neujahrsanblasen gibt), 2011 – war es die Immanuelkirche zu Groß Schönebeck mit dem verwunschenen weißen Hirsch (dem Göttlichen) und 2012 wurde der Kaiserbahnhof von Joachimsthal mit mystischer Eule Thema meiner Kartenzeichnung. Die winterlichen Motive sind augenblicklich nur in der Touristinformation in Groß Schönebeck , ebenda im Solidario-Lädchen, in Eichhorst/Wildau bei Kunst & Rad und in meinem Atelier in Kurtschlag (Stück ein Euro) zu erhalten. Die Gemeinde Schorfheide bewirbt diese Karten freundlicherweise unter „Schorfheide zum Mitnehmen“. Die Winter(weihnachts)karte für 2013 kommt im Oktober aus der Druckerei in meinen Postkartenständer.
© Petra Elsner

Askanierturm Eichhorst am Werbellinsee,  gezeichnet von Petra Elsner
Askanierturm Eichhorst am Werbellinsee,
gezeichnet von Petra Elsner
Immanuelkriche zu Groß Schönebeck, gezeichnet von Petra Elsner
Immanuelkriche zu Groß Schönebeck,
gezeichnet von Petra Elsner
Kaiserbahnhof Joachimsthal, gezeichnet von Petra Elsner
Kaiserbahnhof Joachimsthal,
gezeichnet von Petra Elsner

Reportagen aus dem Schorfheidewald: Der Steinmystiker

Vom Rhein nach Friedrichswalde und den Wölfen nah:

Bildhauer Lutz Kittler aus Friedrichswalde, Foto: Lutz Reinhardt
Bildhauer Lutz Kittler aus Friedrichswalde,
Foto: Lutz Reinhardt


Es hätte auch Frankreich werden können, wenn nicht Sigrid über die Broschüre „Wölfe in Brandenburg“ gestolpert wäre. Und so frohlockte sie, wedelnd mit dem Heft in der Hand: „ Lutz, wir müssen nicht nach Frankreich, wir ziehen in den Osten Brandenburgs.“ Und das taten sie 2003 auch, denn das Paar wollte ihr neues Leben in einem Landstrich beginnen, indem der Wolf noch oder wieder Zuhause ist. Es suchte eine spezielle Qualität von Natur, mit der sie eins sein wollten bis ans Ende ihrer Tage. Die fand sich in Friedrichswalde in der Schorfheide.
Lutz Kittler (65) hat es schon immer mit den Steinen und den Tieren des Waldes. Seit Kindesbeinen. Einen Hirsch vom Hochsitz aus bestaunen. Ergriffen von der Erhabenheit der Natur, wollte er ein künstlerisches Abbild dieser andächtigen Emotionen schaffen. 1947, als Kind einer ostpreußischen Flüchtlingsfamilie, wurde Lutz Kittler in Bad-Sachsa im Südharz geboren. In ärmste Verhältnisse. Es wundert nicht, dass er herangewachsen nicht sogleich seinen künstlerischen Ambitionen beruflich folgt, sondern Tiermedizin studiert und promoviert. Als Tierarzt wird er 25 Jahre lang eine selbstständige Praxis in Siegburg bei Bonn führen. Nebenher schafft er seine Skulpturen aus Basaltlava. Grenzsteine zwischen Alltag und Kunst. Vornehmlich tempel- oder altarähnliche Formen. Aber irgendwann war es genug. Denn dort, wo die Kittlers mit ihren zwei Söhnen lebten, acht Kilometer vom Rhein entfernt, waren sie umzingelt von verkehrstechnischem Lärm und Smog. Dort wollten sie einfach nur noch weg. Und der Tierarzt zog unter seinem alten Berufsleben einen Schlussstrich.
Wenn man heute die Friedrichswalder Dorfstraße passiert, winkte noch vor zwei Jahren eine lebensgroße Holzskulptur in Kittlers Skulpturenhof. Die wegweisende Holzgestalt ahmte die Chefin des Anwesens nach: Sigird Ryll-Kittler (61). Die studierte Kunstmanagerin kümmert sich um die Inszenierung des Hofes und anderer Kunstorte der Gemeinde. Die hölzerne Skulptur war ein „Einzelstück“ (inzwischen wurde sie leider geklaut), denn stilistisch geht der Bildhauer andere Wege: Klarer, reduzierter, archaisch-spirituell. Ganzjährig stehen seine Werke im Wind und Wetter der Schorfheide, setzen Moos an und werden wieder eins mit dem Landschaftsbild, dem sie handverwandelt entsprangen: Ein Kranichpaar, ein Hirschgötzen, verschiedenstes Blattwerk, Vogelstelen … und Motive aus dem Schmelz von Tier und Mensch zu einem Wesen. Chimären. Die erzählen allesamt die Geschichte vom Einssein mit der Natur. Geschaffen aus (fasst) ewigem Granit schärfen sie den Blick des Betrachters auf die Friedrichswalde umgebende Biosphäre. Und es scheint, dass der Ruf der UNESCO-geschützten Wildnis wieder einmal Menschen ins Land zog, die hierher passen, als wären sie schon immer da gewesen: Bodenständig und voller Liebe.
Neun Jahre siedeln die Kittlers jetzt schon im Brandenburgischen. Haben aus dem maroden Gehöft eine kleine Perle geschaffen. Zwischen all der Steinkunst schnattern Gänse, schnurren die Katzen und hinter Kunstscheue und Werkplatz blöken die Schafe, bewacht vom Hund namens Löffel. Der Skulpturengarten ist indes zum künstlerischen Erlebnisort für Einheimische und Touristen gewachsen. Dort veranstalten sie mit anderen Bildhauern Freilandausstellungen, die die interessierte Szene aus dem weiten Rund anlockt.
Es war anfänglich nicht klar, ob die Kunst das Paar wirtschaftlich auch tragen würde. Notfalls hätte der Doktor wieder lebende Tiere verarztet, aber dessen sinntiefe Arbeiten passen gut unter den Brandenburger Himmel und finden nicht nur Anklang, sondern auch Käufer.

Lutz Kittler hinter seinen  Arbeiten aus Granit, Foto: Lutz Reinhardt
Lutz Kittler hinter seinen Arbeiten aus Granit,
Foto: Lutz Reinhardt

Kontakt: SKULPTURENHOF, Dorfstraße 113, 16247 Friedrichswalde, Telefon: 033367/54773, E-Mail: info@skulpturenhof.de

Der Grufti

Der Grufti unter den Immergrünen ist der Efeu. Manch‘ überwuchertes Haus im brandenburger Wind scheint nur noch von jenem Klettergrün zusammengehalten. Verwunschen schön, verlassen traurig, verfallen morbide. Viele mögen sie nicht, diese Grabpflanze, und auch ich habe mir den Efeu erst im Älterwerden schön geguckt. Vielleicht, weil man sich mit dem Jahren eben dem Friedhof nähert, wo der sich Licht fliehend über die Schlafstätten unserer Ahnen windet. Aber Efeu kann mehr als malerische Fassaden und blickdichte Zäune zaubern. Obgleich er seit der Romantik als Sinnbild des ewigen Lebens gilt, sogt er in der Pflanzenheilkunde eher für das Gegenteil, denn in starker Dosierung bläst Efeu schlichtweg den Menschen den Gar aus. Also besser: Finger weg von innerlichen Selbstversuchen, die mit der wieder erwachten Kräuter-Neugier oft einhergehen. Äußerliche Behandlungen hingegen sind unbedenklich. Zum Beispiel macht diese alte Rezeptur meiner Großmutter aus einem von Hühneraugen geplagten Bewegungsmuffel einen tapferen Waldläufer:
Anwendung:
Efeublätter (unter die Wandersohlen).
Man nehme ein frisches Efeublatt, falte es zweimal und fixiere das Blatt mit einem Pflaster direkt über der schmerzenden Druckstelle. Drei Tage lang sollte der Efeu auf die Stelle wirken (täglich mit einem neuen Blatt), dann müsste sich das Hühnerauge abheben lassen.
© Petra Elsner

Efeublätter, gezeichnet  von Petra Elsner
Efeublätter, gezeichnet
von Petra Elsner

Neue Paradiesvögel: Rocklegende 5

… und zum schönen Wochenende kommt hier wieder ein Cartoon. Einen tollen Spätsommertag wünsche ich Euch …

Rochlegende 5 - nach Keith Richards und Mick Jagger, gezeichnet von Petra Elsner
Rochlegende 5 – nach Keith Richards und Mick Jagger, gezeichnet von Petra Elsner

Dorfgeflüster: Der Pilzfinder

Schräge Vögel auf Brandenburgtour - die Pilzfinder, gezeichnet von Petra Elsner
Schräge Vögel auf Brandenburgtour – die Pilzfinder,
gezeichnet von Petra Elsner

Wir wollten gerade vom Hof düsen, da rasselte die Hausklingel ihren scheppernden Ton, bei dem ich immer wie vom Blitz getroffen zusammenzucke. Auf ihrem verzinkten Klangkörper steht unabwaschbar was sie einst wert war: 5 Mark. Sieht nach „Konsumgüterproduktion“ aus und ist noch vom Vorbewohner. Hinter dem Schreck-Ton lugte die Mütze vom Übernachbar über das Hoftor. Der Mann dazu lächelte zurückhaltend mit einer Zeitung in der Hand, als ihm geöffnet wurde. Er tippte auf eine Bildnachricht über eine Krause Glucke spektakulären Ausmaßes und meinte nur: „Meine ist größer.“ Aber in die Zeitung wolle er nicht. Kurtschläger Bescheidenheit oder schlechte Erfahrung, dieser Mann macht jedenfalls nicht viel Worte: „Fotografiert sie und sagt, es sei eure.“ Na, dass ging natürlich auch nicht, weil wir eine ehrliche Haut zu Markte tragen, mein Liebster und ich. So wurde die stattliche Krause von reichlich zwei Kilo für die Nachwelt ausgeleuchtet und abgelichtet, bevor sie im Kochtopf verschwand. Ich denke ja bei diesem Pilz immer an knirschende Märkische Heide zwischen den Zähnen, und hab ihn seit einer ersten Erfahrung gemieden. Wusste einfach nicht, dass man das Teil auseinander pflücken muss, dann waschen, putzen und schließlich 20 Minuten in Salzwasser kochen soll, damit sich Schmutz und alle Tierchen darin restlos verabschieden. Erst dann, nach dem Ablaufen, kann man die Krause Glucke panieren oder was auch immer. Die Frau des Pilzfinders schneidet sie in Scheiben und brät sie am liebsten mit Speck, Petersilie, Pfeffer und Salz – mal mit, mal ohne Ei. Vielleicht sollten wir es ja doch noch einmal mit dem Pilz, der anmutet, wie ein fleischfarbener Blumenkohl versuchen, denn er soll ausgesprochen köstlich sein.
© Petra Elsner

Krause Glucke, Foto: Lutz Reinhardt
Krause Glucke,
Foto: Lutz Reinhardt

PS: Erwin, der Pilzfinder ist leider im Dezember 2016 verstorben.

Nix-Kunstpostkarten

Der Herr der Tautropfen aus "Schattengeschichten aus dem Wanderland", gezeichnet von Petra Elsner
Der Herr der Tautropfen aus „Schattengeschichten aus dem Wanderland“,
gezeichnet von Petra Elsner

Ich hatte gerade den Herrn der Tautropfen für meine Schorfheidemärchen erfunden, da rief mich meine Freundin Trilli aus dem Alten Schulhaus in Diensdorf-Radlow am Scharmützelsee ab, ob ich nicht an einer Nix-Ausstellung im Sommer 2009 teinehmen möchte. Da ich gerade für meinen Tautropfennix in alten Sagen gekramt hatte, kam mir das gerade recht, und so zeichnete ich zwei Nixe und erzählte dazu eine alte sorbische Sage neu und bildreicher. Aus den Zeichnungen wurden zwei Postkarten. So kam es, dass sich in meinem Postkartenständer auch Karten befinden, die nichts mit der Schorfheide zu schaffen haben.

Nix als Nachtfürst, gezeichnet von Petra Elsner
Nix als Nachtfürst,
gezeichnet von Petra Elsner
Nix am Scharmützelsee, gezeichnet von Petra Elsner
Nix am Scharmützelsee,
gezeichnet von Petra Elsner

Und hier die Geschichte:

Der Wasserfürst vom Scharmützelsee
In einer Mittsommernacht ritt der alte Nix auf seinem Wellenross über

den Scharmützelsee. Er grummelte so dumpf wie die Gewitterfront in
seinem Nacken. Seine schönen Töchter waren vom Mittsommernachtsball noch
nicht zurückgekehrt, und der Wasserfürst fürchtete das Schlimmste.
Würden sie sich in einen Menschenmann verlieben, verlören sie ihre
Unsterblichkeit.
Der alte Nix hasste jene helle Nacht, in der sich  seine Töchter ihrer Flossen entledigten, um in Mädchengestalt zu tanzen.  Wütend peitschte er das Wasser, das sich dabei zu einer mächtigen Welle auftürmte, die zwei entsetzte Fischer mit ihren kleinen Booten ins  Schilf schickte. Kopfschüttelnd sahen sie dem alten Zausel nach, der mit wehendem Leinenjäckchen und rotem Krönchen seinem väterlichen Zorn frönte.
Zwischen Diensdorf und Radlow tanzten die Nixen mit dem Wind
über die sumpfigen Wiesen, die so zart gesprenkelt blühten, als hätte
ein Maler Hand angelegt. Ihre weißen Gewänder flatterten wie Segel.
Längst klebten ihre Tanzpartner Halt suchend an knorrigen Weiden, als
der Nix vor sie hin schwappte und sehr bös dröhnte: „Es mag ja sein,
dass der Sonnengott in dieser Nacht seine höchste Macht erreicht hat,
aber alles, was aufstrebt, wird auch wieder sinken, und ihr, meine
Töchter, seid Kinder des Wasserfürsten und habt nur ihm zu gehorchen.“
Die jungen Nixen aber waren so verzückt von der Fülle der Zeit und den
schönen Jünglingen, dass sie nicht gewillt waren, ihrem Vater sogleich
zu gehorchen. Nein, einmal nur, wollten sie ein loderndes
Sonnenwendfeuer erleben und schweigend sieben Sorten wilder Blumen von
sieben verschiedenen Wiesen pflücken, um zu erfahren, wen sie freien
werden. Sie kicherten und entschwanden in den Holunderbüschen.
Da schickte ihnen der Nix einen mächtigen Schwall. Das Feuer zischte und
das Wasser flutete die Wiesen, in denen nicht nur seine Töchter Blumen
suchen. Es sah so aus, als würde der See das Land nehmen wollen. Blitze
zuckten, und Wind peitschte die Wellen. Von den Fluten eingeholt,
wuchsen den Nixtöchtern augenblicklich wieder Flossen.
Fortan hatten  die Nixen ländliches Tanzverbot, und damit sie sich daran auch halten, streift der alte Nix seither von Sommerfest zu Sommerfest. Gut
verkleidet, allein am feuchten Saume seiner Jacke kann man ihn erkennen.

© Petra Elsner

Reportagen aus dem Schorfheidewald: Die Alphafrau

„Zickenliebe“: „Ich verteile meine Liebe ganz gerecht auf alle Tiere, auch auf die kleinen Ziegen“, erklärt Imke Heyter. Wer den Wildpark besucht, für den empfiehlt sich festes Schuhwerk und ein Fernglas. Der Rundgang dauert mindestens 2 Stunden. Ganztägig gibt’s hier im Restaurant warme Küche., Foto: Lutz Reinhardt
„Zickenliebe“: „Ich verteile meine Liebe ganz gerecht auf alle Tiere, auch auf die kleinen Ziegen“, erklärt Imke Heyter. Wer den Wildpark besucht, für den empfiehlt sich festes Schuhwerk und ein Fernglas. Der Rundgang dauert mindestens 2 Stunden. Ganztägig gibt’s hier im Restaurant warme Küche.,
Foto: Lutz Reinhardt

Imke Heyter, Chefin des Wildparktes Schorfheide in Groß Schönebeck

Wer neben der Alphafrau steht, spürt sie, ihre gute Energie und ahnt, mit ihr kann man Bäume ausreißen, und auch – was Imke Heyter will, wird sie bekommen. Als ich ihr das erste Mal Ende der 90er Jahre begegnete, war noch ihr Vater Dr. Frank Heyter Chef des jungen Wildpark Schorfheide in Groß Schönebeck und sie seine Assistentin. Da war sie noch eine Zarte und mehr Staunende als Wissende. Anfang der Neunziger hatte der Vater mit ihr vor einer weiten landwirtschaftlicher Brache gestanden, und ihr seine Vision umrissen: Dort kommen die Wisente hin, dort die Exmoor Ponnys … und dort die Elche. Die wurde ab 21. April 1996, nach dem 1. Spatenstich, langsam Wirklichkeit. Inzwischen hat Imke Heyter Tourismus in Westfalen studiert und anschließend noch beim Jugendreiseveranstalter Reiseverkehrsfrau gelernt. Seit ihr Vater in Rente 2005 ist, führt sie den Park in seinem Sinne weiter.
Fast schwerelos klingt es, wenn die Imke von ihrer Aufgabe schwärmt: „Für mich ist es der schönste Arbeitsplatz der Welt, ich möchte nicht tauschen, auch wenn man sehr gebunden ist. 365 Tage im Jahr ist der 100 Hektar große Wildpark für die Besucher geöffnet. Da übernimmt man Tag und Nacht Verantwortung für die Tiere, alle Angestellten und nicht zuletzt auch für die Besucher. Man lebt es, oder man lässt es, etwas dazwischen gibt es nicht. Trotz Freude und Spaß an der Arbeit, geht es nur mit einem wirklich guten Team. Ich habe Mitarbeiter, die mit Leib und Seele dabei sind, und nicht streng auf die Uhr gucken. Alle sind fest angestellt. Ich halte nichts davon, Mitarbeiter im Winter zu entlassen. Wir sind hier in der strukturschwachen Region des Barnims, da hängt an jedem, der noch Arbeit hat, meist eine ganze Familie. Es gibt fast keine Fluktuation, wer sich bewährt, der bleibt.“
Seit 18 Jahren macht sich der weitläufige und unglaublich schöne Wildpark einen Namen in der Region. 80 Prozent der Gäste kommen aus Berlin, die Brandenburger immer, wenn sie Besuch haben. Anders ist es bei ihren sehr besonderen und fantasievollen Festen, da kommen auch die Einheimischen. Seit 2009 machen die Vollmondwolfsnächte von sich reden. Die Termine sind meist ausgebucht, deshalb gab und gibt es Zusatztermine auch über die kalendarischen Vollmondnächte hinaus. Imke lächelt: „Wölfe heulen nicht nur bei Vollmond, sie heulen selbst bei Tag. Aber ein bisschen Glück gehört dazu. Wir möchten ein authentisches Naturerlebnis bieten. Unser Angebot ist das europäische Wildtier, welches hier früher mal heimisch war oder wieder ist – präsentiert in einem natürlichen Großgehege. Das ist unsere Marktlücke aus der wir eigenwirtschaftlich agieren.“
Der Wildpark lebt von den Eintrittsgeldern und von dem, was die Gastronomie mit ihrer speziellen Wild- und Kräuterküche im Besucherhaus erwirtschaftet, denn die Chefin versteht es, die Park-Idee auszukleiden: Mit Spezialführungen für jedes Alter, Streichelzoo, Waldspielplatz, Kräutergarten, Fischräucherei usw. „Die attraktivsten Tiere sind zurzeit natürlich die Wölfe. Es sind vornehmlich die großen Beutegreifer, die die Besucher locken. Ich selber verteile meine Liebe ganz gerecht auf alle Tiere. Meine Favoriten sind schon Elche, Wölfe, Luchse, aber alle anderen auch“, verrät Imke Heyter
Die gebürtige Eberswalderin schwärmt: „Brandenburg aber ist meine Heimat, und ich finde es extrem schön. In den sechs Jahren, in denen ich in Westfalen lebte, habe ich erst festgestellt, WIE schön Brandenburg ist. Und ich finde es wichtig, dass die Leute in der Region bleiben und nicht alle abwandern.“ Auch deshalb arbeitet Imke Heyter raumgreifend an ihren Projekten, aber schauen Sie doch einfach selbst einmal nach den wilden Tieren in Groß Schönebeck.

Wildpark Schorfheide, Prenzlauer Straße 16, 16244 Groß Schönebeck, Tel: 033393 65855, Infos im Internet unter: www.wildpark-schorfheide.de

 

Drei Landkreise teilen sich die Schorfheide

Das berühmte Waldgebiet Schorfheide ist heute Teil des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin. Kaum 60 Kilometer nördlich von Berlin öffnet sich hinter Groß Schönebeck, dem sogenannten „Tor zur Schorfheide“, eine atemberaubende Waldlandschaft. Die Schorfheide berührt drei Landkreise: Barnim, Uckermark und – oft vergessen – Oberhavel. Genauer: die Schorfheidedörfer Kurtschlag und Kappe (das „Kleine Tor zur Schorfheide“) gehören ebenfalls dazu. Der wild-romantische Winkel bei den Rabenbergen liegt fast vergessen in einer alten Moorniederung hinter dem Trämmersee und dem Zehdenicker Hauptgraben. Wer von Berlin kommend in sein Navi „kürzeste Strecke“ nach Kurtschlag eingibt, wird über das Barnimer Dörfchen Schluft geführt. In Schluft findet sich noch eine nahrhafte Quelle: Der Landgasthof „Zur Linde“ ist eine urige Wirtschaft, wie man sie heutzutage kaum noch vorfindet: Einfach, herzlich, ehrlich. (Nachtrag 2017 – inzwischen auch geschlossen!)
Von dort geht es sechs Kilometer über den Kurtschlager Damm, ein gewölbtes Kopfsteinpflaster, dass für tiefer gelegte Autos nicht befahrbar ist. Aber wer Zeit hat, kann bei Tempo 30 wunderbare Geistereichen ansehen oder stoppen und Pilze sammeln gehen. Hinter dem Entenparadies beginnt Oberhavel. Sichtbar ist das nicht, Landschaft kennt keine politischen Grenzen … Wer schneller mit dem Auto unterwegs sein will, wählt besser den längeren Weg über die L 100 von Groß Schönebeck bis zum Hotel Döllsee, dann links durch das uckermärkische Groß Dölln, weiter bis Kurtschlag oder Kappe.

Ungefähre Karte vom Bioshärenreservat Schorfheide-Chorin, Strichzeichnung: Petra Elsner
Ungefähre Karte vom Bioshärenreservat Schorfheide-Chorin, Strichzeichnung: Petra Elsner

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