Memorys: Himmelblauer Brokat auf Puderzucker

Kräutergärtchen

Wenn das Land auf dem ich laufen lernte ein bisschen fester und nahrhafter gewesen wäre, dann wäre garantiert eine Gärtnerin aus mir geworden. Die erste, die ich sah, trug lange Brokatseidenkleider zu geringelte Wollsocken, Gummistiefeln und langen gelben Handschuhen.  Natürlich gehörte zu dem Aufzug auch noch ein ruppiges Strohhüten. Die Frau sah wahrhaft schräg in alle dem aus – meine Mutter. Sie war keine wirkliche Gärtnerin, nur gegen den Alltagsstress wühlte die Radioredakteurin nach Feierabend in dem rieselnden Puderzuckersand der Mark und versuchte dabei ihren Frust zu erden. Die Ernte war immer mager, wie das gesamte Leben damals. Das himmelblaue Brokatseidenkleid, selbst genäht für irgendeine öffentliche Radioshow, trug sie im Garten lediglich auf und sparte sich so, eine solide Arbeitsklamotte zu kaufen. Der Sand auf der wir damals siedelten drängte zur Sparsamkeit. Dass ich später auf einen noch dürreren Grund geraten würde, hätte ich mir niemals vorstellen können. Nein, ich bin in kein heißes Wüstenland ausgewandert, aber auf ein staubiges Dünenland gezogen. Man kann hier Gärtnern, aber man darf nicht ernsthaft Ernten wollen, dann kann eine Pflanzenfreundin auch in der Heide glücklich werden.

Memorys: Zaunstreichen

Zaunstreichen.

Das schwarze Zäunchen am Haus blättert schon, seit wir vor zehn Jahren in die Schorfheide zogen. Ich habe es ignoriert, einfach etwas davor gepflanzt, denn ich wollte keinen Zaun mehr streichen – nie wieder. Aber es fand sich einfach kein anderer und so bin ich nun endlich dabei, dem Teil ein neues Antlitz zu verpassen. Ich weiß nicht, was ich einst ausgefressen hatte, irgendwann begannen meine großen Schulferien mit einem Ringpinsel und drei Farbdosen. Nein, nein, es ging dabei nicht um eine Sommerkinderarbeit, die einen Traum erfüllt – ein Fahrrad, ein Kofferradio, ein paar leichte Sandalen oder ein zweites Kleid. Bestimmt musste ich einen Trotz oder einen Schlammassel ausbügeln, denn ein zweites Paar Schuhe (Sandalen zu Halbschuhen) gab es bei uns für die Kinder nicht. Meine Eltern gehörten zu der ersten Partygeneration, die Deutschland sah. Sie waren zu Kriegsende 16 und 17 Jahre alt und feierten ihr Am-Leben-Sein bis ans Ende ihrer Tage. Das verbrauchte ihr Einkommen – sie lebten sehr. Ob sie dabei wirklich froh waren, weiß ich bis heute nicht. Meine Lebemutter ist früh gestorben, der Vater hat danach sein Leid ersoffen, auch eine zweite Ehe tröstete ihn nicht. Er hat übriges nie einen Zaun gestrichen, er hatte ja mich, denn nach diesen besagten Sommerferien hatte ich diesen Zaun – 25 Meter lang – alle drei Jahre an der Backe bis ich wegzog. 1992. Erst in der Schorfheide habe ich eine neue Wurzel geerdet und ja, da muss ich wohl dann und wann wieder den Zaun streichen – bis ans Ende meiner Tage. Gott sei Dank, ist dieser nur halb so lang…