24 Heimlichkeiten im Advent

Morgenstunde (1014. Blog-Notat)

Nach der heutigen Physio kommt gleich die nächste Standzeit dran: Die letzte Sommertracht-Charge der Ernte 2024 ist zu schneiden und zu etikettieren. Etwa 80 Gläser, dann können die Abfüllgefäße abgewaschen und eingelagert werden. Was sind wir diesem Jahr hinterhergehechelt. Langsam holen wir die Arbeit auf, bis auf den Garten… Zumindest war mein Physiotherapeut zufrieden mit meinen freien Schritten. Mir sind sie noch zu instabil, die Achillessehne ist verkürzt, daran ist zu arbeiten – ich übe täglich zweimal eine halbe Stunde … Gestern haben wir doch glatt 40 Minuten bei der Neuruppiner Postbank am Schalter gestanden, nur, um eine Adresszeile zu ändern, die Schlange hinter uns zog sich durch den ganzen Raum und die Blicke in unseren Rücken waren düster. Die Internetverbindungen sind dieser Tage nicht sehr stabil, der Postbankcomputer stürzte gleich mehrfach ab. Alle waren genervt. Aber zurückgekehrt, war ein Wichtel aus der Rübengasse am Briefkasten (Habt ganz herzlichen Dank, so lieb ist das!) und schönste Weihnachtspost lag bei der Weihnachtstüte. Auch wieder die geheimnisvolle Dorfpost von Marlis. Wunderbar sind ihre Karten wie aus einer anderen Zeit. Das stimmt dankbar und baut doch gleich wieder auf…

24 Heimlichkeiten im Advent

Morgenstunde (1013. Blog-Notat)

Meine letzten Schutzengel bekamen gestern noch ihren Silberdraht, dann flutschten sie in die Tüte. Mal sehen, wen sie demnächst begleiten. Engel kann man nie genug haben…

Eine meiner etwas längeren weihnachtlichen Geschichten schrieb ich 2022 öffentlich hier im Blog – eine Handvoll Kapitel über Tage verteilt. Jetzt stelle ich die Geschichte für Euch komplett ins Netz:

Kerzen in der Stadtbahn

1969: Das Licht flackerte wie ein Sehnsuchtsfunken als das Teenie-Mädchen aufstand. Die Stadtbahn bremste. Als sie anhielt stieg Irene aus dem Wagon, aber nur um in den dahinterliegenden zu huschen. Doch auch dieser war menschenleer. Sie richtete ihr weißblondes Kurzhaar im Fensterspiegel. Keine einzige Seele war in dieser Heiligen Nacht unterwegs. Irene zog die Packung Baumkerzen und das Feuerzeug aus ihrer Manteltasche, nahm sich eine Kerze, zündete den Docht an, tropfte etwas Wachs auf das Fensterbrett und stelle das Licht in die Nacht. Wo seid ihr nur? Offenbar steckte der Lastkahn der Eltern irgendwo auf der Elbe im Eis fest. Sie konnte es nur vermuten, aber das gab es schon manches Jahr. Heimkehr aus dem Internat und kein Feuer im Ofen, im Kühlschrank nur Licht. Es gab Heilige Nächte, in denen wollte die kindliche Irene vor Einsamkeit sterben, aber heute fühlte sie sich stark genug, das ungewisse Alleinsein zu ertragen. Sie wusste nicht, ob ihr das wirklich gelingen würde. „Nächster Halt: Baumschulenweg“ krächzte die Ansage des Zugführers durch den Lautsprecher. Irene stieg abermals um in den nächsten Wagon. Im hintersten Eck entdeckte sie einen älteren Herrn, der gerade Glühwein in den Becher seiner Thermoskanne goss. Als er aufblickte, stand sie noch. Er winkte sie zu sich. „Auch ‘nen Schluck, ich habe noch einen zweiten Becher dabei?“ Irene nickte, ließ sich auf den Sitz gegenüber fallen. Sie blicke in das zerfurchte Gesicht des Mannes und fragte sich still: Wie viele Jahre mochten in diesen Gräben stecken? Wortlos stellte sie eine brennende Kerze auf das Fensterbrett.
Dazu murmelte der Alte, „Kokeln in der Bahn ist verboten“ und schlürfte an seinem Becher Glühwein.
„Und Saufen in der Öffentlichkeit wird auch nicht gern gesehen“, maulte Irene zurück.
„Stimmt,“ sprach der Mann und fuhr sich nachdenklich durch das borstige Silbergrau in seinem Gesicht. „Aber allein Trinken, ist nicht gut für die Seele. Eben dachte ich noch, ich hätte eine zum Anstoßen gefunden. Komm, auf die Heilige Nacht!“ Er prostete Irene zu und sie erwiderte schweigend. Der Wein dampfte und stieg ihr in die Nase. Schon mit dem ersten Schluck spürte sie einen Anflug von Rausch. Sie hatte mittags etwas gegessen, jetzt war es später Abend. Der Alte sah ihre Einsamkeit und auch, dass sie im Grunde zu jung war, durch die Nacht zu stromern. „Darf ich fragen, warum du allein unterwegs bist?“ Irene hob ihre Lieder: „Meine Eltern sind Schiffer. Sie stecken irgendwo mit ihrem Kahn fest. Passiert schon mal. Und Sie, warum sind Sie Weihnachten allein?“
Der Alte murrte: „Passiert immer wieder. Die Frauen bleiben nicht lange bei mir.“
„Warum? Zuviel Glühwein?“
„Quatsch. Zuviel Arbeit, ich bin Monteur, wenn du verstehst.“
„Hm. Da ist es wohl besser, Paare sind gemeinsam unterwegs, wie meine Eltern.“
„Und warum kümmerts keinen, dass du allein bist heute Nacht?“
„Es weiß wohl einfach keiner.“
„Weiß man in diesem Land nicht immer alles?“
„Kann sein.“
„Und was sagt das Amt zu sowas?“
Irene sah den Mann verkniffen an und schnauzte: „Das geht Sie gar nichts an!“ Sie blies die Kerze aus, erhob sich ruckartig und stieg ohne zurückzusehen beim nächsten Halt aus…

Ostkreuz. Der obere Bahnsteig hinter dem Wasserturm lag gebogen, dunkel und menschenleer. Das machte Irene keine Angst. Es war etwas anderes, dass sie augenblicklich angefallen hatte: dieses Gefühl, verlassen zu sein, für immer. Es schlich sich über Irenes Gänsehaut vom Rücken hinauf bis unter die Kopfhaut, um in den Schläfen laut zu pochen. „Wo seid ihr?“ rief sie leise, fast jammernd in die Nacht. In ihrem Kopf hämmerte der Gedanke: Abgehauen, übers Eis in den Westen. Sie stieg die Treppen hinab zu den unteren Gleisen und am anderen Bahnsteigsende wieder hinauf. Dort nahm sie die nächste Bahn heimwärts.  Würde sie die Nacht aushalten? Sie fühlte sich elend als sie in ihre Straße einbog. Es war eisig kalt und der Schnee knirschte unter ihren Schritten. Der viergeschossige Neubau lag im Dunkel, als sie die Haustürschlüssel aus der Manteltasche zog. Ein Glimmen auf einem der Balkone verriet, da rauchte einer und blies Kringel in die Nacht. Als Irene in der zweiten Etage ankam stand ein Mann vor der Wohnungstür: „Bitte nicht erschrecken, ich habe nur ein Telegramm abzugeben.“
Irene nickte und nahm das Kuvert. „Danke, ich kenne Sie gar nicht, wohnen Sie schon lange hier?“
„Entschuldigung, ich hätte mich vorstellen müssen: Kurt Kronberg. Bin gerade erst gegenüber eingezogen. Aber durch diese Tür habe ich noch keinen gehen sehen.“
„Meine Eltern sind Binnenschiffer.“
„Verstehe. Na, dann, frohe Weihnachten.“
„Ihnen auch.“
Irene schloss auf und huschte in die Wohnung. Sie Atmete tief und riss das Telegramm auf: Wir stecken bei Hamburg fest. Geld liegt im Brotkasten. Halte durch, Mutti!
Tränen verschleierten ihren Blick. Sie lehnte an der Tür und rutschte nun weinend in die Hocke. Das Telegramm fiel zu Boden. Schließlich stand sie auf, legte Kohlen im Ofen nach und stocherte in den Küchenschränken nach etwas essbarem. Drei Tütensuppen: Ochsenschwanzsuppe, Brühnudeln und Gemüseeintopf fanden sich und im Tiefkühler steckten ein halbes Brot und ein Stück Butter. Damit käme sie über Weihnachten. Essen hält Leib und Seele zusammen und Irene wollte nicht in dieser schrecklichen Einsamkeit untergehen.  Sie entschied sich für die Brühnudeln. Zum Essen schaltete sie die Nachrichten im Schwarz-Weiß-Fernseher an und hörte:

Stillstand in der Binnenschifffahrt: Der anhaltende Frost in weiten Teilen Deutschlands hat fast alle Wasserstraßen zufrieren lassen. Selbst Eisbrecher schaffen es nicht mehr, die Fahrrinnen frei zu halten. Die Verluste für die Binnenschiffer lassen sich im Augenblick noch nicht abschätzen.

Irene löffelte die dünne Brühe mit den dicken Eiernudeln und grübelte: Bei Hamburg. Im Westen! Wenn so ein Kahn erst mal eingefroren ist, das könnte dauern. Sie sprang auf und schaute im Brotkasten nach: 100 Mark. Für Irene war das viel Geld. Ihr monatliches Taschengeld betrug 20 Mark. Jetzt aber musste sie damit über die Weihnachtsferien kommen und zurück ins Internat. Es würde reichen. Beruhigt ging sie zurück zu ihrem Suppenteller. Wie sollte sie diese Zeit alleine aushalten? Sie muss sich unterhalten, um diese Stille zu füllen. Irene holte sich die Baumkerzen und eine Flasche Rotwein aus der Speisekammer und kochte sich einen Punsch mit Zimt und Nelken. Ein Glas gestatteten die Eltern zu Weihnachten.

Sie stellte sich vier Kerzen auf, holte die Geschenke für Vater und Mutter herbei, legte sich Stift und Schreiblock zurecht und goss sich ein Glas Punsch ein. Irene prostete den imaginären Eltern zu und schrieb:
„Frohe Weihnachten! Wo immer ihr seid. Könnt ihr mich hören ihr Lieben?“
„Wir hören dich Kind. Im Herzen sind wir bei dir.“
„Ich weiß, Mama. Macht euch keine Sorgen, ich schaffe das.“
Irene schluchzte, denn sie spürte, dass es nicht stimmte, was sie gerade sagte, aber sie fühlte, ein Rollenspiel könnte ihr guttun. Und so schrieb sie diesen Dialog und sprach dabei die Worte mit verstellten Stimmen.
„Du musst nicht so stark tun, mein Kind. Wir wissen, dass diese Situation für dich schlimm ist. Trink einen Schluck, er hilft dir zu entspannen.“
„Mach ich, Vati. Prost! Wie geht es auf dem Kahn?“
Die Stimme des Vaters räusperte sich: „Em, es geht. Noch haben wir es warm, aber ich glaube, wir werden beobachtet.“
„Wie jetzt?“
„Na, vielleicht denkt man sich, die stecken im Eis fest, das ist eine gute Gelegenheit zu türmen, wenn du verstehst, was ich meine.“
„Du meinst, die Stasi denkt das?“
„Ja. Die trauen doch keiner Seele. Pass auf dich auf mein Kind und lass dir nichts erzählen. Wir würden dich niemals zurücklassen. Ja, es gab solche Fälle, und wahrscheinlich haben wir deshalb diesen Schatten am Ufer bekommen, aber du kannst dich auf uns voll verlassen.“
„Das weiß ich doch.“
„Und warum sorgst du dich dann?“
„Na, wer weiß schon genau, was der andere denkt und wohin ihn das führt.“
„Kindchen!“
„Ja, Vati? Ich sorge mich halt und ich bin nicht gerne allein.“
„Weiß ich, deshalb machen wir uns ja Sorgen.“
Im Fernseher flimmerte „Die Feuerzangenbowle“. Irene legte den Stift beiseite, goss sich einen zweiten Punsch ein und kuschelte sich in eine Decke auf dem Sofa. Der Film lenkte sie ab und das Getränk machte sie schläfrig.

Am ersten Weihnachtsfeiertag weckte sie das Sendeschlussrauschen des Fernsehers. Sie sprang vom Sofa und schaltete das nervende Gerät aus. Zuerst legte sie Kohlen auf das letzte Glimmen im Kachelofen. Das Wohnzimmer roch nach abgestandenem Punsch. Sie füllte den Rest in eine Flasche und verschloss sie mit einer Gummikappe. Bestimmt ließe der sich noch einmal aufwärmen. Während Irene die Fenster weit öffnete, um zu lüften, schepperte die Wohnungsklingel. Niemand stand vor der Haustür, aber am Türknauf hing ein roter Stoffbeutel mit weißen Punkten und es war ihr, als ob ein Hauch in den Wohnungsflur wehte. Seltsam, bestimmt war es nur ein Luftzug zwischen offenem Fenster und dem Treppenhaus. Aber es war kein Luftzug.

Er hatte sich verspätet, Irenes Schutzengel. Er war nie wirklich so pünktlich, wie er sollte. Auch unter den Engeln gab es nachlässigere Gewächse. Doch glücklicherweise hatte das Mädchen die Heilige Nacht allein überstanden und nun war er an ihrer Seite. Unsichtbar saß er im Sessel in der Leseecke und wachte.
Irene lugte in den duftenden Stoffbeutel, frische Schrippen und eine Streuselschnecke. Wunderbar! Sie liebte diese tellergroßen Schnecken. Das Mädchen schloss das Fenster und sah, unten auf dem Gehweg schlenderte Herr Kronberg. Ob er den Beutel an die Tür gehängt hatte? Egal.
Irene frühstückte und sprach mit vollem Mund mit dem Schreibblock:
„Moin, moin, schmeckts Euch auch?“
Wieder räusperte sich die väterliche Stimme und erklärte: „Deine Mutter hat Früchtebrot gebacken. Ist köstlich wie jedes Jahr.“
„Oh, Mann, Früchtebrot! Aber stellt euch mal vor, heute Morgen hat mir jemand ganz frische Schrippen und eine Streuselschnecke an die Tür gehängt – in einem wunderschönen Stoffbeutel.“
„Du weißt nicht von wem die sind und isst sie?“
„Ja, Mama, sei nicht so vorwurfsvoll. Es hat nur jemand an mich gedacht. Vielleicht der nette Herr Kronberg, der nebenan eingezogen ist.“
„Die Wohnung nebenan ist unbewohnt. Gesperrt wegen Rohrbruch, der den ganzen Fußboden ruiniert hatte. Dieser Herr Kronberg ist -,“ die Mutterstimme brach ab und Irene trieb ein Verdacht hinaus aus der Wohnung. Sie sprang die Treppe hinauf in den dritten Stock und klingelte bei Familie Krause. Die Nachbarin öffnete: „Ah, Irene. Frohe Weihnachten.“
„Ja, frohe Weihnachten. Frau Krause, ich will nicht stören, nur eine Frage: Ist in der Wohnung neben uns ein neuer Mieter eingezogen?“
Die Krause schüttelte den Kopf. „Die Wohnung muss erst saniert werden. Wenn da einer reingeht, dann ist er vielleicht von der Versicherung oder ein Klempner.“
Irene setzte düster nach: „Oder – einer von der Firma.“
„Wer weiß“, murmelte Frau Krause verhalten. „Ist sonst noch was?“
„Nein danke.“ Die Tür schloss sich wieder und Irene, wusste plötzlich nicht, was sie tun sollte. Wut stieg in ihr auf. Der hatte sie einfach frech angelogen. Sie klingelte Sturm bei Kronberg, aber niemand öffnete.

Sie hastete zurück in die elterliche Wohnung zu ihrem Blockdialog. Sie schrieb und sprach: „Mama, ich glaube, der Kronberg ist mein Schatten!“
„Und von dem nimmst du Brötchen an?“
„Sie sind von mir“, flüsterte der Engel. Irene sah erschrocken in die Leseecke. Dort war nichts. „Werd‘ ich jetzt irre, wer spricht da?“, schrie sie in den Raum. Da schimmerte der Engel in seiner Gestalt. Lessig saß er da in einem grünen Kapuzenmantel. Braune Locken fielen bis zu seinen schmalen Schultern und er schaute mit einem sanftmütigen Blick, der Irene an ihren Lieblingsbeatle George Herrison erinnerte.
„Mir wurde gesagt, mit Streuselschnecken kann man dich trösten. Ich bin Raphael und werde über Weihnachten Dein Schutzengel sein.“
Für Irene war das im Augenblick alles ein bisschen viel. Missgestimmt fragte sie barsch: „Und, wo warst du gestern?“
„Ich hatte verschlafen.“
„Die Heilige Nacht?“
„Ja.“
„Na sowas.“
„Wenn ich störe, bleibe ich unsichtbar.
„Ja, bitte.“
Der Engel atomisierte sich und Irene tippte mit dem Stift auf ihren Schreibblock: „Vati, Mama, ich bin nicht mehr allein. Ich habe jetzt einen Schatten und einen Engel.“ Der Schreibblock schwieg.

Sie musste raus. Abends fuhr Irene wieder S-Bahn und sprang von Wagon zu Wagon. Sich an Leuten sattsehen und ihnen Kerzenlicht spendieren. Diesmal war es schwieriger ihre Weihnachtslichter unbemerkt aufzustellen. Himmel und Menschen waren unterwegs und schleppten Geschenke von A nach B. Doch Irene fand stets diesen kleinen unbemerkten Moment oder war da wer, der sie abschirmte? „Raphael?“ flüsterte sie. Der Engel stand direkt neben ihr und lächelte. Und da noch einer, der sie beobachtete. Dieser Kurt Kronberg. Als sie ihn entdeckte, kam er auf sie zu und reichte ihr wieder ein Telegramm. „Sie sind wohl unter die Briefträger gegangen?“ zischte ihn Irene an. Dann las sie unter Freudentränen: „Komme morgen mit dem Zug, Mama“. Der Schatten verschwand, der Engel aber begleitete sie durch die Nacht.

© Petra Elsner, August 2022

24 Heimlichkeiten im Advent

Morgenstunde (1012. Blog-Notat)

Die Geschichte zum Weihnachtsapfelbaum ist schon geschrieben und Ihr findet sie hier. Aber der Apfel an sich ist in der Weihnachtszeit viel mehr als nur ein Märchen. Er gehört zum ältesten Christbaumschmuck – der Paradiesapfel und die Sache mit dem Sündenfall eben…, aber das ist hinlänglich bekannt. Mich erinnern die roten, knackigen Äpfel an den Winterduft im unbeheizten elterlichen Schlafzimmer. Auf dem großen Kleiderschrank wurde herbstwärts Zeitungspapier ausgebreitet und darauf die Apfelernte aus Großvaters Garten gelagert. Diese Pracht war für uns die Schwestern die reinste Verführung und deshalb schloss mein Mütterchen den Raum lieber vor uns ab, damit die Äpfelchen wenigstens bis zum Weihnachtsfest reichten….

24 Heimlichkeiten im Advent

Morgenstunde (1011. Blog-Notat)

Das schmerzende Sprunggelenk wollte gestern Abend nicht mit zur festlich geschmückten Bleiche und der Liebste saß inzwischen auch fest auf dem Sofa im Wintersportfieber. Nicht alles, was man sich vornimmt, wird wirklich. Stattdessen hab ich die Klangschale angestoßen und mich in stiller Gehmeditation geübt. Sie sorgt für ein bewusstes, super langsames Aufstellen und Abrollen von Fuß und Sohle. Es geht nicht darum, raumgreifend vorwärts zu kommen, der Schritt setzt nur ein paar Zentimeter vor den Standfuß auf. Dieses Gehen unterstützt die Standfeste und stimuliert  Muskeln und Bänder. Auf die Idee, die Gehmeditation in meine Krankengymnastik einzubauen, kam ich von selbst. Ich erinnerte mich dazu schlicht an das einst erlernte Qigong …
Leider habe ich immer noch nicht herausbekommen, wann das tägliche freihändige Laufen und Stehen bei den alltäglichen Verrichtungen zu viel des Guten ist. Da gibt es schmerzhafte Rückschläge, mir scheint aber, diese Langsam-Meditation hilft, den schmerzenden Fuß beweglich zu halten.  Dennoch – wenn auch mit Schmerzen, die Tage im Dezember sind heiter…

24 Heimlichkeiten im Advent

Morgenstunde (1010. Blog-Notat)

Zweiter Advent und draußen tschilpt die Spatzenbande im Efeu als wollte es Frühling werden. Wir haben für sie einen 25-Kilo-Sack Sonnenblumenkerne bestellt, der gestern mit der Post kam, der sollte bis zum echten Frühling reichen. Die ersten Antworten auf die versandten Honigpäckchen trafen auch gestern ein und nicht nur mit „Danke und Grüße“, nein, meine Freundin Ines hat doch umgehend ein Überraschungspäckchen versandt, 😊…Wichtelzeit. Wie schön, ich danke sehr, meine Gute! All das und die Besuche im Atelier haben mich in den letzten Tagen gut aufgehellt. Die lustigste Geschichte war für mich, die von der Familie Gans. Herr Gans hatte die Jagdschlosslesung verpasst (falsches Datum notiert), aber er wollte unbedingt den Gänsekrimi für seine Gans-Frauen zum Fest besorgen. In der Touristinfo Groß Schönebeck gab man ihm unsere Telefonnummer und ich musste schon lachen, als er sein Ansinnen am Telefon vortrug. Frau Gans bekommt also „Stumme Gänse“, du meine Güte, wie schräg doppeldeutig 😊.
Heute bleiben wir tagsüber ganz bei uns und genießen die Adventsstimmung im Haus. Abends wird auf der Bleiche am Fließ ein Feuer brennen, der Sportverein lädt zu Bratwurst und Glühwein ein und wer will kann auch singen. Wir werden dabei sein…

24 Heimlichkeiten im Advent

Morgenstunde (1008. Blog-Notat)

Habe heute Morgen noch letzte Weihnachtswichtel-Grußkarten zugeschnitten. Montag gehen die Briefstapel auf den Postweg. Frühzeitig, aber da die Briefzustellung der Letzt so schleppend ging, bin ich lieber zu früh als zu spät. Gegen 10 Uhr klingelte ein Berliner Pärchen. Die beiden trugen eine Karte mit sich, die sie vor zehn Jahren zugesandt bekommen hatten. Das Motiv bezieht sich auf das Eichhorster Neujahrsanblasen und sie fanden es einfach so schön, dass sie es nun selbst verschicken wollten. Gefunden hatten sie mich übers Internet und sie hatten Glück, denn ich hatte diese Karte erst letztes Jahr nachdrucken lassen. Keine 10 Minuten waren sie mit 20 Karten wieder weg: Wundersame Adventsbegegnungen…

24 Heimlichkeiten im Advent

Morgenstunde (1008. Blog-Notat)

Jahrelang haben wir keine Eheringe mehr getragen, weil ich meinen in der Kurtschlager Streusandbüchse versenkt hatte. Beim Kompostieren in einem feuchtkalten Winter. Dieses Jahr werden wir uns zum Weihnachtsfest neue Ringe schenken, schmale, schlichte Teile, die beim Templiner Juwelier Lux in Arbeit sind. Es ist irgendwie, wie ein neues Versprechen, dass uns gegenwärtig aufheitert, denn im Grunde ist das nicht nötig, aber schön. Vor der Tür trieft die Nässe, man mag sich einkuscheln und nach dem neuen Bücherstapel greifen, für den der Letzt keine Zeit war… Macht es Euch schön, alle miteinander.

24 Heimlichkeiten im Advent

Morgenstunde (1007. Blog-Notat)

Wolkengraue Winterstille… Die einen putzen am 5. Dezember die Stiefel blitzeblank, bei uns daheim wurden am Vorabend zum Nikolaus die langen Wollstümpfe gestopft und schlaff ins Fenster gehängt. Das sah schon seltsam aus, wenn sie am nächsten Morgen mit dicken Beulen olle Beene mimten. Völlig schmucklos und ohne Leibchen 😊. Zumeist Nüsse und Äpfel steckten darin, Schokolade gab es, wenn überhaupt, erst zum Weihnachtsfest. Es war die Zeit der gebrauchten Dinge. Schuhe, Jacken, Schulmappe immer von der großen Schwester. Die Sachen wurden abgetragen. Neues gabs sehr, sehr selten, und wenn, waren diese Sachen selbst geschneidert, gestrickt oder von Hand gebaut. So schlicht es auch zuging, die Adventszeit trug Vorfreude und Glanz.

24 Heimlichkeiten im Advent

Morgenstunde (1006. Blog-Notat)

Meine Weihnachtspost wächst: Die Briefe ins Ausland schrieb ich zuerst. Jetzt sind die Verwandten, Freunde und die Geschäftspost dran. Zum Schluss kommen die Nachbarschaftsbriefe an die Reihe, die man selbst in die Briefkästen steckt. Ich muss dabei an das schöne Märchenspiel jüngst zur Dorfweihnacht am 1. Dezember denken, wie herrlich „Die goldenen Gans“ inszeniert war. Ich hab die ganze Spielzeit über gelächelt, was mir wirklich guttat. Weihnachten ohne Kinder hat wenig Zauber, wir haben jetzt wieder 47 Kinder im Dorf – wie schön.
Postmachen ist die Zeit, aneinander zu denken. Manche Herzmenschen habe ich dieses Jahr nur am Telefon gehört, von einigen wenigen gab es gar kein Lebenszeichen. Warum? Die Menschen hatten in den vergangenen vier Jahren viel zu tragen, ich bin nachsichtig mit ihnen…

24 Heimlichkeiten im Advent

Morgenstunde (1005. Blog-Notat)

Mit dem Backen hatte es die Tage dann doch nicht geklappt, weil der frische Honig meinte, er sei, nach der X. Rührattacke, nun endlich fertig und abfüllbereit. Es ist nicht so viel Honig, wie in den letzten Jahren geworden, weil der Imkergatte viele Fahrten zu den Eltern im Pflegeheim unternehmen musste, so kam er schlussendlich erst im frühen Herbst zum Schleudern. Nur einen Durchgang, dann war schon die Winterfütterung dran. Der diesjährige Honig hat Wald und Linde als Nuance mit drin, schmeckt also praller, würziger als die reinen Blütenhonige. Wir sind damit sehr zufrieden und hoffen, dass nächstes Jahr wieder ein klassisches Bienenjahr gelebt werden kann. Jetzt kann gebacken werden 😊…