Druckfrisch: Der wilde Garten

Foto: Lutz Reinhardt

„Der wilde Garten“ ist eingetroffen. Wie schon vermutet, steckt auch er  im leichten Softcover, als Folge der gestiegenen Produktionskosten. Dennoch, wer das Bändchen aufschlägt, wird ganz sicher von seinem stillen Zauber berührt. Im Rücktiteltext heißt es begleitend:

„Gute Märchen machen stark, weil sie uns zu leben lehren.“, meint die Geschichtenerfinderin. Ganz in der Tradition alter Hausmärchen sind Petra Elsners Erzählungen für die Familie gedacht. Magisch ziehen die Geschichten, die mit den Jahreszeiten wandern, in ihren Bann. Begegnen Sie dem Schneeglöckchenlicht, stöbern Sie einen Wetterkobold und den kleinen Blattträger im wilden Garten auf. Im Schattenwald erzählen Holzmann und Birkenfrau von den Geheimnissen des Waldes. Vielleicht treffen Sie unterwegs den Regenmann, die Heideelfe, den Grasflüsterer, das Sonnenmädchen, den Dunkelgnom und viele andere Bewohner der Uckermark, des Barnims und der Schorfheide. Denn wenn sie nicht gestorben sind…
Die fiktiven, regionalen Märchen, die aus der Moderne stammen und den Zeitenwandel in sich tragen, erzählen vom Glück, den Tücken des Lebens und seinen Festen. Sie knüpfen einen klaren Bezug zur Realität, wobei meist ein winziger Initialfunke das Märchenhafte anknipst wie eine magische Lampe, indem sich augenblicklich für den Helden neue Chancen auftun. Dabei bleiben Petra Elsners Fantasiegestalten dicht bei dem aufrechten Menschenschlag des Brandenburger Nordens …“

Die Credits: Petra Elsner: „Der wilde Garten“, Taschenbuch, ISBN: 978-3-949557-17-0, 98 Seiten, mit Illustrationen von Petra Elsner und Fotos von Lutz Reinhardt. Erschienen in der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Schwedt an der Oder. Das Buch kostet 20 €, zzgl. Versand und ist überall im Buchhandel erhältlich, bzw. bestellbar.

Abends im Atelierfenster…

Eine Buchbesprechung

Neuer Besuch im Kinderzimmer

Nach den zwei Emotionen „Wut“ und „Angst“ besucht diesmal die „Liebe lange Weile“ das Kinderzimmer. Eine seltsame Stimmung bringt sie mit, die verunsichert und schlechte Laune verbreitet. In dieser bezaubernden Vorlesegeschichte erfahren die kindlichen Zuhörer etwas über das große Nichts. Wieder hat die Autorin und Malerin Kerstin Undeutsch dem diffusen Unbehagen eine treffliche Gestalt gegeben, die zu so gar nichts Lust hat und kein guter Begleiter ist. Aber die Autorin findet einen einfachen Weg, diese gähnende Emotion zu überlisten. Und urplötzlich ist sie wieder weg, die „Liebe lange Weile“. Es ist das dritte kluge und spannend illustrierte Kinderbuch von Kerstin Undeutsch, dass der Verlag Tasten & Typen herausgegeben hat. Wie schon die Bilderbücher „Keine Angst vor der Angst!“ und „Wut zu Besuch“ wurde auch „Liebe lange Weile“ außerordentlich stimmig inszeniert. Eltern werden das klare und hilfreiche Buch lieben, weil es ihr Kind stark für das Leben macht. (pe)

Kerstin Undeutsch: „Liebe lange Weile“
Hardcover, Fadenheftung
ISBN 978-3-945605-50-9
Preis: 16,80
Erhältlich hier:

 

Eine Buchbesprechung

Das Café ohne Namen
von Robert Seethaler

Die Handlung beginnt 1966 in Wien im ärmlichen Viertel um den Karmelitermarkt. Der Tagelöhner Robert Simon hört davon, dass der Pächter der heruntergewirtschafteten Kneipe am Markt aufgibt. Er erfüllt sich einen Traum und verwandelt das schäbige Quartier in ein gepflegtes Café. Von diesem Ort erzählt der Autor Lebensgeschichten. Knapp und konzentriert wie beste Kurzgeschichten, die für sich stehen, aber zusammen eine wunderbare Milieu-Skizze jener Zeit ergeben. Mit Leichtigkeit und einem Schuss Melancholie erzählen all diese menschlichen Auftritte von der Schwere des Lebens. Bittersüß.
Ein Roman über das Werden und Vergehen zu etwas Neuem. Empfohlen wurde er mir der Bestseller von meiner Freundin Ines, mir bescherte er wirklich wohligen Lesegenuss. (pe)

Erschienen ist es hier.

Vorgestellt

Hier ist mein Land – gute Unterhaltung aus dem Norden Brandenburgs

@HierIstMeinLand ist ein neues Format auf YouTube, das seit Juni 2023 schon Tausende Zuschauer in seinen Bann zog. Der Macher – Micha Seidel aus Ringsleben – hatte es satt, für abgehobene TV-Konzepte zu produzieren, die zusehends dominant für schillernde Falter und Minderheiten das Wort ergreifen. Den Entertainer, Musiker und Filmer interessiert hingegen das bodenständige Leben auf dem flachen Lande und um nichts anderes geht es bei „Biertrinken mit…“. Gäste sind Typen aus der Gegend mit denen Seidel unverstellt über deren Lebenswelt plaudert. Immer freitags um 18 Uhr startet eine neue Folge. Beim Reinschauen könnte Sie das Gefühl beschleichen, Sie säßen mit am Stammtisch. Denn da fragt einer, wie Sie vielleicht auch fragen würden und der Gast antwortet offen und natürlich. Ja, Promis gibt’s auf diesem privaten Kanal auch gelegentlich, aber im Grunde geht es Seidel um Einblicke ins Regionale. Produziert wird das Ganze nicht billig mit der Handykamera, sondern mit richtiger Filmtechnik. Ein Jahr hat sich das kleine Dreh-Team um Micha Seidel gegeben, um dieses Regionalformat auszuprobieren. Ich muss Sie allerdings vorwarnen: Sie könnten süchtig werden. (pe)

 

Seidel sang ziemlich beste Lieder

Jeder Takt floss in eine geschmeidige Bewegung. Der ganze Mann klang und swingte auf der Bühne, kaum, dass mir ein scharfes Foto gelingen konnte. Bis in die letzte Fingerspitze ist dieser Musikpoet eine herrliche Rampensau und seine Zwischentexte – eine Salve spitzer Ironie. Das anderthalbstündige Konzert „Seidel singt – ziemlich beste Lieder“ wurde unterm weiten Altlüdersdorfer Himmel vor 130  mitwippenden Zuschauern inszeniert. Ich fühlte mich dabei umarmt, seelenverwandt und gut mitgenommen. Micha Seidel ist ein Klangzauberer, einer, der mit dem Wort spielt, es dreht und wendet, bis aus dem Brandenburger Hinterland die große Politik spritzt. So war das kleine und große weltschattierte Konzert von „Seidels Volkskunst Kollektiv“ nicht nur musikalisch eine Offenbarung. Ich danke dafür.

PS: Die CD-Produktion „Seidel singt ziemlich beste Lieder“ hatte ich im Blog bereits letztes Jahr besprochen, siehe hier. Ich will mich nicht wiederholen…

„Seidels Volkskunst Kollektiv“: Micha Seidel, Sänger, Musiker und Entertainer; André Kuntze, Keyboard; Matthias „Felix“ Lauschus, Gitarre, Percussion, Trompete und Mario Rühl, Kontrabass und Gezupftes.

Eine Buchbesprechung

Der Vogel im Preußenkleid des Igels
Gedichte von Eckhard Mieder

Das neueste Buch von Eckhard Mieder ist ein lyrisches Bündel, in dem der Autor selbst Protagonist in seinen Texten ist. Im Chamäleon-Gewand kann er Vogel, auch Igel sein. Seiten voller heiterem Gezwitscher, dann plötzlich stachlige Absurdität – ein echter Mieder also, der für seine Gedichte-Sammlung schon mal ins „Archiv der Albträume“ griff. Dabei begegnet er Ikarus und Sisyphus, um dann, ganz entspannt Orten die Stimmung abzulauschen. Der Leser begegnet mit „Fresslust gendernden Wespen“, von denen die dickste zur Hummel mutiert. Leichtfüßig, auch hadernd spürt der Dichter der „Rätsellast des Lebens“ nach, vergangenen Zeiten und Reisen nach Island, Schweden, Lappland. „Am Ende der Welt spricht Gott mit Gletscherzungen, Fischschuppen im Haar.“ Von der Schönheit der Natur überwältigt, schenkt er uns Wander-Balladen, witzige Sprachbilder, freche Aphorismen, scharfsinnige Verserzählungen, die wenigen vulgären Sprüche hab‘ ich großzügig überblättert. Nicht meins. Aber gleich dahinter freie Lyrik vom Feinsten mit humoristischer Note im Abgang, wie hier:

„Es gibt eine Stille

Schritte. Ein paar Dutzend Meter
in den Wald. Die Blaubeeren sind
geharkt von Menschen aus
Thailand. Die ausgehobenen Bäume,
braun vor Erde um ihre Wurzeln, ähneln
Bären im Stande launischer Scheu. Das Moos
klumpt zu Buckeln der Trolle.

Morgen ist. Bläue ist. Nicht
ein Vogel unterwegs. In der Nähe
gibt es einen See, in dem die Fische
beim Morgentee sitzen und Knäckebrot
essen. Was der Mensch kann, kann
der Rotbarsch seit langem; frag ihn mal.

Und nichts ist zu hören. Nichts.“

Und zwischen all dem expressionistisch Absurden ein Seitenhieb von West nach Ost:
„…Hab Geduld! Mach uns nicht das schöne Land entzwei
so plötzlich…“

In fast allen Notaten schwingt sie mit, die Liebe zu den Wurzeln, dem Land, das verlassen liegt und der Dichter weit weg, wo „die Sonne untergeht“ im Überdruss versinkt. Nur eine schwache Stimmung vielleicht, denn am Ende spricht er von Liebe und kämpft gegen Salomon um die bessere Hymne den Frauen. Da wagt er sich was und gewinnt (mein Lächeln).

Mieders Gedichte in „Der Vogel im Preußenkleid des Igels“ sind im Verlag am Park erschienen. ISBN: 978-3-89793-357-6, 130 Seiten, Softcover, 15 €

© Petra Elsner

Eine Buchbesprechung

„Rotkäppchen spricht“

Im Flüsterton spricht mich dieses wunderschöne Buch an. Es war der Begleitband zu der Ausstellung „Rotkäppchen spricht“, die letzten Sommer Märchenbilder von Julia Kneise im Erfurter Haus Dacheröden präsentierte. Jetzt steht es für sich und das kann es auch, das sinnliche, sinnreiche Buch, das von der Stimmung und dem verborgenen Moment hinter der Geschichte erzählt, denn es berührt Herzen. Immer wieder verschoben, aus hinlänglich bekannten Gründen, verschaffte Corona dem Autor und Verleger Siegfried Nucke Zeit und Zugang, diese Worte für das gemeinschaftliche Projekt mit Julia Kneise zu finden. Nucke nimmt den Märchenfaden aus Grimms- und Andersen-Texten auf und assoziiert zu der Spannung des bildhaften Moments, den Kneise auf ihren Malgründen inszeniert. Die feinsinnige, safte, aber auch eindringlich-distanzierte Malerei, die nach der Zeit für Märchen sucht, tritt mit Tiefgang, Romantik und Poesie gegen die Inflation der Bilder an. Der Autor stimmt sich ein in diese rätselhafte Reise – ein Zweiklang von lyrischer Schönheit entstand, der mit Subtexten den Augenschein lichtet. „Julia Kneises Rotkäppchen blickt uns an, unschuldig und wissend: ‚Schau mich an! Ich bin stark. Lass mich gehen, auch wenn es dir das Herz zerreißt. Niemals bin ich allein.“, schreibt Nucke in seinem Text zum Geleit. Das gilt auch für dieses starke Buch, in der Welt, um zu verzaubern. (pe)

Das Buch ist ausschließlich über den Verlag Tasten & Typen für 25 Euro (Vorkasse, portofrei) bestellbar. Im Frühjahr wird die Ausstellung noch einmal im Schloss Molsdorf (bei Erfurt) zu sehen sein.

Und hier geht’s zurück zum Adventskalender

Eine Buchbesprechung

Dorfkreuzung mit Regulierer

Dreizehn traumschattierte Gedichte versammelt das stilsicher handgedruckte Bändchen von Frank Martens. Seine poetischen Blicke in die Kindheit spiegeln Lebensgefühl, Klang und Farbe von Heimat, bevor er heranwachsend entdeckt: „das Wort wächst mir als stachliges Blatt“. Martens Gedichte erzählen uns kleine Geschichten vom Wahrnehmen: Von „rauschenden Kiefernwellen in träger Brandung“, von „der staubigen Kehle des Sommers“, von den Finsternissen im Kinderzimmer „schwarze und langsam schwenken Kastanienfinger“, von Vorkommnissen auf der Dorfkreuzung und von der Magie der Langsamkeit der Zeit in Golzow (Potsdam-Mittelmark). Ein feines Nachspüren, als wollte der Autor jene Zeit noch einmal vermessen. Dazu passt wunderbar der grafische Landkarten-Einband, deren Gestaltung Ute Langner übernahm. „Dorfkreuzung mit Regulierer“ ist 2022 in limitierter Auflage bei Eidechsen Presse Krohnhorst erschienen, ein stimmiges Buchkunstwerk ist es allemal. Für 13 € ist es direkt beim Autor unter: 039886 340062 zu haben.
Petra Elsner

Weiteres über Frank Martens siehe hier:

Das Album „So viele Wege Vol. 2“

Eine Besprechung:

Man möchte in den Tanzkreis unter der Herbstlinde treten, wenn sich die neue Scheibe dreht. „So viele Wege VOL. 2“ ist der zweite altmeisterliche Streich der FOLKLÄNDER in der Corona-Zeit, der mit verblüffend hoher Qualität anknüpft an die besten Zeiten der Folk-Band. Gegründet 1976 in Leipzig, bestand sie bis 1982. Anschließend spielten sie unter wechselnden Namen und Besetzungen bis in die frühen 2000er Jahre. Die LP „Wenn man fragt, wer hat’s getan“ war übrigens die meistverkaufte AMIGA-Folkplatte zu DDR-Zeiten. Nach langer Band-Pause feierten die FOLKLÄNDER 2021 ihr 45-jähriges Bühnenjubiläum und haben nun ihre Ankündigung wahrgemacht. Im Booklet zum Album heißt es, sie hätten diese neue Produktion vollmundig versprochen, „wenn auch im Privaten wie auf der Weltenbühne inzwischen unheilvolle Beben aufzogen, die wahrlich geeignet sind, alle künstlerische Unbeschwertheit nachhaltig zu untergraben.“ Man merkt der Scheibe die Entstehungsumstände nicht an, aber die Auswahl der Texte und Kompositionen verraten uns schon etwas vom langen Ritt durch die Wüste und: „…Dass dieser Herbst uns seinerseits nicht braucht.“ Der Song „So viele Wege“ kommt als Sinnsuche wie eine Westernmelodie daher, die uns hoffentlich in einen trauten Kreis wieder nach Hause führt. Da schwingt in jeder Zeile mit, was wir an Irrwegen schon hinter uns haben. Bei aller Spielfreude der FOLKLÄNDER, sie würzen mit dem Salz des Lebens und parodieren den Weltenschmerz. Darüber hinaus trägt die CD wunderbare Cover-Versionen von „Im Café zur Frau Ohneherz/Finta“ mit einem maßgenauen deutschen Textkleid von Manfred Wagenbreth. Auf Bob Dylans Musik „It’s All Over Now, Baby Blue“ setzte Jürgen B. Wolff den herrlich schnodderigen Mundarttext „Schenner als wie hier“. Und abermals intonierten sie alte Liebeslieder („Kein Feuer, keine Kohle“), haben die Bänkel-Ballade von der „Gottesbraut“ bearbeitet und einiges mehr. „So viele Wege VOL. 2“ ist beste Unterhaltung nicht nur für die Folk-Gemeinde, mit spitzem Fingerzeig auf die Jetztzeit, vertraut zweideutig.

Erschienen bei Löwenzahn/Heideck, 15 €
Petra Elsner

„Nachtbaden“ von Jana Weinert

Eine Buchbesprechung 

Sie führt sie uns vor, die Poesie des Augenblicks. Jana Weinert verrät in ihren Texten etwas davon was uns leicht und was schwer macht. Ihre sinnlichen Aufforderungen zum Glücklichsein berühren beim Lesen: „…Lass und übers Wasser gehen“. Die Autorin schenkt uns wahre Beobachtungen „Poeten stimmen sich am Meer…“ und solche Einsichten: „Im Schatten aller Worte wächst mit der Stille mein Klang.“. Man wird von ihrer feinen Lyrik und Prosa in „Nachtbaden“ angeschlagen wie ein Glas, das klingt. Sich selber spüren, sich finden und hinterfragen. In diesem Nachspüren treibt sie die Gefühle und die Gedanken „auf des Messers Schneide“ und holt die Spuren der Zeit ans Licht.
„…Die Worte stehn euch gut
wie Sonntagskleider,
und machen fremd
wie Schminke im Gesicht.
Die weißen Westen näht nur euer Schneider.
Unsrer hat das Händchen nicht….“
Jana Weinerts polemischen Buchstücke und winzige Geschichten sind dem Leben, dem Alltag abgelauscht und deshalb so unverstellt und echt.
„…der Tag ein ewiger Wiedergänger im Schelmenkleid.“ – so klingt die leichte, hintersinnige Saite ihrer Poesie, die manchen Narren „auf winterharten Brandenburger Sand“ tanzen lässt. Und manchmal verzaubert den Leser einfach nur ihr poetisches Naturgeflüster. „Nachtbaden“ ist eine weise und empfindsame Einstimmung auf die Liebe, das Menschsein und das Alter: „Je mehr das Herz Raum hat, desto länger leben wir.“

© Petra Elsner

Nachtbaden, Jana Weinert, 138 Seiten mit Illustrationen von Ulrike Wodner, Softcover, Dorise-Verlag
978-3-946219-53-8 (ISBN), 14,70 €