Die neue CD von Aufwind „In Essik und Honik“

Rezensiert:
Die achte Schreibe der Berliner Klesmer-Band „Aufwind“ kommt gewohnt leidenschaftlich, professionell und diesmal raffiniert kulinarisch daher. Claudia Koch und Hardy Reich, die beiden Geschichtensänger, leben ihre frech–mutige Spielfreude.  Beim Zuhören bekommt man/frau Lust auf Wein, Fisch, weißes Hühnerfleisch und ein trunkenes Streitgespräch mit dem viel zu nüchternen Mond. Aus diesem musikalisch inszenierten 13-Gänge-Menü der osteuropäischen Lieblingsspeisen perlt rundum Sinneslust. Das Spiel der Band ist gewohnt stimmig, temperamentvoll und witzig, eben wie es im Booklet heißt: „wie aus dem Ei gepellt und piekfein“. Frisch und lecker ist auch die Gestaltung  von Label, Booklet und Umverpackung von Sandra Knopke und Saskia Klemm – eine hinreißende Scheibe für alle Klesmer-Freunde.

CD-Cover-Motiv
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Und hier kommt man an: „In Essik und Honik“
© Petra Elsner

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„Meine Winsstraße“ von Knut Elstermann

Vielleicht fühlt er noch „seinen Abdruck in der Luft“. Der charmante Geschichtenerzähler und Filmkritiker Knut Elstermann spürte ihm jedenfalls nach und entführt mit seinem neuesten Buch  „Meine Winsstraße“ in eine alte Berliner Meile, die die urbane Topographie seiner Kindheit ausmacht. Die ritterliche Figur im Giebel der Nummer 61, hielt der Junge für einen nahen Verwandten des Comic-Helden Runkel. Sein verwunschenes „Ritterhaus“ ist heute eine erstklassig sanierte Immobilie, die schönste in der Straße. Von diesem Wandel und dem kindlichen Lebensraum der „nie vollständig erfahrbaren Stadt Berlin“ spricht Elstermann auf sehr unterhaltsamen 140 Seiten. Dafür ist er ein Jahr lang immer wieder in die Winsstraße zurückgekehrt, um nach Menschen zu schauen, die es zwischen diesen Stadtsteinen gab und gibt. Berühmte Bewohner wie den Entertainer Hans Rosenthal, den Filmer Konrad Wolf … und weniger bekannte Leuten. Denn das quirlige, wirkliche Leben der „zentrumslosen Metropole“ findet nach Elstermann „an den Rändern“ statt.
Zum Beispiel Uschi aus dem „La Bohème“, einem der vielen öffentlichen Wohnzimmer an der Wins. Früher war es ein Gemüseladen. Uschi, Jahrgang 49, gehört zum melancholischen Urgestein des Kiezes. Sie erzählt vom jüngsten Bevölkerungsaustausch und der Autor ihre bewegende Geschichte. Von der belesenen Kellnerin, die mit Kollegen den berühmten Brecht-Keller in der Chausseestraße aufmachte. Dort sollte sie vergrault werden. Und deshalb landete sie, wegen angeblichem (und nie gerichtlich verhandeltem) Betrug, im Knast. 1999 eröffnete die ungebrochene Frau den Klamottenladen mit dem verruchtem Namen, der 2003 Pleite ging und indes mit neuem Kiez-Inhalt gefüllt wurde.
Elstermann öffnet bedacht für den Leser Türen, schaut mit journalistischem Gespür in die Zimmer dahinter, bis tief in die Herzen und findet dabei ein nicht gesuchtes Familiengeheimnis, einen Halbbruder. Das wirft seine Kindheitsmuster komplett durcheinander …
„Meine Winsstraße“ ist reich an Entdeckungen der besonderen Art und resümiert tolerant und weise: „Der Osten ließ das ruinierte Haus (Ritterhaus) verdämmern, der Westen seine alten Bewohner verschwinden. Dieses Paradoxum schwebt über meiner Winsstraße wie ein unsichtbares Schriftband: ‚Ich wäre nicht mehr, die ich bin, wenn sich nicht alles gewandelt hätte.‘“
© Petra Elsner

Cover
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„Meine Winsstraße“ ist  im Oktober 2013 im be.bra verlag erschienen.
ISBN: 978-3-89809-107-7, Preis: 9.95 Euro

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Die Zwölften

Eine Buchempfehlung:
Die zwölf Weihnachtstage umspannen im christlichen Kalender die Zeit zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar. Diese „Zwölften“ sind auf dem flachen Lande der Uckermark mit schönen Bräuchen verbunden, denen ein Buch nachspürt, das nach Schnee und Heimat duftet. Für „Die Zwölften“ hat Autor Werner Karsch regionales Weihnachtsbrauchtum und Weihnachtsgeschichte zusammengetragen: Den Advent aus kindlicher Sicht erzählt: vom „Adventsbären“, den „Sternkiekern“, den „Drei Witten“ und den Christkrippensängern – gefühlt wie ein Pendelschlag zwischen Frohsinn und Bangen. Karsch notiert begleitend die Herkunft der Akteure Nikolaus und Pelzbuck. Er erzählt vom Schenken, stellt Rezepte aus der Festküche vor und spricht vom Schmücken: dem Nüssevergolden, einem Ritus mit gereimten Visionen. Ein paar weihnachtliche Erzählungen leiten schlussendlich hinüber zu den Neujahrsbräuchen. Wertvolle Stiche, perfekt gefaltet und eingefügt, geben Einblick in die Feststuben unserer Vorfahren. Der Schibri Verlag hat mit „Die Zwölften“ ein feinsinniges Buch vorgelegt, wie ein wertvolles Geschenk aus alten Tagen, mit Herz gestaltet für heutige Leser, die nach dem Geist der Weihnacht suchen.

Petra Elsner

Cover
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„Die Zwölften“, Schibri Verlag, 112 Seiten, 22 Abbildungen und sechs Zeichnungen, ISBN 978-3-86863-037-4, 12,80 Euro

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Meine Winsstraße – eine Buchpremiere

Die Berliner Nacht hängt mir noch in den Haarspitzen, denn es zeigte sich, das Pflaster dort, auf  der alten Winsstraße, ist immer noch heiß, zumal wir beinahe eine Italienische Nacht erleben konnten. Im T-Shirt um 2 Uhr morgens heizten uns noch die Stadtsteine immer noch ein. Die Freisitze der Szenelokale waren bevölkert wie im Sommer.  Wir übernachteten in dem Haus Ecke Wins-/Chodowiekistraße, in dem wir sieben sehr lebendige  Jahre lebten  (bis 2008). Das Haus hat schönerweise eine Pension im Erdgeschoss  …

Knut Elerstermann liest im Kino Babylon, Foto: P. Elsner
Knut Elstermann liest im Kino Babylon,
Foto: P. Elsner

Wir hatten am Abend eine wunderbare Buchpremiere mit Knut Elstermann erlebt. Der uns wie eine Plaudertasche leichtfüßig und zugleich mit Hintersinn in die Straße seiner Kindheit entführte. Mit Witz und großer Routine moderierte er sich selbst. Zwischen den gelesenen Geschichten aus „Meine Winsstraße“, kommentierte Elstermann alte Fotos. Die Standbilder verweilten jeweils 60 Sekunden auf der Bühne des alten Babylons, und der Meister spürte plötzlich, so eine Minute ist lang. Also schwieg er zu jedem Bild gut mal 20 Sekunden, schmunzelnd über die Bild-Regie.

In den nächsten Tagen werde ich das Bändchen lesen und hier besprechen, aber man kann aus dem Gehörten schon erkennen, es lohnt sich das Bändchen des charmanten Geschichtenerzählers sich zu gönnen. Erschienen ist „Meine Winsstraße“ im be.bra verlag und für schlappe 9.95 Euro zu haben.

Und wir sind wieder zurück im Schorfeidewald.

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Stolper Steine

Cover: Stolper Steine, Schibri Verlag
Cover: Stolper Steine,
Schibri Verlag

Er gehört gewiss zu den mächtigsten Turmbugen Europas – der Stolper Turm. Es ist nicht gesichert, wer ihn erbaut hat. Und so weht ein Mysterium um diese dicken Steine auf dem Geländesporn im wundervollen Unteren Odertal. Aber die schöne Ungewissheit verleiht der Fantasie Flügel. Alles was bisher über den sogenannten „Grützpott“ erschienen ist, betrachtete nur Facetten. Mit dem Buch „Stolper Steine – Geschichte und Geschichten aus der Uckermark“ wagen die Autoren Ralf-Dietmar Hegel und Karla Horstmann eine ganzheitliche Sicht auf die Historie des Turms und des Ortes. Um es gleich vorweg zu nehmen – das Unterfangen ist gelungen.
Der Leser wird eingeweiht in den slawischen Ursprung der Höhenburg, Siedlung und Kultstätte. Weiter führen sie und durch das Machtgerangel zwischen Dänen, Pommern und Brandenburgern um 1198/99. Ganz offenbar existierte die gewaltige Turmburg in Stolpe zu dieser Zeit (oder befand sind im Bau) schon und mauserte sich zum strategisch-wichtigen Punkt der Dänen in diesen Kämpfen. Die Autoren berichten von bisherigen Ausgrabungen und stellen Maße, Struktur und Baumaterialien des Turmes vor. Zu den immer noch Rätsel aufgebenden Sandsteinfunden erklären Sie den aktuellen Forschungsstand präzise, aber zugleich populär verständlich. Darüber hinaus betrachtet das Buch Stolpes Geschichte, seine Persönlichkeiten – von den Anfängen bis zur Gegenwart. Gutes Bildmaterial, ein Anhang aus Flora-und Fauna-Fakten zum Naturpark Unteres Odertal, Zeittafel, Glossar sowie Quellenverzeichnis mit weiterführender Literatur runden die spannende Arbeit über „steingewordene Machtansprüche“ und die Geschichte der Oderstadt ab. Ein Buch, das sowohl für Touristen als auch für Spezialisten interessant sein dürfte.

© Petra Elsner

Stolper Steine, Schibri-Verlag, ISBN: 978-3-86863-016-9, 12.80 Euro

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DER GRUMSIN „Alte Buchenwälder Deutschlands“

Cover
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Einen bemerkenswerten Fotoband über den Grumsin hat die Angermünder Verlagsbuchhandlung Ehm Welk auf den Büchermarkt gebracht, zweisprachig (dt./engl.). Und obgleich DER GRUMSIN „Alte Buchenwälder Deutschlands“ ein politisches Buch ist, mit hochkarätigen Schlaglichtern auf den Weg bis zur Ernennung zum UNESCO-Welterbe, perlt aus jeder Seite die Liebe der drei Autoren Dr. Tilo Geisel (Foto), Dr. Michael Egidius Luthardt (Foto/Text) und Roland Schulz (Text) zu diesem traumschönen Ort . Kein möglicher Bildband-Nachfolger wird derart perfekt Expertenwissen bündeln. Beachtlich ist auch die Qualität der Herstellung, erst Recht, wenn man erfährt, dass von der Idee bis zur Drucklegung nur ein halbes Jahr verstrich.
Seit gut 20 Jahren gehört der Grumsin zum größten Naturschutzgebiet im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Rund 660 Hektar sind davon als Naturentwicklungsgebiet ausgewiesen. Was das bedeutet erklärt Dr. Michael Egidius Luthardt im Buch so: „Betreten und Bewirtschaften sind verboten! Mit Folgen: Seit mehr als 20 Jahren schweigen hier Axt und Säge und der Wald mit seinen vielfältigen Lebensgemeinschaften darf sich ungehindert entfalten.“ Aber mit dem Buch DER GRUMSIN „Alte Buchenwälder Deutschlands“ geht es nun hinein in diesen verwunschenen Wald im Wandel der Jahreszeiten. Die Autoren öffnen aber nicht nur mit Fotoblicken das Schatzkästchen der Natur, sondern bargen – wie es Roland Schulz bei der Buchpremiere im Hotel am Döllnsee erklärte – „Erlebnisse und Geschichten aus der Region. Als brüchiges Erinnerungsgefüge, denn die Befragten waren schon 80 Jahre und älter.“ Dieses fixierte Zeitwissen ist der Impfstoff, der das Buch herzwarm und lebendig macht. Womit es den Akteuren gelungen ist, durch einen Sehnsuchtsort zu spazieren und dessen üppige Flora und Fauna für den Leser beschaulich zu inszenieren.
© Petra Elsner

DER GRUMSIN „Alte Buchenwälder Deutschlands“, Bildband, Hartcover, 184 Seiten, 21 x 29,7 cm,, ISBN 978-3-943487-00-8, Verlagsbuchhandlung Ehm Welk, 34 Euro

Die Angermüder Verlegerin Karla Schmook und Hoteldirektor Thomas Eick  bei der  Buchpremiere im Hotel Döllnsee. Um das Naturparadies auch für die Zukunft zu bewahren, kommen die Verkaufserlöse aus dem Bildband teilweise dem Erhalt und der Förderung des Weltnaturerbes „Alte Buchenwälder Deutschlands“ – Der Grumsin zugute.
Die Angermüder Verlegerin Karla Schmook und Hoteldirektor Thomas Eick bei der Buchpremiere im Hotel Döllnsee. Um das Naturparadies auch für die Zukunft zu bewahren, kommen die Verkaufserlöse aus dem Bildband teilweise dem Erhalt und der Förderung des Weltnaturerbes „Alte Buchenwälder Deutschlands“ – Der Grumsin zugute.
Die Autoren Dr. Tilo Geisel, Dr. Michael Egidius Luthardt und Roland Schulz (v.l.n.r.) Foto: Petra Elsner
Die Autoren Dr. Tilo Geisel, Dr. Michael Egidius Luthardt und Roland Schulz (v.l.n.r.)
Foto: Petra Elsner

PS: DER GRUMSIN „Alte Buchenwälder Deutschlands“ ist im September 2014 in 2. Auflage erschienen.

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