Ich hatte gerade den Herrn der Tautropfen für meine Schorfheidemärchen erfunden, da rief mich meine Freundin Trilli aus dem Alten Schulhaus in Diensdorf-Radlow am Scharmützelsee ab, ob ich nicht an einer Nix-Ausstellung im Sommer 2009 teinehmen möchte. Da ich gerade für meinen Tautropfennix in alten Sagen gekramt hatte, kam mir das gerade recht, und so zeichnete ich zwei Nixe und erzählte dazu eine alte sorbische Sage neu und bildreicher. Aus den Zeichnungen wurden zwei Postkarten. So kam es, dass sich in meinem Postkartenständer auch Karten befinden, die nichts mit der Schorfheide zu schaffen haben.
Und hier die Geschichte:
Der Wasserfürst vom Scharmützelsee In einer Mittsommernacht ritt der alte Nix auf seinem Wellenross über den Scharmützelsee. Er grummelte so dumpf wie die Gewitterfront in seinem Nacken. Seine schönen Töchter waren vom Mittsommernachtsball noch nicht zurückgekehrt, und der Wasserfürst fürchtete das Schlimmste. Würden sie sich in einen Menschenmann verlieben, verlören sie ihre Unsterblichkeit. Der alte Nix hasste jene helle Nacht, in der sich seine Töchter ihrer Flossen entledigten, um in Mädchengestalt zu tanzen. Wütend peitschte er das Wasser, das sich dabei zu einer mächtigen Welle auftürmte, die zwei entsetzte Fischer mit ihren kleinen Booten ins Schilf schickte. Kopfschüttelnd sahen sie dem alten Zausel nach, der mit wehendem Leinenjäckchen und rotem Krönchen seinem väterlichen Zorn frönte. Zwischen Diensdorf und Radlow tanzten die Nixen mit dem Wind über die sumpfigen Wiesen, die so zart gesprenkelt blühten, als hätte ein Maler Hand angelegt. Ihre weißen Gewänder flatterten wie Segel. Längst klebten ihre Tanzpartner Halt suchend an knorrigen Weiden, als der Nix vor sie hin schwappte und sehr bös dröhnte: „Es mag ja sein, dass der Sonnengott in dieser Nacht seine höchste Macht erreicht hat, aber alles, was aufstrebt, wird auch wieder sinken, und ihr, meine Töchter, seid Kinder des Wasserfürsten und habt nur ihm zu gehorchen.“ Die jungen Nixen aber waren so verzückt von der Fülle der Zeit und den schönen Jünglingen, dass sie nicht gewillt waren, ihrem Vater sogleich zu gehorchen. Nein, einmal nur, wollten sie ein loderndes Sonnenwendfeuer erleben und schweigend sieben Sorten wilder Blumen von sieben verschiedenen Wiesen pflücken, um zu erfahren, wen sie freien werden. Sie kicherten und entschwanden in den Holunderbüschen. Da schickte ihnen der Nix einen mächtigen Schwall. Das Feuer zischte und das Wasser flutete die Wiesen, in denen nicht nur seine Töchter Blumen suchen. Es sah so aus, als würde der See das Land nehmen wollen. Blitze zuckten, und Wind peitschte die Wellen. Von den Fluten eingeholt, wuchsen den Nixtöchtern augenblicklich wieder Flossen. Fortan hatten die Nixen ländliches Tanzverbot, und damit sie sich daran auch halten, streift der alte Nix seither von Sommerfest zu Sommerfest. Gut verkleidet, allein am feuchten Saume seiner Jacke kann man ihn erkennen.
Früher hat man ja immer diese bunten Postkarten zur Winter- und zur Sommerferienzeit im Briefkasten gefunden. Helioblaue Himmel überspannten traumhaft schöne Strände, sagenhafte Bergwelten oder berühmte Städte dieser Welt. Manchmal erinnerten sie auch nur an die Werbung mit der lila Kuh. Ganz gleich, immer lösten diese Karten bei mir Fernweh aus. Aber scheinbar schreibt niemand mehr, wohin er sich aus dem gemeinhin schlechten Deutschland-Klima verzogen hat. HALLOOOOO – wo seid Ihr? Nicht mal mehr Mails rappeln in Ferienzeiten im elektronische Kasten, nur seltsame, hitzegeplagte Facebook-Schreie, die keiner wirklich hören will.
Also eigentlich fand ich ja die Feriennummer mit den Postkarten gar nicht so übel. Man konnte ein bisschen angeben, darüber kam eine ganze Druckindustrie und die Post in Arbeit. Und: die Hand übte zu formulieren und verriet dabei, wie es einem gerade wirklich geht. Heute können unsere Finger nur noch tasten und tippen. Habt Ihr letztlich mal versucht, ein Blatt handschriftlich schön zu beschreiben? Es sieht (umso weiter man/frau sich von Schulbänken entfernt hat) meist enttäuschend aus.
Meine Freundin Trilli hat auch deswegen den imaginären “Club zur Rettung der Handschrift” gegründet (siehe unter: http://www.cookiedu.de/trillhaase/handschrift/inde…), damit diese Seelensprache nicht gänzlich verloren geht. Ihr könnt dem alle beitreten. Schön wäre es auch, Ihr kauft eine ihrer Postkarte und verschickt sie an Eure echten Freunde – handgeschrieben natürlich.
Es grüßt Euch Petra
aus dem sommerlichen Zehdenick !
PS: Das ist meine Postkarte für Zehdenick. Als wir vor sechs Sommern hierher zogen, stand vor dieser kleinen Stadt ein Verkehrwarnsschild mit „Vorsicht Otterwechsel“. Das hat mich sehr erheitert, und deshalb hab ich ein Exemplar vor eine der jüngst restaurierten Kamelbrücken gesetzt. Die Postkarten gibt es beim Fremdenverkehrsverband in Zehdenick und bei mir im Atelier in Kurtschlag.
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