Ab und zu gibt es ja bei mir auch Eulchen wie dieses im Foto. Davon brauchte ich mal ein paar Jahre Pause, denn zwei Eulenkalender und zwei Eulenbücher waren echt genug … ABER: 2018 wird es wieder einen Eulenkalender aus meiner Hand geben. Der Messner-Verlag hat das letzte Woche mit mir klar gemacht.
Nach der ganzen Aufregung der letzten Tage hab ich diesen Regentag genutzt, um an meiner Wasserland-Serie weiter zu arbeiten. Diesmal auf Leinwand (60 x 60). Ist noch nicht ganz fertig, aber das Teil ist auf einem guten Weg. Es liegt hier nur zum Trocknen der weißen, schwimmenden Lasuren …
Heute habe ich die letzte Geschichte zu „Vom Duft der warmen Zeit“ abgeschlossen. Auch meine Illus sind zu dem uckermärkischen Sommerlesbuch gezeichnet. Schnauf. Es beginnt nun die Korrekturphase und die Gestaltung durch den Verlag. Heißt, ich bin mein neues Kind erst einmal für ein Weilchen los und kann den Tag des offenen Ateliers (3. Mai) vorbereiten :).
am 1. Maiwochenende finden wieder die Tage der offenen Ateliers in ganz Brandenburg statt, am Sonntag, den 3. Mai 2015, beteiligt sich auch das Atelier an der Schorfheide in Kurtschlag an dieser landesweiten Kunstaktion.
In diesem Jahr präsentiere ich im Hof (neben dem Fundus im Bilderspeicher) großformatige Bilderfahnen zum Thema „Funken der Seele“.
Im Atelier sind vorzugsweise Buchillustrationen zu meinen jüngsten literarischen Arbeiten zu sehen.
In der Zeit von 11 bis 18 Uhr sind interessierte Gäste willkommen, sich im Lesegarten niederzulassen,
um hier und da einen inspirierenden Text oder eine verborgene Kunstfertigkeit zu entdecken.
Ab 15 Uhr werde ich einige meiner Uckermärkischen Sommergeschichten vorstellen,
anschließend zelebriert das Musiker-Duo Nici & Sebastian für eine gute Stunde Gute-Laune-Musik.
Kaffee und Kuchen stehen für die Besucher bereit.
Ort des Geschehens: Kurtschlager Dorfstraße 54, 16792 Zehdenick, OT Kurtschlag, Telefon: 039883 48913, www.atelier-elsner.de.
Das ist eine der Geschichten, die im Frühsommer in dem Buch „Vom Duft der warmen Zeit“ zu lesen sein werden. Zum Tag der offenen Atelier 2015, am 3. Mai (11-18 Uhr), werde ich eine Handvoll davon im Lesgarten vortragen.
Mit gekappten Wurzeln lässt sich schlecht wachsen.
Nach Hause
Sie saß an ihrem Computertisch, hatte die Hände gefaltet und lauschte nach innen. Sag was, dachte sie. Aber ihr Inneres sprach heute nicht mit ihr, es hatte ihr schon alles gesagt und Carolin wusste das. Ihr Blick huschte über das Telefon, ob sie sich ankündigen sollte? Sie verwarf den Gedanken. Sie löste die weiß gepressten Finger, steckte den Stick in den Computer, kopierte ihre persönlichen Daten und fuhr die Maschine herunter. Die Kollegen im Großraum steckten konzentriert mit ihren Köpfen in den Versicherungsdaten anderer Leute, niemand sah, wie Carolin aufstand, das Fenster öffnete und den Duft des Sommers empfing. Selbst über der Frankfurter City schwebte über dem Feinstaub der Blütenduft. Carolin atmete tief ein und nahm im ausatmen wortlos Abschied, dann raffte sie eilig ihre Sachen und ging. Vorbei an dem gläsernem Büro ihres Chefs, der in der Mittagspost ihre Kündigung finden und genervt ihr „blöde Osttante“ hinterher brüllen würde. Aber da säße sie schon in ihrem Auto. Die junge Frau hatte als Kündigungsgrund schlicht das Wort „Heimweh“ geschrieben. Nichts von der Entfremdung oder gar unterkühlten Arbeitswelt. Nein, das war es natürlich auch, aber Carolin konnte einfach nicht mehr ohne den prallen uckermärkischen Sommer leben, den Witz und die spröde Herzlichkeit der Leute im Dorf und die Liebe der Eltern. Sie wollte nach Hause. Jetzt war sie unterwegs, dorthin, wo die Sommerbriese ihr wieder ein Lachen ins Gesicht wehen wird. Das hoffte Carolin jedenfalls. Sie fühlte schon lange, wie ihr Körper zur Rüstung mutiert war: kühl, unnahbar und wehrhaft. Aber tief in ihrem Innern pochte ein wilder Schmerz, der sich nach unverstellter Nähe sehnte. * Am Abend erreichte sie die Autobahnabfahrt Finowfurt, sie wollte über die Dörfer nach Hause kommen, ins Land schauen, über die Felder und die stahlblauen Eiszeitseen. So viel Himmel gibt es nirgendwo, dachte die Frau am Steuer. Sie freute sich auf ein einfaches und langsames Leben, eine Zeit zum Menschsein. Unbekümmert. Sie bog auf den Kopfsteindamm, der zum Landsitz ihrer Freundin Lena führte. Bei Tempo 30 schüttelte sie die allerletzten Zweifel aus ihren stylischen Haarspitzen. Auf dem Hof begrüßten sie zwei verspielte Hunde. Der Trecker fehlte, also würde sie Lena, die alle nur Molli nannten, irgendwo auf der Weide finden. Im Karohemd lief Carolin barfuß über die Butterblumenwiese. Sie denkt an Mario, mit dem sie letzten Sommer unterm Sternenhimmel lag. Rotklee schmeckt nach Mario und Sommerliebe, die flüchtig wie ein Windhauch ist. Carolin spürt beim Gedanken an Mario immer noch die Schmetterlinge im Bauch, es war keine Laune der Gelegenheit, aber Mario ist weg, wie die anderen auch. Man sieht sich Ostern oder Weihnachten auf ein paar Biere beim Eichenwirt. Im Stehen, nah und doch schon fremd, weil fern. Lena-Molli war die Einzige aus der Dorfclique, die auf dem Hof der Eltern blieb. Sie war von Kindesbeinen an vernarrt in Kühe, die Braunen, Weißen und Bundgescheckte. So konnte sie in der vertrauten Umgebung bleiben. Carolin hat ihr eine Kuhlichterkette mitgebracht, für die überbordende Kuhsammlung in Lenas Wohnzimmer. In der Wiesensenke sah Carolin ihre alte Freundin bei der Tränke und dachte: Sie ist noch ein wenig molliger geworden und wirkt wie ein rosiges Gewächs in der Landschaft, erdverbunden und sonnig. Molli lachte über ihre Pausbäckchen, als sie Carolin entdeckte und lief ihr aufgeregt entgegen. „Das ist ja mal ne Überraschung“, rief sie und drückte, angelangt, verschwitzt die zarte Ernste im Karohemd. „Hey, Lena, Molli, hast du ein Zimmer frei, für ein Weilchen zur Miete?“ Die Freundin löste die Umarmung und taxierte die Ankommende: „Was ist los?“ „Heimweh, hab hingeschmissen.“ Molli nickte wissend. Sie gingen durch die Wiesen zum Hof. Molli wusch sich kurz an der alten Wasserpumpe, dann stiegen die Frauen unter das Dach zum Gästezimmer. Carolin schnuppert in die Mansarde: „Alles blütenfrisch, hast du mich erwartet?“ „Irgendwie schon“, murmelte Molli, „nach deinen letztem Anruf, war es ja nur eine Frage der Zeit, dass du hier eintrudelst.“ Während Carolin ihr Gepäck hinauftrug, schlug Molli Eier in die Pfanne, schnitt Brot und Schnittlauch, holte die Butter aus dem Kühlschrank, stellte zwei Flaschen Bier auf den gescheuerten Eichentisch vor dem Haus und wartete sinnierend auf Carolin. Ob sie wirklich bleiben würde? Sie hätte dann endlich ihre einzige Freundin zurück. * Carolin schlief. Sie lag fest wie ein Stein, bis in die Mittagszeit. Heiteres Schwalbengezwitscher weckte sie aus der Tiefe eines schweren Traums. Sie lauschte abermals in ihr Inneres, aber Inneres schwieg weiter. Der schlechte Traum schien also nur ein Gespenst gewesen zu sein, der Schatten eines gebrauchten Tages. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen, steckte den Fuß aus den Federn und nahm langsam Kontakt mit ihrem neuen Leben auf. Dann stand auf den warmen Holzdielen und räkelte sich, die Sommerhitze hing unter dem Dach. Im offenen Karohemd stieg sie die Treppe hinab in Mollis Reich, aus dem ein köstlicher Duft kroch. „Beer un Klüt *, ich fass es nicht, Molli, das ist ganz wunderbar von dir, Birnen und Klöße habe ich eine Ewigkeit nicht mehr gegessen.“ Sie schlich wie eine kindliche Naschkatze um die Freundin herum, die lausbübisch in sich hineinlächelte. Sie brachte rasch den großen Topf ins Freie, wo schon die Teller und frischer Zitronensaft warteten. Die Zwei hockten sich in die Sonne und aßen bedächtig als hätten sie alle Zeit der Welt. Molli zögerte das Gespräch zu beginnen. Sie wartete, wie sie immer wartete, dass andere ihre Karten ausspielten. Sie verschaffte sich auf diese Weise Zeit zum Nachdenken. Als Carolin die zweite Portion Birnen und Klöße mit Zitrone beträufelt und verdrückt hatte, begann sie endlich zu sprechen. „Molli, ab heute ist für mich Schluss mit den abstrusen Meetings zum Abgreifen des Wohlstands anderer Leute. Geld heckt zwar Geld, aber für mich ist das nichts.“ Molli schaute die Freundin mit forschendem Blick an: „ Was willst du hier machen, Gänse oder Schafe hüten oder Putzen gehen. Gute Jobs sind hier immer noch rar, auch wenn sie schon überall Köche, Therapeuten und Handwerker suchen, das Rechte scheint mir aber für dich nicht dabei zu sein.“ „Ach, Molli, das habe ich mir lange überlegt. Ich mache mich selbstständig mit einer regionalen Ausflugsagentur. Sonntagsausflüge für Familien per Rad, Kremser, Draisine oder auch dem Bus. Zu den schönen Dorfkirchen zum Orgelspiel lauschen und Wanderungen in die eiszeitliche Landschaft, eben Land- und Dorfschauen. Und im Winter gebe ich Kurse an der Volkshochschule: Neue Heimatkunde für Erwachsene.“ Molli schaute überrascht: „ Das ist eine echt schöne Idee.“ Sie stellte das Geschirr zusammen und murmelte wie nebenbei: „Aber vielleicht solltest du erst einmal deine Eltern begrüßen.“ Carolin nickte ernst. * Der Sommer brodelte als Carolin Richtung Dorf radelte. In der Ferne zog ein Gewitter auf. Er wird sie nicht verstehen, der Vater. Alle werden sich freuen, dass sie wieder im Lande ist, nur er nicht und sie fürchtete seinen bitteren Groll auf alles und jedes. Klaus Wedel gehört zu der verlorenen Generation in Ostdeutschland. Der Melker wurde wie viele in den 90er Jahren wie Müll aus der Arbeitswelt gespuckt und bekam nie wieder eine echte Chance. Gelegenheitsjobs in einer kleinen Parkettfabrik, in zwei Schichten für 750 Euro brutto im Monat. Er war Erntehelfer, Zeitungszusteller, schob Winterdienst und jobbte auf Bauplätzen von betuchten Zugezogenen – immer und überall unterbezahlt. Jedes Jahr bekam er weniger auf die Hand, weil wieder einer der Ostchefs die Leidensgrenze seiner Angestellten erprobte. Viele wegen der eigenen wirtschaftlichen Schwäche, aber auch mancher darunter, der es gnadenlos genoss, die existenzielle Kluft weiter zu treiben. Die Fünfziger Jahrgänge speisen indes ein bedrohliches Heer von Armutsalten im gesamten Osten, ganz besonders in der Uckermark. Der Vater gehört dazu und verachtet seither schon im Aufstehen den jungen Tag der anderen. Carolins Mutter erging es nicht anderes. Sie putzt sich seit Jahren klaglos durch die Häuser der Fortgezogenen, die ihre Sommerferien auf den fein sanierten Höfen der Vorfahren verbringen und das einfache Dasein feiern. Aber sobald der Kunstherbst in den großen deutschen Städten beginnt, verwaisen die Gemäuer auf Monate. Man ist im Dorf wieder unter sich, ohne Gasthof und Supermarkt und fügt sich ins einfache Dasein. Carolin radelt. Der Himmel verdunkelt sich und die Pappeln am Fluss biegen sich schon schwer im Wind. Sie weiß, auch die Kinder der Uckermark, die nach ihren Wander- und Lehrjahren zurückkehren, werden diese Umstände nicht tilgen können, aber vielleicht lindern. Jeder Rückkehrer ist ein Hoffnungsfunke. Als Carolin auf den elterlichen Hof rollte, schlagen schwere Tropfen sie augenblicklich pitschnass. Sie huschte geduckt in die Vorhauslaube, und stand nun als Schattenriss im Gegenlicht in der Tür. „Carolin?“ Die Mutter fingerte aufgeregt nach ihr und heulte vor Freude. * Stunden später war alles gesagt. Der Vater hatte ihr erstaunlicherweise ohne zu poltern zugehört. Während die Mutter Speckstippe* am Herd anrichtete, war er wortlos verschwunden. Nach dem Gewitterguss nach den Tieren schauen. „Er kommt erst wieder rein, wenn es dunkel wird“, sagte die Mutter. Ihre Worte klangen müde, aber ihr milder Blick auf Carolin wärmte das Herz der Tochter. Sie aßen Pellkartoffeln zur Speckstippe und als der Abend kam, brach die junge Frau mit dem Rad in ihr neues Leben auf. „Heiter bis wolkig“ frohlockte der Wetterbericht im Radio für den nächsten Tag. *** (pe)
Nun ist es doch noch hell und licht geworden – dieses Ostern 2015, das werde ich draußen genießen und dem Computer mal die kühle Schulter zeigen. Wem nach einer österlichen Geschichte ist, folge dem Link.
Sie klausiert immer noch, wenn sie kann. Zwischendurch muss frau ein bisschen was zum Überleben beschaffen. Zum Beispiel einen erkrankten Blattmacher vertreten. Oder die Wahlhelferin geben – am Sonntag (NB: Einen Landrat zu wählen, wurde leider nicht geschafft.), aber wenn ich kann, schreibe ich. Bin an Geschichte Nr. 9 und die beginnt so:
Delle in der Zeit
Immer, wenn Ina sich entspannt für einen Termin entscheidet – irgendjemandem zum Geburtstagsbrunch zusagt oder zu einem literarisch-musikalischen Abend, kommt irgendwer daher und schiebt sich exakt mit seiner wichtigen Veranstaltung auf dieses freundliche oder festliche Datum. Am 4. wird Freundin Sabine 40 Jahre alt und nun trötet der Briefkasten gehässig: „Ätsch, ich hab‘ hier noch eine Einladung des örtlichen Kulturvereins, genau zum 4. – mit einem großen, unausgesprochenen, aber gut fühlbaren MUSS versiegelt.“ Der Tag hat plötzlich eine Delle, ein blaues Auge, und Ina mag gar nicht mehr in diese sommerliche Kalenderzeile schauen, denn die suggeriert jetzt Stress. Sie ist schlicht sauer, dass jemand es wagt, in ihren Kalender zu spucken. Ihr mit seiner kurzentschlossenen Wichtigkeit ein schlechtes Gewissen zu impfen, denn nun muss sich Ina neu entscheiden, zwischen Fest und Notwendigkeit. Und die Zeit als unbekannte Dimension tickt augenblicklich schneller, und schneller und schon ist es geschehen: Die gehetzte Variante von Ina erscheint. Und weil die Zeit sich nicht verdoppelt und Ina immer vom Ernst des Lebens überrannt wird, kommt sie kaum noch zum Feiern. Das geschieht selbst in dem stillen Land, obgleich es doch den Stempel der gedehnten Zeit trägt. Und was ist mit Sex? Die gehetzte Variante von Ina hat keinen, denn Stress macht lustlos…
Wie es weiter geht wird nicht verraten! Wünsche Euch ein superschönes Wochenende.
Ein Wintersonntag klar, licht und schön, man sollte rausgehen, aber ich brüte über neuen Geschichten. Die darf ich erst im Frühling vorstellen – zwischen zwei Buchdeckeln, das Stillschweigen ist für mich das schwierigste daran, bin mir sicher – aus mir wäre nie ein guter Spion geworden … Das Herz auf der Zunge eben. Als Schmuck zur Pausennotiz setzte ich hier mal zwei schöne Blicke zum Thema Eispoesie aus meinem Wintergarten …
Zugegeben: Das Schreiben an einem neuen Buch schränkt die äußere Kommunikation echt ein. Bis März wird es deshalb in diesem Blog weiter nur sehr leise zugehen, aber dann wird das Manuskript fertig sein. Sieben Kurzgeschichten stehen indes. Als Trostpflaster kommt hier mal ein Cartoon aus alten Zeiten. Die Gruppe Aufwind hat daraus eins ihrer CD-Covers entwickelt – zu „Ineinem“. Kommt gut durch die Zeit,
Eure Petra
Der große Schattenfänger hing auf der Leine und trocknete langsam. Die Malerin saß zufrieden im Gras und sah ihm dabei lächelnd zu. Das ist doch mal ein Wurf, dachte sie, ein guter. Der kann sie fangen, die schlechten Träume, alle, wie sie sich knisternd über die Kopfkissenzipfel webten. Er wird sie vertreiben, sie war davon fest überzeugt. Neulich war sie in so einem Traumgespinst im Bademantel über eine Kleinstadtstraße unterwegs, um die öffentliche Badeanstalt aufzusuchen. Und wirklich alle schauten ihr aus ihren blank geputzten Scheiben dabei zu. Nein, diese und weitaus schlimmere Träume wollte sie nicht mehr in diesen klebrigen Sommernächten im Kopf erleben. Sie war jetzt gewappnet.
Die Malerin strich sich die Hände an den Hosenbeinen ihres buntbefleckten, einst weißen Overalls ab und ließ sich ins Gras fallen. Außer dem Summen der Insekten und dem frischen Vogelgezwitscher war es lautlos still. Der Tag war noch unberührt von den Menschen und Rose Bunt genoss es. Diese Stille unter dem Himmelbau, einer Mischung aus Weiß und Helio, war der Tanker, aus dem sich ihre romantische Weltverzauberung speiste. Die Quelle ihrer Inspiration. Nicht die Abbilder der Landschaft, sondern die Traumgespinste daraus suchte die Malerin. Nur deshalb war sie an diesem Ort.
Ein sonderbarer Reiz geht von der dünn besiedelten Landschaft aus, den jeder anders spürt. Die einen finden die Menschenleere anziehend und die einhergehende Ruhe. Andere berührt das landschaftliche Wunder, das die Eiszeit hinterließ – ein spröde Schönheit, prall gefüllt mit Augenfängern. Die Malerin aber sah nicht nur das Land, nein, sie entdeckte in dem einen, besonderen Hügel bei Gerswalde den perfekten Mutterbusen schlechthin und in der nächsten Bodenwelle ein lasziv geschwungenes Becken. Allenthalben Formenschönheit und Energie. Die alten Lindenbäume von Alt Placht verströmen für sie die magische Kraft, zu Zeiten Napoleon pflanzte man sie. Rose saugte das Atmosphärische in sich auf und verwandelte es in Bildgestalten. Und wenn das ihr gelang, wuchs ihre innere Kraft. Ja, sie nährte im kreativen Akt ihre spirituelle Frucht, die neue Ideen reifen ließ. Ein Gänsehautgefühl.
Im benachbarten Garten erwachte die Gesellschaft, die gestern eingetroffen war, um heute mit einem Charterbus in die Toskana aufzubrechen. Die Wohlstandsmaler reisen wieder, dachte Rose, raffte sich auf und verdrückte sich ins Haus. Sie wollte nicht übern Zaun Pseudokunstgespräche führen und schon gar nicht mit der Reiseleiterin Frau Koch. Eigentlich mochte Rose ihre Sommernachbarin, doch zugleich lauerte da in ihr eine tiefe Verachtung. Frau Koch hatte vor einigen Jahren einen Fernkurs im Aquarellzeichnen belegt. So einen, der auf den Rückseiten von TV-Magazinen nach Schülern rief. Mit dem Studienmaterial aus dem Fernunterricht begann Frau Nachbarin ein Jahr später selbst Kurse anzubieten. Darin sammeln sich nun alle jene, die aufs Land zogen, sich ein Atelier vom Feinsten errichten ließen und erst dann ihre erste Leinwand strapazierten. Und weil das nicht auf Anhieb klappte, belegten die solventen Seniorinnen bei Frau Koch einen Kurs. Manche Teilnehmerin stellte ein Jahr später mit den ersten 20 Bildern in einer Hobbygalerie aus und erklärte in ihrer sogenannten Vita: „Sie hat Kurse bei verschiedenen Künstlern besucht und sich selbst Wissen erarbeitet, jetzt gibt sie Kurse in …“ So wuchs unablässig der Bandwurm von Freizeitmalerinnen, es lohnte sich für Frau Koch nach den Aquarellkursen zum Sommerbeginn die Tour „Malen und Reisen“ anzubieten.
Rose zog wirsch die klemmende Haustür ins Schloss und zischelte: „Mache einen Kurs und sei fortan Künstler, ich krieg ´nen Hals.“
Es klingelte. Ihre Mimik drohte im Angesicht einer hellwachen Frauengruppe zu entgleisen.
„Wir haben das große Bild auf Ihrer Leine entdeckt, dürfen wir es näher ansehen?“, zirpte eine der Frauen.
„Nein, dürfen Sie nicht!“ Rose wollte die Tür schon wieder schließen, als eine herrschte: „Nun stellen Sie sich mal nicht so Etepetete an, wir kicken Ihnen schon nischt ab!“
„Ach, dass glauben Sie doch nicht wirklich. Ich hab unter den Kursteilnehmerinnen von Frau Koch noch nie eine Erfinderin gesehen“, teilte Rose aus, in der Hoffnung, dass sich die Malweiber verdrücken würden. Aber im Gegenteil, sie rückten einen Schritt näher an die Schwelle, über die sie Rose nicht lassen wollte.
„Wie meinen Sie denn dit?“, fragte die hochgewachsene Berlinsche, „ick will Malen lernen, nicht Erfinden.“
„Ja, eben, Sie sind Abmaler und deshalb ist mein großer Schattenfänger auch nicht sicher vor Ihnen!“
„Großer Schattenfänger, aha, so heißt die Figur. Seltsamer Name, was hat Sie dazu getrieben?“, fragte eine und Rose holte tief Luft. Eigentlich wollte sie gerade weiter wettern, doch dann sah sie in den Augen der Fragenden etwas, dass sie berührte: Entdeckerlust und die entwaffnete Rose sofort.
Sie musterte die kleine, zähe Person, die so gar nicht zu dem Rest der Gruppe passen wollte. Während sich die anderen nörgelnd zurückzogen, stand sie wie angewurzelt und reichte schließlich Rose die Hand: „Ich bin Karo, ich gehöre nicht zu der Gruppe, hab nur zwei von denen hierher gefahren. Mit dem Taxi von Berlin. Bitte, zeig mir Dein Bild.“
Die Malerin nickte wortlos, dann liefen die Zwei langsam durch die Kleewiese dorthin, wo der große Schattenfänger trocknete.
„Kann er etwas Bestimmtes“, fragte Karo.
„Ich weiß nicht, aber ich hätte es gerne“, antwortete Rose ruhig. „Ich hab ihm gesagt, dass er die Schatten der Angst von den Menschen nehmen soll, und ihn dafür mit allen guten Zeichen, die ich kenne, ausgestattet.
„Ah, ich sehe, aber viele hast Du fast wieder übermalt. Warum?“
„Weil ich sie ja nur ihm verliehen habe, sie sollen für andere nur eine Ahnung sein“, flüsterte Rose jetzt. Sie sah die Malweiber am grünen Zaun, sie lauschten. Im Grunde war die bunte Hecke zwischen den Grundstücken blickdicht, nur an dieser einen Stelle blitzten die fremden Blicke, die Rose nicht mochte. Sie wollte auf ihrem Hektar Land unbeobachtet sein.
Die Taxifahrerin schwieg lange das mannsgroße Bild an und sprach dann brüchig: „Vielleicht hilft er mir ja und verscheucht meine Schatten.“
Rose sah erschrocken auf: „Bist Du krank?“
Karos Blick verriet tonlos: Ja. Aber dann fragte sie unverhohlen: „Darf ich wieder kommen, mit meinen zwei Söhnen? Morgen Mittag vielleicht? Ich möchte ihnen den großen Schattenfänger zeigen.“
Rose staunte und konnte nicht anders als einfach „Aber gerne doch.“, zu sagen.
Frau Koch und die Malweiber waren grußlos abgereist, als anderntags das Taxi wieder auf dem Sandweg vor Roses Hof stoppte und Staub aufwirbelte.
„Was ist die Toskana?“
„Eine Landschaft im Süden.“
„Aber hier ist doch Norden?“
„Ja, hier ist die Toskana des Nordens.“
„Warum?“ Moritz wollte immer alles sehr genau wissen.
„Das Hügelland, die hohen Pappeln, die vielen Seen, die geduckten Dörfer und das schöne Licht, dass alles ähnelt der südlichen Toskana – sagt man“, erklärte Karo geduldig dem Knirps.
Oskar, sein größerer Bruder hingegen, folgte sichtbar genervt und nur lustlos ihren Schritten zu Roses Anwesen. Was sollte er hier in der Pampa? Heile Familie spielen? Die Schatten auf Mutters neuer Röntgenaufnahme waren größer geworden. Sie wird ihn verlassen. Bald. Diese Aussicht wehte Trauerschauer durch seinen Tag. Die Malerin spürte seine Last sogleich.
Sie sprachen nicht viel. Das war gut. Endlich mal eine, die nicht sein Haar tröstend tätschelte. Die Bohnensuppe zum Mittagessen war überraschend lecker und auch die Holunderblütenlimonade schmeckte. Nun schlich Oskar mit großen Augen durch das Atelier und staunte die seltsamen Gestalten an. Sie hingen dicht und in Reihen wie große Wäschestücke auf der Leine. Vor einer Figur ließ er sich auf den Boden nieder und musterte jedes Detail. Er hatte Rose nicht kommen hören und zuckte zusammen, als sie plötzlich neben ihm war und sich zu ihm hockte: „Ist das der große Schattenfänger?“, fragte er sie.
Sie nickte.
„Er sieht stark aus. Welche Schatten kann er vertreiben?“
„Ich hoffe, alle“, antwortete die Malerin.
„Auch wenn die Schatten größer sind als das Licht?“
„Ich weiß nicht, es kommt darauf an, was den Schatten wirft.“
Oskar murmelte: „Es wird nicht heller davon, wenn man das Objekt benennt.“
„Das stimmt, aber vielleicht nimmt man ihm etwas von seiner Macht und damit etwas von der eigenen Ohnmacht“, meinte Rose ernst. Sie stand auf: „Die Farbe der Schatten ist übrigens nicht nur dunkel. Dort drüben liegt Leinen und dort stehen Pinsel und Farbtöpfe, wenn Du willst, kannst Du Dich bedienen.“ Die Malerin verschwand wieder im Garten und Oskar blieb mit seinen Schatten im Kopf zurück. Der Halbwüchsige fühlte, sein Leben kroch auf der Hell-Dunkel-Grenze, würde er die Schattenlinie übertreten können? In welche Richtung? Er wusste es nicht, aber etwas in ihm rumorte, seit er den Schattenfänger der Malerin gesehen hatte. Was war das?
Am späten Nachmittag schlief Karo immer noch in der Hängematte zwischen zwei Birken und Moritz spielte still mit einem kleinen Auto auf dem Boden neben ihr. Zwei Stunden hatte er dort gesessen und leise ihren Schlaf bewacht. Rose war ergriffen von seinem Beistand. Diese Kinder wussten, was geschieht.
Als die Malerin ihr Atelier wieder betrat, lag Oskar neben einem Stück Leinen von dem ein menschlicher blau-grüner Schattenriss zu springen schien. Der Junge schluchzte und seine Augen waren von Tränen randvoll, aber er lächelte unter seinem Schmerz. Die Malerin war nicht überrascht über das, was sie sah. Oskar raffte sich und stand nun anmutig stolz. Rose legte den Arm um ihn: „ Leben hinterlässt Spuren in der Kunst und Kunst soll auch Spuren hinterlassen. Diesen Sprung aus dem Schatten hast Du wirklich gut rausgelassen. Spürst Du seine Energie?“ Oskar nickte. „Was auch geschieht, mein junger Malerfreund, meine Tür steht Dir jederzeit offen.“ (pe)
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