Als Adela den Heidewald verließ, stachen am Fluss schon die Wanderarbeiter nach dem
Ton unter der Grasnarbe. Der Sonnenball stieg gerade feurig über die Baumwipfel und nährte die rote Stunde dieses Morgens. Grillen zirpten, und die Vögel besangen den Glanz des Lichtes, während sich die schöne Wiesenmuhme das wüste Treiben im Weidengrund besah. Adela war ein weiblicher Heidegeist, der keinen Raubbau zulassen durfte.
Natürlich brannten sich die Bewohner des Wanderlandes seit einer Ewigkeit Ziegel. Das hätte Adela nicht weiter aufgeregt. Doch diese Männer nahmen mehr, als sie selbst brauchten. Ziegelhandstreicher formten Grünlinge aus dem Ton, Brenner türmten daraus Meiler, und das Feuer darin, ließ die Grünen steinhart werden. Überall in den Wiesen am Westrand des Wanderlandes rauchten die Meiler und Feldbrandöfen, denn Adrian, der schlaue Schiffer, kaufte die Bausteine und schipperte sie in die nächste Stadt. Da kam er gerade wieder schweren Schrittes. Weil der Fluss mit seinem kastenförmigen Lastkahn nicht sicher befahrbar war, zog ihn Adrian mit einem Pferdegespann von Land aus. Der Treidelpfad, der bei diesem Schiffeziehen entstand, lag wie ein breites Band neben dem Flusslauf. Lange hatte Adrian, wie andere Schiffer auch, nur Baumstämme transportiert, bevor er sich entschloss, Steinschiffer zu werden. Die Städte rings um das Wanderland begannen gerade zu wachsen, so dass der Schiffszieher gar nicht so viele Steine heranbugsieren konnte, wie jene verbauten. Bald schon wurde Adrian wohlhabend, konnte sich Pferde, Knechte und ein zweites Schiff leisten. Aber er war mit dem Wohlstand auch vom Hochmut befallen.
Adela tänzelte und wehte durch die Wiesen wie ein Schmetterling. Adrian sah die Schöne mit dem Blumenkranz, aber sein begehrlicher Blick bekam sie nicht recht zu fassen. Irgendwie sah er immer nur das Echo ihrer geschmückten Gestalt. Doch dann wehte eine harte Stimme an sein Ohr: „Wer hat dir erlaubt, meine Ufer zu plündern?“
Adrian drehte sich erschrocken um, aber da hallte es schon in sein anderes Ohr: „Schick dich von dannen, Schiffer, sonst ereilt dich die Wüste!“
Der Mann schüttelte sich, als wollte er den Spuk abwerfen, da stand sie plötzlich vor ihm: „Geh, Schiffer, und nimm deine Tonstecher mit, dieses Land hat genug Wunden!“
Adrian lächelte kühl: „Ah, das verlangt ein Blumenweib? Dass ich nicht lache!“
Die Wanderarbeiter schauten besorgt, und der Älteste unter ihnen erklärte: „Herr, nimm er sich in Acht, sie ist kein einfaches Weib, sondern eine Muhme der Wiesen und Felder. Ihr Zauber könnte uns alle böse treffen.“
„Schweig, Alter, und spute dich, die Ziegel müssen an Brod!“, befahl ungerührt Adrian und raunte sodann Adela zu: „Und du Weib, komm in meine Arme oder scher’ dich vom Acker! Hier hat nur der Steinschiffer das Sagen!“
Die Männer bei der Tonsohle blickten finster als sie Adelas Murmeln vernahmen: „Ich wünsche dir Sand und Schluff in den Ton, auf dass deine Ziegel nichts mehr taugen.“
Dann lief sie zurück in die Wiesen. Aus ihrem Rocksaum rieselte dabei feiner Sand, und der Wind frischte auf, der sich kaum später zum Sturm erhob. Der blies weißen Sand in jeden Winkel des Landes und bedeckte es dünengleich. Die Wanderarbeiter zogen bald weiter, denn sie hatten seither vergebens nach gutem Ton gegraben. Adrians Schiffe zerbarsten in jenem Sturm auf einer Sandbank, und der Mann verlor darüber nicht nur Hab und Gut, sondern auch seinen Verstand. Er stand da in seinem Kahn auf welligem Sandland, in den Händen eine Stake, mit der er davon kommen wollte, doch Adelas kalter Atem hielt ihn für immer fest im Bann.
(Aus meinem Buch „Schattengeschichten aus dem Wanderland“ – Schorfheidemärchen, erschienen 2010 im Schibri-Verlag ).
Neu erschienen: 2018 bei der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Schwedt an der Oder als Märchensammlung (30 Texte) unter dem Titel „Die Gabe der Nebelfee“
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