Es sind die Weißhaarigen, die heute immer noch die klassischen Lesungen besuchen. Auch meine, aber die Reihen lichten sich. Schon vor der CORONA-Zeit schwante mir, dass ich „nur“ noch für meine Generation schreibe, obgleich ich das nicht anstrebe. Ich glaube aber nicht, dass das ausschließlich an den neuen Medien liegt. Das Buch als Medium hat noch Konjunktur, nur die Alten nicht.
Ich erinnere mich noch sehr gut an Jürgen Kuczynski, der mit seinem „Dialog mit meinem Urenkel“ 1983 Hörsäle überfüllte. Der Wirtschaftshistoriker war damals schon gebrechlich und schwerhörig. Er galt als „Querdenker und fröhlicher Marxist“, man wusste von seiner Nähe zu Honecker und doch wurde er selbst von Systemkritikern geachtet. Ein wacher Geist mit Narrenfreiheit, so erschien er, denn er lebte unerschrocken im Alter nach dem Motto: Ich bin über 80, wollen se mich jetzt noch verhaften? Auch für solche Sätze haben die Jungen ihn verehrt, für den Mut dahinter, denn natürlich konnte jeder in Ungnade fallen… auch im Alter.
Was also ist heute anders? Wir haben das Scheitern der mächtigen Alten gesehen. Sie rissen mit ihrer Starre ein ganzes Land mit sich, ohne Antworten für das Leben zu hinterlassen. Der Respekt vor dem Alter verschwand hernach. Ich war damals 36 Jahre alt. Nicht jung, nicht alt, auf der Suche nach dem neuen Sinn… und wuchs langsam hinüber in die nächste Generation der Alten. Ob diese Nachkommen noch lebenswichtige Antworten haben, wer weiß, denn viele von uns bleiben leider ungehört, unreflektiert, denn die Jungen hören nicht hin…
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