Kunstmarkt beim Fest an der Panke in Berlin

Ach, übrigens am 2. Septemberwochenende, dem 13. und 14. September 2014, ist wieder Fest an der Panke in Berlin mit seinem kleinen, feinen Kunstmarkt. Es ist der 45. seiner Art. Dort bin ich mit meinem Kunststand in der Ossietzkystraße von 11 bis 19 Uhr zu finden. Es wäre mir eine Freude Euch zu treffen.

Mein Stand in Pankow 2013. Foto: Lutz Reinhardt
Mein Stand in Pankow 2013.
Foto: Lutz Reinhardt

 

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Schräge Vögel auf der Spree

Nachdem ich heute die chaotischen Berliner Verkehrsnachrichten gehört habe, empfehle ich den Nachbarn zwischen den Stadtsteinen besser auf dieses Gefährt im Berufsverkehr umzusteigen …

Schräge Vögel auf der Schräge Vögel auf der Spree Zeichnung: Petra Elsner
Schräge Vögel auf der Spree
Zeichnung: Petra Elsner

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Aufstieg ins Nirgendwo (1995)

Manche meinen, die abgewickelte Frau in Ostdeutschland sei 50 oder 55 Jahre alt. Vordergründig stimmt das, denn sie sind jene, die nach dem beruflichen Zenit, um ihre Lebensfrüchte betrogen wurden. Zehn Jahre jüngere Frauen standen zumeist exakt vor der beruflichen „Krönung“, als das Land sich wendete. Keine Seltenheit, nach frühen Mutterfreuden studierten viele junge Frauen neben Beruf und Familie. Mit 35 oder 40 Jahren begann ihr zweites Berufsleben. Nicht als Wiedereinsteigerinnen, sondern als gestandene, erfahrungsreiche Expertinnen. Anders die Absolventinnen der Jahre 1989/90. Sie fühlen sich Anfang der 90ger Jahre als Mogelpackungen, weil die meisten nicht mehr in die Berufspraxis kamen. Zu alt, zu teuer, zu unbekannt. ABM und Umschulungen wurden zur Überlebensformel, doch bis zur Rente ist es noch weit. So driften sie mit der Zeit in schlechtere Jobs.

Aufstieg ins Nirgendwo

Beate Wesenberg lebt gerne aus dem Vollen und wollte eigentlich hoch hinaus. Vielleicht, weil ihre Mutter noch ein Berliner Kellerkind war. In der Bergstraße 26 in Mitte, Hinterhof, gleich neben dem Kuhstall der Familie Zeyl. Beates Großmutter war blind und starb, als Mutter Wesenberg 22 Jahre alt war. Elend schärft die Sinne. Die junge Frau wollte raus aus der Armut und den Kellergeruch abstreifen. Der Mann ihres Lebens, ein westberliner Schornsteinfeger, machte es möglich. Diese Liebe wohnte nun im zweiten Stock des Hinterhauses, Bergstraße 70. Und dort, dem Himmel ein Stück näher, wurde 1953 Beate geboren. Sie sollte ein umsorgtes Einzelkind bleiben.
Als Dreikäsehoch erfuhr das aufgeweckte Mädchen von Mutter Wesenberg, Unter den Linden, in der Humboldtuni, da würde es später Medizin oder Jura studieren können. Tief war Beate dies seit jeher ins Gedächtnis gepflanzt und ließ Zukunftsträume keimen.

Hoch hinaus, das bedeutete in der DDR nichts Gigantisches. Nicht die Höhe eines Mont Everest oder ein teurer Platz wie die Wallstreet. Beate Wesenberg meinte nicht die Karriere und Macht an sich. Sie hatte es mit den Menschen. Für sie etwas eigenverantwortlich zu leisten, das gab ihr inneren Schub.

Aber Beates Leben machte zunächst etwas anderes, denn mit einem Leistungsdurchschnitt von 1,8 konnte man auch in der DDR nicht Medizin studieren. Aber über den Schleichpfad: Mittlere Reife – Fachschule für Krankenschwestern – Praxis vielleicht. Alsdann, zäh darauf los. Doch urplötzlich, ein Jahr nach dem Fachstudium, ließ die Sehkraft der jungen Krankenschwester nach. Bis zur Berufsunfähigkeit. Eine unbestimmte Angst züngelt seither in ihr. Werde ich blind wie Oma? Trotzdem, als liefe sie dem Licht nach, schulte sie augenblicklich zur Fürsorgerin um. Zwei weitere Ausbildungsjahre, ein Studium weit weg, nun beseelt von dem Wunsch, in der Jugendfürsoge zu arbeiten. Kaum war die Frau damit fertig, hatte ein Strukturwandel dieses Referat vom Gesundheitswesen in die Volksbildung verlegt und man forderte nun eine andersgeartete Qualifikation.

Schnitt, Klappe – da hatte die junge Schöne es zum ersten Male satt. Endlich leben. Theater und Tanz, ein bisschen Trudeln. 1977 schenkte sie Tochter Saskia das Leben. Wenigstens drei Jahre wollte Beate dieses Kind-Erleben ganz. Nicht gewöhnlich in dem Land, aber ein Prototyp ist die rothaarige Lebensfrohe in keinerlei Hinsicht. Selbst als es nach dem bezahlten Babyjahr finanziell eng wurde, denn ein Männergehalt war seinerzeit nicht üppig, verfiel sie in keine Kompromisse. Zumal Familie Wesenberg senior, die eine Etage über dem jungen Glück wohnten, halfen wo es ging: mit Babysitting, Geldspritzen, gebrauchten Möbeln, Urlaubsreisen. Indem machte die Frau schon wieder ehrgeizige Pläne. Während der letzten Ausbildung gefiel ihr besonders ein Fach: Rechtspflege. Gelegentlich besuchte sie Gerichtsverhandlungen. Die nährten ihr Interesse. Obschon, für das Jurastudium brauchte sie ein ordentliches Abitur. Eher spielerisch meldete sie sich in der VHS an. Noch waren es wohl eher Ausflüge in ihr zukünftiges Dasein. Keine sehr konsequenten, und so steckte die Volltime-Mama nach den Kursen zur 11. Klasse auf.
Zurück im Berufsleben, rückte die Frau näher an die anspruchsvolle Vision und arbeitete zuerst als Protokollantin, später als Justizsekretär am Lichtenberger Stadtbezirksgericht.

Auch Günter Wesenberg entschloß sich mit nun 28 Jahren zum Studium. Pädagogik, allerdings direkt. Sie gönnte ihm neidlos diese Erfahrung und gegen den Mangel ging das Paar wochenends kellnern. Irgendwann würde es anders sein. Bis dahin waren ja Theaterbesuche und Bücher, eben alles, was ihnen im Alltag wichtig war, leicht erschwinglich.
1982 war Beates Lust auf ein Jurafernstudium so angewachsen, dass der Berg keiner Anläufe mehr bedurfte. In diesen harten Jahren geriet der Vater zu Saskias erster Bezugsperson. Während die junge Mutter abends das Abitur nachholte und endlich 1984 neben ihrer Arbeit das Jurastudium begann, sicherte er das Hinterland. Wenn die müde Schöne heimkam, waren Kind und Haushalt besorgt. Nie vergaß der Mann freitags Blumen und Wein. Günter nahm an solchen Feierabenden die Gitarre zur Hand und sang seiner Liebe ein keckes Chanson. So kannte man sie von Partys, die zwei, die ad hoc Kästner und Tucholski zitierten und einander öffentlich Liebeslieder sangen. Sie waren garantierte Stimmungskanonen in geselligen Nächten. Seit der Wende Legende.
„Ich habe im geeinten Deutschland meinen Wert verloren“, sagt Beate ohne Pathos beim Kaffee am hypermodernen Küchentisch. Es ist Frühling, vier Jahre nach der Wende. An jedem ihrer Finger funkelt ein goldener Brillantring. Sie dreht einen und schaut leer zu mir herüber: „Den hab ich als Entschuldigung für ein blaues Auge bekommen.“ Nein, nicht von Günter. Die Ehe ist nach der Wende zersprungen. Nicht, weil sie schal geworden wäre. Nichts galt mehr in diesem Zwischen-Deutschland ihrer Geburt. Nicht die Bücher, nicht die Lieder, nichts was sie gelebt haben. Sie waren irritiert, zwei gelähmte Energiebündel, verunsichert und entsichert nach zuviel Wein. Zwei Menschen in zermürbender Warteschleife. Er als Lehrer, sie als frischgekürte Diplomjuristin mit 38. Bedenkzeit? Nein, Zitterpartie, Frustzeit ob der verlorenen Hoffungen. Die Vorwürfe gegen den Unrechtsstaat DDR mehrten sich in den Nachrichten. Wer war man/frau eigentlich? Sah sie nicht die Enge Verbindung zwischen Politik und Recht? „Die gibt es immer und überall“, beantwortet sie die Frage tonlos. „Recht ist ein Werkzeug der Politik. Auch heute. Denken Sie an den § 218 oder die Pflegeversicherung, wenn die Politik sich raushalten will, reicht sie die Angelegenheit nach Karlsruhe. Mein Interesse galt dem Straf- und Familienrecht. Da hatte ich damals das Gefühl, man könne den Menschen rechtlich beistehen. Die Gesetze waren für Laien verständlich und man konnte schnell und mit wenig Geld einen Erfolg sehen. Das ist heute völlig anders.“

Das Jahr 1990 hätte Beate noch als Richterassistentin beenden müssen. Je ein Vierteljahr Arbeitsrecht, Strafrecht, Zivilrecht und Familienrecht. Verhandlungen vor- und nachbereiten, Urteile formulieren. Dann erst hätte sie verhandeln dürfen, wäre Richterin gewesen. Noch war sie in der DDR-Justiz ein blütenweißes Blatt. Wenn schon, am 2. Oktober 1990 schloß man die Ostberliner Gerichte. Ja, derweil bekam die Innung am Stadtgericht eine halbjährige Ausbildung in Bürgerlichem Recht. Aber die Frau hatte einen anderen moralischen Kodex. War mit sich uneins, ob sie das neue Recht vertreten wollte und konnte. So vieles sträubte sich in ihr: Das Strafrecht empfand sie als zu mild und die Resozialisierung als zu wirklichkeitsfremd, die Gerichtskultur zu namenlos. Ihr Traumberuf bekam einen inneren Riß. Da eh´ niemand im BGB-Nachhilfekurs wußte, wird der DDR-Abschluß anerkannt, unternahm Beate das Nächstliegende: sie suchte nach einem Job. Vergebens. Entwertung wie schmerzhaft empfundener Würdeverlust nahmen ihren Lauf. Nie war sie so ohne ein Lachen, ohne Mut, so in Apathie.

Haltsuche. Der westdeutsche Kaufmann, dessen smarter Eleganz sie erlag, komplettierte nach emotionalem Zwischenhoch das menschliche Fiasko. Sie hatte sich eben für das zweite Staatsexamen entschieden und quälte sich rechtschaffend. Doch sein glücksritterlicher Drang nach Geld unterdrückte massiv ihre Neigungen. Gut, er hätte es schon als schmückend empfunden – seine Lebensabschnittspartnerin mit einer Anwaltskanzlei – nur, der Weg dorthin hätte nicht so belasten dürfen. So besetzte der Mann ihren Tag. Alles, was der Kaufmann an der Geliebten bevorzugte, ihr Temperament, ihre Lebensenergie, ihre Intelligenz, ihr Sozialempfinden, bekämpfte er sehr bald. Zuletzt war sie nur noch ein gutbehängter Schatten. Zwei Welten in einer nunmehr edel ausgestatteten Wohnung. Aber der bunte Vogel darin sang nicht mehr.

Das Examen hat sie, fast blind vom Lebensstreß, nicht bestanden. Er ist wieder ausgezogen, deswegen wurde die gereifte Frau nicht bitter, nicht hart. Ihre Lebenslust kam wieder. Sie ist so eine, die wird sich noch mit 70 enorm verlieben können. Am Kammergericht hat sie im Nachhinein ihre Augenbehinderung erklärt und bekam unerwartet eine zweite Chance. Doch es ist spät geworden. „Was soll´s? Ich bin nicht der Typ, der so etwas verspielt“, kommentiert sie die Situation. „Ja, das Lernen fällt mir inzwischen schwerer. Ich merke, daß ich 41 bin. Die Konzentration läßt nach und meine Augen erlauben mir nicht so viele Lesestunden, wie ich bräuchte. Insofern ist alles höchst problematisch. Und dann, mit einem sicher schwachen Examen in meinem Alter ein beruflicher Start? Das wird nichts mehr, ich hab´ zwar blaue Augen, bin aber nicht blauäugig. Wenn ich Glück habe, finde ich noch eine Stellung in der öffentlichen Verwaltung.“

Sie sitzt über dem kalten Kaffee und spricht nun sehr leise: „Ich habe seit der Wende an Wert verloren. Es gibt Menschen und Frauen in dieser Gesellschaft. Ich will mal mit John Lennon sprechen: ´Die Frau ist der Neger dieser Welt.´ Das stimmt. Egal, wo man sich bewegt, ob in der Ausbildung, wo man als Frau attackiert wird mit der Frage: Warum studierst du eigentlich, du gehörst gar nicht hierher, hast Familie, solltest dich um deine Kinder kümmern. Oder auf der Straße, in der Gaststätte, wo man von Männern schräg angemacht wird. Man steht als Objekt der Begierde da. Intellekt ist nicht gefragt. Ernsthafte Gespräche sind heute selten möglich, weil alles auf „Objekt“ hinausläuft. Du bist als Frau, hm, einfach nicht der Mensch, der du in der DDR warst. Da warst du schon in dem Moment anerkannt, in dem du beruflich etwas zuwege gebracht hast. Und schließlich haben ja seinerzeit fast alle Frauen gearbeitet. 94 Prozent. Man fühlte sich gleichwertig, oder man könnte auch sagen geschlechtsneutral, auch wenn es nicht immer und überall gerecht zuging.“

Beate Wesenberg, das späte Mädchen über 40, ist eben am Start. 17 einhalb Ausbildungsjahre nach der Mittleren Reife münden als Volltreffer im Leeren. Sie schluckt und resümiert mit tränenblanken Augen: „Jetzt will ich eigentlich nur noch zurück zu der Frau, die ich einmal war und weiß, das geht einfach nicht.“

(Buchbeitrag in: Die abgewickelte Frau, averbal verlag, 1995
– den Verlag gibt es nicht mehr)

Cover
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Kraft- und Schutzbanner im Häuschen

…ja, manchmal muss man etwas für sich selber tun, mein Liebster schwächelt immer noch. Da hab ich zwei kleine Schutzbanner entworfen und in die Fenster für die Zwei gehängt, die in dem kleinen Häuschen am Schorfheidewald wohnen …

Schutzbanner  Foto: pe.
Schutzbanner
Foto: pe.

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Durch die Landschaft per Boot oder Flieger – eine Ausstellungsempfehlung

Die Sommeraustellung in der Galerie Bernau lädt am 20. August, 19 Uhr, zur Finissage:

Schiffe schippern und Flieger schweben lässt derzeit Gregor Krampitz in der Galerie Bernau. Vor oder über den Schwarz-Weiß-Bildern auf fließendem Büttenpapier von Karsten Kelsch. Gerissen, gekratzt in schwarze Acrylfarbe erscheinen Silhouetten aus der Landschaft. Konturen aus Traumflügen könnten es sein. Und so fügen sich die Arbeiten der beiden Künstler zu einem stimmigen Ganzen, und der Betrachter des Szenarios begibt sich indem auf eine innere Reise. Das ist der besondere Reiz, der von dieser intensiven Präsentation ausgeht.
Schiffe falten und auf einem stillen Fluss fahren lassen – hinaus in die weite Welt, das ist ein herznahes Erinnerungsbild. Es rührt an die Impulse ungezügelter, kindlicher Fantasie. Genau deshalb erhielt Gregor Krampitz für diese simplen Objekte 2010 bei der „Aquamediale 6“ in Lübben einen Kunstpreis. Denn Krampitz’ Schiffe legen die schrankenlosen Kindheitsträume frei – das ist schon was. „Und die Flieger trugen in meiner Schulzeit die ersten Verabredungen durch den Klassenraum oder auf den Schulhof“, verrät der Mann mit glänzenden Augen. In der Ausstellung „Fluss des Moments“ knüpft der Künstler mit seinen Sehnsuchtsbooten aus Papier und/oder Sperrholz an eine Erinnerung an:
Seine Kindheit verbrachte Krampitz in Pankow. Dort, wo die Berliner S-Bahn höllisch Fahrt aufnahm, um den schmalen Bogen Grenzland, der den westlichen Wedding berührte, „konfliktlos“ zu passieren. An dem Flüsschen Panke ließ er seine Traumschiffe zu Wasser, voll bepackt mit seinen Wünschen – die ferne, weite Welt zu sehen, die hinter dem Mauerland lag. Diese Boote stehen auch für den Betrachter als gesicherte Metapher für „Fernweh“, „Aufbruch in die Träume“ und „ die Vergänglichkeit allen Seins“, denn so ein Papierschiff ist eben auch wie ein Blatt im Wind. Mit gelebter Leichtigkeit hat das nichts zu tun.
Gregor Krampitz war von 1986 bis 1998 für den Berliner Verlag und den Verlag Junge Welt als freier Pressefotograf unterwegs. Der inflationäre Wandel dieses Berufes, trieb ihn mit seinem facettenreichen Wissen geradewegs in die Kunst. In seiner ersten Ausbildung wurde der Mann zum Schmied. Als Fotokünstler verschmolz dieses Wissen in eine einzigartige Stilistik. Erste Fotostahlarbeiten entstanden bereits 1987. Fotografische Oxidationen auf Metall nennt er sie. Oder einfacher erklärt: Rostende Bildmotive mit einer sich stetig verändernden Optik. Sehr spannend. Erst monochrom, heute malerisch gespachtelt – farbig. Diese Oxidationen waren gerade erst auf der Berliner Kunstmesse im Sony Center am Potsdamer Platz bei der „Art… Essenz 16“ zu sehen.

Großformatige Arbeiten entstanden mit den Möglichkeiten, die den beiden Künstlern der Brandenburger Verband Bildender Künstler bot – auf Einladung (!), nicht über für den Künstler ungewisse Ausschreibungen. Ohne diesen Schritt wären vielleicht nie solche verzaubernden Arbeiten wie beispielsweise die Klang-Schatten-Installation in der Galerie Bernau entstanden. Die skurrilen Hängegebilde aus gebogenen Gabeln hinter einem weißen Papierfließ assoziieren ein Figurentheater wie von Geisterhand betrieben.

Auch Karsten Kelsch kommt aus einem handfesten Handwerk, dem Bergbau. Aufgewachsen in Hoyerswerda hörte er frühzeitig das Sauriergebrüll aus dem Tagebau. Vielleicht stammen schon aus dieser Zeit die brüchigen Landschaften in Schwarz-Weiß, entweder – oder. Das Reißen und Kratzen in der Farbe ohne die Papierrollen zu beschädigen, das ist ein Fahnden nach dem, was wird aus Brüchen und Verletzungen der Haut – neue Gebilde. Fraglos brachten ihn die Malereistudien und die Ausbildung im Bereich Mulitmedia-Design auf den professionellen künstlerischen Weg, aber auch Kelsch scheinen die alten Kindheitsmuster anzufeuern und zu inspirieren.
Beide Künstler sind bemerkenswert in ihrem Einzelschaffen, aber in der Kooperation sind die Zwei einfach stark. Augenfänger vom Feinsten.

 Finissage: Mittwoch, 20. August, 19 Uhr: Ein Abend für Träume. Neben den Bilderblicken wird der Film „Der Untergang und die Bergung der Titanic“ gezeigt und zum Künstlergespräch geladen.

Ausstellungort: Galerie Bernau, Bürgermeisterstraße 4, 16321 Bernau bei Berlin
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18 Uhr und Samstag 10-16 Uhr, feiertags geschlossen
Noch bis zum 23. August kann man „Von Landschaft zu Landschaft per Boot und Flieger“ in der Sommerausstellung in der Galerie Bernau gedanklich reisen.

Gregor Krampitz (rechts, Objekte) & Karsten Kelsch (Malerei): Fernweh „Flieger“, Installation, Mischtechnik auf Papierbahnen, gekratzt. 300 x 300 cm, Flugobjekte: Papier, Pappe, 100 x 100 x 30.
Gregor Krampitz (rechts, Objekte) & Karsten Kelsch (Malerei): Fernweh „Flieger“, Installation, Mischtechnik auf Papierbahnen, gekratzt. 300 x 300 cm, Flugobjekte: Papier, Pappe, 100 x 100 x 30. Foto: Petra Elsner

 

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Räucherwürstchen (17)

Weihnachten ist es leer im Winsviertel. Die Zugezogenen sind auf Genesungsurlaub in ihre sächsischen, thüringischen, schwäbischen oder bayerischen Bergdörfer entschwunden. Ureinwohner mit Anhang puppen daheim. Es gibt überall Parkplätze in den menschenverwaisten Straßen. Nur hier und da tippelt ´ne Oma durch die kalte Stille, tonlos plaudernd mit ihrem vierbeinigen Freund. Nach 22 Uhr wird es augenblicklich in Karls Kneipe * voll. Stammgäste schleppen nahrhafte Schüsseln durch die Heilige Nacht und bauten in Karls Hinterzimmer ein buntes Büfett auf, das nicht nur die ewigen Singles erfreut. Die selbst erwählte Großfamilie hockt sich dann entspannt zueinander, als wäre es ein seltenes Ereignis.
Es war an einem 1. Feiertag, als wir keine Lust hatten, abends schon wieder in der Küche herum zu wuseln. Ein Anruf bei Karl stellte klar, vom vornächtlichen Abendmahle waren noch Kartoffelsalat und Würstchen übrig. Doch angekommen spürten wir, der Kneiper hatte nicht die Spur Lust auf Gäste. Wir klemmten uns an unser Lieblingsohr am Tresen, während hinten der Fernseher (der gewöhnlich nur zu besonderen Fußballspielen lief) ein folkloristisches Estradenprogramm röhrte, das den Wirt festnagelte. Irgendwie seltsam. Minuten später. Karl riss sich endlich los, wippte im Federschritt zum Kühlschrank, entnahm Würstchen, schob sie missmutig in die Mikrowelle und schlich mit unsichtbaren Scheuklappen zurück vor die TV-Gala. Er glotzte mit einer gewissen schwermütigen Sehnsucht nach biederer Normalität in die Kiste – ein Anblick, der irritierte. Die Würstchen kreisten ungerührt. Doch irgendetwas roch plötzlich brenzlich. Ich rief nach Karl. Der kam und schaute, schickte achselzuckend die Würstchen auf eine weitere Karussellfahrt. Inzwischen kamen weitere Gäste, die langsam maulten, weil der Zapfer nicht zapfte. Der Rauchgeruch wurde deutlicher. Hinten ratschte ein Stuhl, und Karl schoss wie der Blitz hinter den Tresen. Etwas schepperte, dann kamen die Würstchen, und der Mann raste aufs Klo. Der Rauch wurde zum Qualm, nur was war es eigentlich? Karl tauchte ohne Worte wieder auf, etwas Unförmiges zischte im Spülbecken, und Karl kommentierte es trocken: „Es gibt ja Länder, in denen man Weihnachten Geld verbrennt, weil man an diesem Tage keine Geschäfte machen soll.“ Dann holte er das schwarze Gebilde aus dem Wasser. Es stellte sich als Geldsack heraus. Genauer die kompletten Einnahmen der letzten Nächte. Der Sack qualmte nass weiter, weil die Stücken darin noch unendlich heiß waren. Karl fummelte nach den verkohlten Scheinen und murmelte: „Bin ja selber schuld. Mona hat mich doch noch angerufen und informiert, dass sie das Geld in der Mikrowelle deponiert hat. Hab es einfach vergessen …“ Ja, und so kamen wir zu den exklusivsten Würstchen der Nacht, geräuchert in 2000 Mark. Nachmachen lohnt sich überhaupt nicht, weil: Sie schmeckten keineswegs edler.

PS: Karl hat natürlich nach Wochen das Geld von der Bank erstattet bekommen.

Als das Wins noch Fiasko hieß, 1993 Foto: pe
Als das Wins noch Fiasko hieß, 1993
Foto: pe

* Karls Kneipe hieß damals eigentlich Café Winsenz, das später bis 2021 Geli Ritter betriebt. Das sogenannte Wins wurde von Tomski Tom 1992 als „Fiasko“ an der Winsstraße eröffnet. Zuvor logierte in den Räumen der Großhandel für Fotografiematerialien. Im Kneipenrückbüfett standen damals noch die Büroordner von Mutter Malte. Karl (-Heinz Heymann) gehörte später zu den Gründern und Inhabern des legendären Kaffee Burger. Das Winsenz (auch Blaues Licht genannt), schloss  wie viele andere auch in der Coronazeit….

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