Schräge Vögel auf Landpartie: Apfelfreuden

Schräge Vögel auf Landpartie: Apfel-Hip-Hop Zeichung: Petra Elsner
Schräge Vögel auf Landpartie: Apfel-Hip-Hop
Zeichung: Petra Elsner

Wenn man jetzt über Land fährt und die prächtigen blattlosen Apfelbäume sieht, tanzt einem das Herz. Die knallroten Wintersorten leuchten wie Weihnachtskugeln in den späten Herbsthimmel und das Wasser läuft einem im Munde zusammen. Unsere kindlichen Apfelbäume sind erst fünf Jahre alt und was sie tragen, füllte gerade einen halben Korb. Ein anderer wird sie in voller Pracht erleben … Da trifft es sich gut, Freunde im Norden der Uckermark zu haben, die vom Überfluss der Paradiesfrucht gerne abgeben. Gerade brachte uns meine Freundin Regine eine Kiepe voll. Jetzt duften in der Speisekammer hundert knackige Äpfelchen, alles alte Sorten, also nicht arm gezüchtet – da kann der Winter kommen.

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Die Winterfrau in der Kleinen Schorfheide

Die Winterfrau Kitty Weitkamp Foto: Petra Elsner
Die Winterfrau Kitty Weitkamp mit ihrem Baegle-Baby namens Skipper
Foto: Petra Elsner

Die Winterfrau
Wenn das Jahr seinen dunklen Mantel überstreift, tanzt auf Festplätzen der Lichterschein und die Luft geht schwanger mit dem verführerischem Duft von gerösteten Mandeln, süßem Backwerk, Apfelpunsch und Glühwein. Der Advent ist prall gefüllt mit einschlägigen Märkten, aber keiner kann mithalten mit dem Winterfest in der mächtigen Gutsscheune von Annenwalde. Auf 50 Ständen werden regionale Köstlichkeiten aufgetischt und ausgesuchte Kunsthandwerker stellen wirklich besondere Produkte vor. In diesem wohl-fein inszenierten Klima verströmt sich heiter echte Vorfreude auf das herannahende Weihnachtsfest.
Bei einer Klangprobe des ortsansässigen Singkreises in der gewaltigen Scheune entstand die Idee zu diesem „Winterlichen Scheunenmarkt“. Gutsbesitzerin Kitty Weitkamp und die Annenwalder Malerin Heike Munser kreierten 2007 erstmals diesen Wohlklang – mit viel, viel Enthusiasmus und kaum eigenem Nutzen. Als vergangenes Jahr das Fest wegen Straßenarbeiten aussetzte, barmte die Malerin: „Hoffentlich macht sie weiter, denn wissen Sie – ohne Kitty geht hier nichts.“ Sie ist eine Steherin, aber das musste sie auch werden.
Annenwalde – das uckermärkische Dorf hinter dem Eisernen Vorhang waberte durch alle Familiengeschichten der Weitkamps und war immer präsent. Dort, unweit von Templin, lag für die kindliche Hamburgerin die wahre Heimat. Der Großvater hatte 1933 das Trabergestüt Annenwalde gegründet. Weil er sich in Johanna Brockmann verliebte, verzichtete er auf sein Geburtsrecht und baute diesen östlichsten Zweig des Stammhauses Weitkamp (gelegen in Billerbeck im Münsterland) auf. Im II. Weltkrieg geriet der Großvater Wilhelm in russische Gefangenschaft, während Johanna zunächst mit den Kindern vor den Russen nach Billerbeck floh, kehrte sie doch kaum später allein zurück, um den Besitz vor Beschlagnahme zu sichern. 1948 wurde ihr Mann aus der Gefangenschaft entlassen, aber schon 1953 musste die Familie abermals fliehen. Eine Warnung verhinderte, dass man den Wilhelm „holte“, um unter einem juristischen Vorwand das Gut zu verstaatlichen. Als die Mauer fiel, der Vater als Wiedereinrichter 1990 das Gut auslöste, setzte Kitty das erste Mal ihren Fuß auf Annenwalder Boden und spürte sofort: „Hier bin ich Zuhause.“
Fortan pendelte Kitty zwischen Hamburg und dem uckermärkischen Dorfidyll, machte ihr Abitur und begann Tiermedizin zu studieren. Aber dann erlag der Vater 1995 zwei Tage vor Weihnachten einem Herzinfarkt. In dieser Winternacht wurde Kitty plötzlich Gutsherrin, mit 20 Jahren. 140 Pferde und ein gewaltiges Arial waren zu bewirtschaften, sie musste sich entscheiden und schmiss schließlich das Studium. Die Krise des deutschen Traberrennsports läutete den nächsten Wandel ein: das Gut musste abspecken. Ca. 30 Pferde gibt es heute nur noch, darunter mehr Reit- als Rennpferde. Das Gestüt bietet „Ferien auf dem Reiterhof“ mit kleinen Apartments, Reitstunden, Kutschfahrten und einem urigen Streichelzoo.
Immer samstags vor Totensonntag, ist es so weit: Von 11 bis 18 Uhr lächelt in der Gutscheune wieder die Uckermark. Dazu haben Kitty Weitkamp und Heike Munser die pure Lebensfreude unter dem Dach vereint. Zwischen lebenden Weihnachtsgänsen, saisonalen Leckerbissen, Handwerk, Kunst, Kitsch und Trödel können bei Glühwein, Apfelpunsch und Met, Winterlieder vom Annenwalder Singkreis, Jazz, Funk, Soul und Blues von der Gruppe „Don’t Tell Mama“ und Puppenspiel erlebt werden. Neben dem Markttreiben werden Bastelaktionen, Ponyreiten und Kutschfahrten durch die sehenswerte Umgebung angeboten. Und mittendrin wird Kitty, die starke Winterfrau, hinter dem Glühweinstand zu finden sein.

© Petra Elsner

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„Meine Winsstraße“ von Knut Elstermann

Vielleicht fühlt er noch „seinen Abdruck in der Luft“. Der charmante Geschichtenerzähler und Filmkritiker Knut Elstermann spürte ihm jedenfalls nach und entführt mit seinem neuesten Buch  „Meine Winsstraße“ in eine alte Berliner Meile, die die urbane Topographie seiner Kindheit ausmacht. Die ritterliche Figur im Giebel der Nummer 61, hielt der Junge für einen nahen Verwandten des Comic-Helden Runkel. Sein verwunschenes „Ritterhaus“ ist heute eine erstklassig sanierte Immobilie, die schönste in der Straße. Von diesem Wandel und dem kindlichen Lebensraum der „nie vollständig erfahrbaren Stadt Berlin“ spricht Elstermann auf sehr unterhaltsamen 140 Seiten. Dafür ist er ein Jahr lang immer wieder in die Winsstraße zurückgekehrt, um nach Menschen zu schauen, die es zwischen diesen Stadtsteinen gab und gibt. Berühmte Bewohner wie den Entertainer Hans Rosenthal, den Filmer Konrad Wolf … und weniger bekannte Leuten. Denn das quirlige, wirkliche Leben der „zentrumslosen Metropole“ findet nach Elstermann „an den Rändern“ statt.
Zum Beispiel Uschi aus dem „La Bohème“, einem der vielen öffentlichen Wohnzimmer an der Wins. Früher war es ein Gemüseladen. Uschi, Jahrgang 49, gehört zum melancholischen Urgestein des Kiezes. Sie erzählt vom jüngsten Bevölkerungsaustausch und der Autor ihre bewegende Geschichte. Von der belesenen Kellnerin, die mit Kollegen den berühmten Brecht-Keller in der Chausseestraße aufmachte. Dort sollte sie vergrault werden. Und deshalb landete sie, wegen angeblichem (und nie gerichtlich verhandeltem) Betrug, im Knast. 1999 eröffnete die ungebrochene Frau den Klamottenladen mit dem verruchtem Namen, der 2003 Pleite ging und indes mit neuem Kiez-Inhalt gefüllt wurde.
Elstermann öffnet bedacht für den Leser Türen, schaut mit journalistischem Gespür in die Zimmer dahinter, bis tief in die Herzen und findet dabei ein nicht gesuchtes Familiengeheimnis, einen Halbbruder. Das wirft seine Kindheitsmuster komplett durcheinander …
„Meine Winsstraße“ ist reich an Entdeckungen der besonderen Art und resümiert tolerant und weise: „Der Osten ließ das ruinierte Haus (Ritterhaus) verdämmern, der Westen seine alten Bewohner verschwinden. Dieses Paradoxum schwebt über meiner Winsstraße wie ein unsichtbares Schriftband: ‚Ich wäre nicht mehr, die ich bin, wenn sich nicht alles gewandelt hätte.‘“
© Petra Elsner

Cover
Cover

„Meine Winsstraße“ ist  im Oktober 2013 im be.bra verlag erschienen.
ISBN: 978-3-89809-107-7, Preis: 9.95 Euro

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Die Farbenfrau aus der „Kleinen Schorfheide“

Vom Wandel der Träume in Gandenitz:

Grit Jänisch-Martens verrät: „Mich reizen total die Grüntöne. Man kann x-verschiedene Gelbtöne haben und x-verschiedenen Blautöne, die mischt man zu Grün, aber umso ein zartes Frühlingsgrün der Birken zu erzielen, muss  ich experimentieren und das ist es, was ich liebe.“ Foto: Lutz Reinhardt
Grit Jänisch-Martens verrät: „Mich reizen total die Grüntöne. Man kann x-verschiedene Gelbtöne haben und x-verschiedenen Blautöne, die mischt man zu Grün, aber umso ein zartes Frühlingsgrün der Birken zu erzielen, muss ich experimentieren und das ist es, was ich liebe.“
Foto: Lutz Reinhardt

Sie ist längst ein Gesicht des Nordens. Still, zurückhaltend, warmherzig. Die Farbenfrau ist verliebt in Farben, die der Natur entspringen. Sie färbt damit in großen Trögen die Wolle der Schafe, die Seide der Seidenraupen, Baumwolle und Leinen.  Manchmal schaut sie in einen dramatischen Winterhimmel und wünscht sich, ihr Garn in dieses unglaubliche Violett zu tauchen. Immer aber experimentiert sie rund um die Farbe Grün, ein Glück für sie, wenn die jenes erreicht, das die Birke in ihre ersten zarten Blattspitzen schiebt.
Der innerliche Aufbruch zum Landleben ist schon ein gutes Weilchen her und nährte sich, als die frischgebackene Ingenieurin für Wasserwirtschaft Mitte der 90er Jahre in Berlin keine Arbeit fand. Durch Zufall geriet Grit Jänisch-Martens (43) in den Uni-Betrieb, wo sie sich mit Arznei- und Gewürzpflanzen beschäftigen konnte. Es galt im Feldversuch  zu erforschen, ob man diese Pflanzen auf bestimmte Inhaltsstoffe züchten kann, darunter waren auch Färberpflanzen. Das passte. Denn die Lust, mit Naturstoffen selbst zu färben, machte sich gerade in ihrem Freundeskreis breit. Bei Grit war dieses Interesse schon älter.  Die Quelle dafür entsprang im Elternhaus in Hönow, das seinerzeit noch im Grünen lag. Sie erinnert sich:  „Ich wollte immer Tiere haben und hatte mein eigenes Beet. Die Familie reiste und wanderte viel, unternahm weite Radtouren. Ich glaube, mein Umweltbewusstsein entstand schon in dieser Zeit. Bei Falko war das ganz anders. Er kommt aus der Stadt Brandenburg und konnte sich nie vorstellen, aufs Land zu ziehen, während es bei mir schon immer ein Traum war.“
Aber wer mit Grit leben will, musste wohl irgendwann mit in ihrem Traum  reisen. Das Paar ist jetzt 23 Jahre beieinander und gleich nach ihrem Studium „war klar, wir ziehen auf‘s Land“, verrät die Frau schmunzelnd.  Aber wohin?  „Wir haben Annoncen gesichtet,  sind mit dem Auto rumkutschiert, und haben uns schließlich einen Sommer lang auf die Räder gesetzt.  Erst radelten wir durch Märkisch Oderland – dann in die Uckermark. In Templin waren wir ganz verzaubert – boh, ist das schön, irgendwie hier muss es sein.“ – das neue Leben und es fand sich in Gandenitz am Rande der „Kleinen Schorfheide“.
Doch von dort oben war es zu weit, um beruflich zu pendeln.  Alternativ hieß das, etwas Eigenes aufzubauen, dazu belegten die beiden noch ein Fernstudium für Baubiologie. Zwei Jahre lang. „Ursprünglich wollten wir ein Ingenieurbüro aufmachen, aber als wir das Grundstück hatten und die Versorgungslücke erkannten, reifte die Idee zum Laden“, erklärt Grit den Wandel. 2001 haben sie schließlich das Grundstück gekauft, bauten an den Wochenenden um- und aus. 2004 gaben sie die sichere Existenz in Berlin auf und zogen vollständig in das abgelegene Bauernhaus in Gandenitz.
Vier Mutterschafe und einen Bock weiden vor dem Hof am Waldrand, der jetzt in der winterlichen Stille ruht. Ab und zu tuckert jemand per Auto über den Sommerweg heran, um in Falko Martens (42) Naturbaustoffhandel einzukaufen oder sich baubiologisch beraten zu lassen.  Das ist vornehmlich sein Part, aber Grit weiß alles über natürliche Farben und hilft, wo sie kann. Ihr Mann ist darüber hinaus der Spezi Lehmbau und Lehmofenbau. Seit die zwei Kinder kamen, hat sich für Grit alles noch einmal gedreht. Ja, sie ist und bleibt die Farbenfrau des Nordens, aber immer mehr ihrer Lebensenergie fließt augenblicklich in den Baustoffhandel und die Organisation der Familie. Das ist nicht nur für Frauen typisch, jeder, der auf dem flachen Lande eine Geschäftsidee ausprobiert, muss sehen, was zu guter Letzt wirklich ernährt. Und dass heiß gelegentlich auch, Träume zu erden und sie nur in den Freiräumen zu leben. So arbeitet die Farbenfrau jetzt in großen Schüben an ihrem Farbrausch – umso seltener, je größer die Lust. Die Brillanz natürlicher Farbstoffe ist unglaublich. Und das Staunen darüber auch.  Den Marktbesuchern ist meist nicht klar, dass es kaum 150 Jahre her ist, da alles noch mit natürlichen Materialien gefärbt wurde, weil es gar nichts anderes gab“, erklärt sie wissend. „Das Volk hatte damals eigentlich keine Farben. Rot und Blau  gehörte den Reichen. Es gibt viele Pflanzen, mit denen man Gelb färben kann, Goldrute und Färberkamille, aber Gelb trugen die Huren und die Juden – also wollte diese Farbe wirklich keiner haben …“ Die Farbenfrau doziert und leuchtet dabei. Sie hat früher an der Humboldt Universität einmal im Jahr eine Vorlesung gehalten und lächelt über diese Ausnahme. Aber wer weiß, was und wie sich das Leben noch einmal wandelt.

Kontakt:
Naturfärbe-Atelier, Grit Jänsch-Martens, Küstrinchener Weg 3, OT Gandenitz, 17 268 Templin, Telefon: 03987 200744

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Dorfgeflüster: Berliner Buletten

Berliner Ausflug Zeichnung: Petra Elsner
Berliner Ausflug
Zeichnung: Petra Elsner

„Berliner Buletten“ – so uncharmant heißen die Hauptstädter bei vielen Brandenburgern schon lange. Wie lange? Seit der Große Friedrich die Bulette zur allgemeinen Versorgung der darbenden Bevölkerung entwickeln ließ. Rund 50 Prozent der Städter waren seinerzeit französische Flüchtlinge. Ein Umstand, der den Berliner Jargon mit neuen Worten speiste: Malheur, Bel Étage, Carré, allé … und eben auch die Boulette, die ein Hugenotten-Offizier erfunden haben soll. Besonders originell gingen danach die Kanoniere mit dem neuen Nahrungsmittel um: Sie stopften die Buletten in die Kanonenrohre, wo sie frisch und saftig blieben. Kam es plötzlich zu einer Schlacht, flog dem ersten Donnerschlag zunächst eine Salve Buletten voraus.
Also – im Grunde sind die „Berliner Buletten“ Franzosen. Ähnlich, wie die meisten „Berliner“ der späten DDR-Zeit Sachsen waren. Heutzutage sind es Schwaben, Franken, Bayern, Friesen und Menschen aus aller Welt, die der Kollos Berlin wie ein trockener Schwamm aufsaugt. Aber keiner kommt deswegen auf die Idee, die Sommerfrischler „Berliner Spätzle“ zu nennen. Wobei – das klänge gar nicht schlecht und vor allem nicht mehr so abwertend. Mit so einem zeitnahen Spitznamen könnten die Brandenburger zur nächsten Frühjahrssalve die „Berliner Buletten“ echt überraschen.
© Petra Elsner

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Himmlische Begegnung

Am zeitigen Nachmittag des 24. Dezembers war Norbert mit seinem sperrigen Gitarrenkasten unterwegs. Spät am Abend wollte er mit ein paar Musikerfreunden in seiner Stammkneipe für die Gäste aufspielen, aber bis dahin waren es noch Stunden. Letztes Weihnachten hatte um diese Zeit seine Mutter für ihn gekocht. Er liebte Gans mit Kraut und Klößen und das sah man auch. Norbert war ein runder, gemütlicher Mann Ende vierzig, mit einer schwermütigen Seele, immer schon. Vielleicht gehen deshalb seine Shantys den Menschen so zu Herzen, weil er eben ein echt Trauriger ist. Doch an diesem Nachmittag war Norbert in besonders trüber Stimmung. Seit einigen Wochen lebte seine Mutter im Pflegeheim, und dort hatte er sie gerade besucht. Aber was er sah, gefiel ihm gar nicht. Und weil der angegraute Mann so ratlos war, wie er das Elend abwenden könnte, suchte er sich die nächstbeste Kneipe, um seinen Kummer erst einmal hinunter zu spülen. Schließlich kehrte er in das Lokal namens „Bumerang“ ein. Am Tresen saßen ausschließlich Männer und alle umgab etwas Verwaistes. Norbert stellte seinen Gitarrenkasten ab und bestieg wortlos einen der Barhocker. Den Raum durchwaberte eine schwere Stille bis der Wirt aus seiner Küche hervorsprang und zu Norbert sah. Der bestellte tonlos: „Bier und Whisky.“ Der Wirt zapfte und musterte den neuen Gast. Als er ihm die Getränke vor die Nase schob, fragte er kurz: „Mutter im Pflegeheim, Frau über alle Berge und die Tochter macht auch ihr’s?“ Norbert staunte und nickte. Woraufhin der Wirt meinte: „Nun, denn setz’ Dich mal dort hinten mit an die Tafel. Auch die anderen Männer verließen den Tresen und nahmen jetzt an einem langen, festlich gedeckten Tisch Platz. Kaum saßen sie, da öffnete sich die Tür zur Küche und es wurde aufgetragen: Hühnersuppe mit Eierstich, Klöße und Gänsebraten, Grün- und Rotkohl, Eis mit heißen Himbeeren, Bier, Wein und andere geistige Getränke. Die Männer strahlten und keiner von den Tafelgästen wusste so recht, wie ihm geschah. Als Norbert gegen 22 Uhr seine Stammkneipe zum Musizieren betrat, war er schon satt angetrunken, aber er spielte und sang so herrlich, als hätte ihn das Glück gestreichelt, und in den Spielpausen erzählte er euphorisch: „Ich bin heute Nacht einem Engel begegnet …“

 

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Die Zwölften

Eine Buchempfehlung:
Die zwölf Weihnachtstage umspannen im christlichen Kalender die Zeit zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar. Diese „Zwölften“ sind auf dem flachen Lande der Uckermark mit schönen Bräuchen verbunden, denen ein Buch nachspürt, das nach Schnee und Heimat duftet. Für „Die Zwölften“ hat Autor Werner Karsch regionales Weihnachtsbrauchtum und Weihnachtsgeschichte zusammengetragen: Den Advent aus kindlicher Sicht erzählt: vom „Adventsbären“, den „Sternkiekern“, den „Drei Witten“ und den Christkrippensängern – gefühlt wie ein Pendelschlag zwischen Frohsinn und Bangen. Karsch notiert begleitend die Herkunft der Akteure Nikolaus und Pelzbuck. Er erzählt vom Schenken, stellt Rezepte aus der Festküche vor und spricht vom Schmücken: dem Nüssevergolden, einem Ritus mit gereimten Visionen. Ein paar weihnachtliche Erzählungen leiten schlussendlich hinüber zu den Neujahrsbräuchen. Wertvolle Stiche, perfekt gefaltet und eingefügt, geben Einblick in die Feststuben unserer Vorfahren. Der Schibri Verlag hat mit „Die Zwölften“ ein feinsinniges Buch vorgelegt, wie ein wertvolles Geschenk aus alten Tagen, mit Herz gestaltet für heutige Leser, die nach dem Geist der Weihnacht suchen.

Petra Elsner

Cover
Cover

 

„Die Zwölften“, Schibri Verlag, 112 Seiten, 22 Abbildungen und sechs Zeichnungen, ISBN 978-3-86863-037-4, 12,80 Euro

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Rabengeschichte (2)

Da es dort draußen stürmt und pladdert, ist heute mal wieder Gelegenheit eine kurze Vorlesegeschichte für unsere Kleinsten aus dem Ärme zu zaubern. Sie stammt aus meinem  „Das kleine Rabenbuch“ – eine nummerierte Handarbeit  für kindliche Ateliergäste:

Kolkmar & Kasimir

Raben sind schlaue Tiere. Sie können die Laute der Tiere nachahmen und foppen damit gerne Wanderer oder Pilzsucher. Der alte Kolkmar muhte am liebsten wie eine Kuh, und Kasimir heulte  täuschend echt wie ein Wolf. Abends erzählen sich die beiden Altvögel ihre Streiche, und krächzten dazu ein schönes Rabenlachen.
An einem Wintertag schwebte Kasimir hoch oben im Wolkengrau. Er segelte elegant im Wind, als er tief unten, am Waldrand, einen Holzdieb entdeckte. Kasimier wusste, dass der Wald dem Bauern Benno gehörte, aber der war auf dem Markt und konnte den Dieb nicht verjagen.
Da heulte Kasimir, wie ein Wolf den Mond anheult. Der Holzdieb erschrak. Er duckte sich, als wollte er sich nur verstecken. Doch nun knurrte der Rabe sehr bedrohlich. Der Mann ließ das Holz zurück und rannte augenblicklich davon.
Am Abend erzählte Kasimir seinem alten Freund, wie er den Holzdieb in die Flucht geschlagen hatte.  Die Vögel lachten ein tiefes Kraa-Kraa.
Kolkmar meinte dann: „Aber mein Scherz mit den Hühnern war auch ganz gelungen. Die haben seit Tagen schlechte Laune, weil ihr Hahn ausgeflogen und nicht wiedergekehrt ist. Da hab ich von der Tanne gekräht, so ein richtiges Guten-Morgen-Krähen, und die Hühner sind ganz aufgeregt durch ihr Gatter geflattert. Doch so sehr sie auch gackerten, kein schöner Hahn war zu entdecken. Weil das Krähen aus der Tanne kam, folgten sie schließlich dem Laut und flatterten ungeschickt hinauf in den Baum. Da hocken sie immer noch wie Kugeln an einem Weihnachtsbaum.“
„Ganz schön frech!“, krächzte Kasimir lachend. „Ja“, antwortete Kolkmar, „aber sehr witzig, findest du nicht auch?“ Und die Altvögel nickten listig.

Kolkmar Zeichnung Petra Elsner
Kolkmar
Zeichnung
Petra Elsner

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Dezemberlesebuch

Cover
Cover

Auf den Gabentisch 2013:

Nun halte ich es in der Hand und könnte andauernd „juhu“ rufen und wie ein Wichtel hüpfen, denn das „Dezemberlesebuch“ ist wirklich schön geworden. Der Druck ist statt, die Farben leuchten so, wie Weihnachten leuchtet. Alle haben all ihre Liebe in dieses Buch gesteckt. Glaubt es mir, es ist mir eine große Freude, dieses Bändchen auf den Gabentisch des Landes für das Weihnachtsfest 2013 legen zu dürfen. Es ist kein Schleimen, wenn ich konstatieren darf: Es ist das Beste, was mir in 20 Schreiberjahren mit einem Verlag geschehen ist. Kommunikation auf Augenhöhe, anspruchsvolles Lektorat, fantasievolle grafische Bearbeitung, inspirierende Gespräche – all das ist selten geworden, und dass es nun wahr wurde, lässt mich sehr dankbar sein.

Ab November deutschlandweit im Buchhandel, bitte schaut mal rein …

ISBN 978-3-943487-41-1

Der Schuhputzer im Dezemberlesebuch, gezeichnet von Petra Elsner
Der Schuhputzer im Dezemberlesebuch, gezeichnet von Petra Elsner

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Winterquartier im Kunstkaten

Gestern kam Manuela Röhken zu mir, um sich Bilder für ihre Kunstkate bei mir auszusuchen. Nach drei Stunden schauen, packen, reden, düste sie mit 11 guten Stücken davon. Die haben jetzt bis März Quartier in Kraatz (OHV). Sie werden einige der Winterveranstaltungen der Kunstmanagerin schmücken. Wie sie dazu kam, erzählt dieser Reportagenausschnitt:

Die grünen Salons der Land-Art-Frau

Manuela Röken. Foto: Petra Elsner
Manuela Röhken.
Foto: Petra Elsner

Sie ist die Frau mit dem grünen Daumen und dem Talent für besondere Landart-Inszenierungen, die sie „NaturKunstWerk“ nennt. Nach allen Seiten offen ist Manuela Röhkens (49) Sammelgewächs. Behutsam  zieht sie es heran. Zwei Thementage im Grünen spendiert sie jährlich den nahen und fernen ländlichen Nachbarn. Auf den Einladungskarten stehen immer so wundervolle Konstrukte wie: „Kräuterrätsel auf A6 & Gartenskulpturen – den Herbst schmecken mit Borschtsch und Mangoldtarte“. Es gab schon Erlebnisse rund um altes Handwerk, beispielsweise ums  „Buttern“ oder „Wolliges“ …. Dazu sucht sich die Hausherrin kenntnisreiche Partner, die mit ihr diesen Tag zelebrieren. Manchmal sagt sie auch einfach an: „Bringt eure Stricknadeln mit“. Allenthalben ist ein Poet am Rezitieren auf der Wiese, biegen sich die Tische unter den kulinarischen Köstlichkeiten.  Und immer werden Pflanzen und herbstwärts Marmeladen getauscht oder verkauft.
Wo nichts los ist, muss man selbst etwas machen
Es gehört inzwischen zu Brandenburgs schönem Sommerdasein, dass Höfe, Kulturmacher und Gartenbesitzer zur „Landpartie“, zur „Offenen Gartenpforte“ oder den „Offenen Ateliers“ einladen. Diesem Auftrieb, gar gegen Eintrittspreis, wollten sich die Röhkens nicht anschließen. Sie geben – vielleicht angelehnt an die Tradition der „Berliner Salons“ – „Grüne Salons“, klein-fein-edel.
Die gelernte Gärtnerin hatte 1997 gerade ihre Fortbildung „Management für Information und Kommunikation“ in Berlin abgeschlossen und hochschwanger noch gerade so die Fahrerlaubnis bestanden, als Elina geboren wurde. 1998 zog das Paar: Axel & Manuela aufs Land. „Dann war erst mal Schluss mit Beruf und Kultur“, erzählt die Frau. Ein Jahr später kam Nastasia zur Welt. Erst als die Mädchen in die Kita nach Mildenberg kamen, ergaben sich neue menschliche Bindungen. Manuela begann sich gesellschaftlich einzumischen,  gründete 2006 mit der Bibliothekarin Irina Schulz die „Granseer Puppenkiste“, aber  “NaturKunstWerk“ ist etwas ganz anders: Die eigene Kreation – die Inszenierung Handverlesener auf der grünen Wiese. „Wer in stille Dörfer zieht, muss selbst für kleinteilige Dorferlebnisse sorgen“, verrät sie wissend. Heute ist Manuela Röhken gewissermaßen die „Kulturministerin von Kraatz“. Sie schiebt an, bündelt Ideen, bringt Menschen zueinander, privat wie öffentlich, und hat auch eine andere Saite in ihrem Mann wieder kräftig zum Klingen gebracht – sein Gitarrenspiel.  Der IT-Mann Axel gibt inzwischen literarisch-musikalische Programme. Bei ihren Grünen Salons kümmert er sich um das Catering und hält seiner Frau den Rücken frei.
Mit der Zeit werden es immer mehr Veranstaltungen, auch winterwärts öffnen die Zwei ihre Kunstkate für Gäste. In loser Folge gibt es hier Lesungen, Theater, Vorträge und Konzerte…
© Petra Elsner

Aktuelles immer unter: Kunstkate Kraatz:

Kontakt zu NaturKunstWerk: Lindenstraße 28, Kraatz 16775 Gransee, Info-Telefon: 03306 213 650

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