Seidel sang ziemlich beste Lieder

Jeder Takt floss in eine geschmeidige Bewegung. Der ganze Mann klang und swingte auf der Bühne, kaum, dass mir ein scharfes Foto gelingen konnte. Bis in die letzte Fingerspitze ist dieser Musikpoet eine herrliche Rampensau und seine Zwischentexte – eine Salve spitzer Ironie. Das anderthalbstündige Konzert „Seidel singt – ziemlich beste Lieder“ wurde unterm weiten Altlüdersdorfer Himmel vor 130  mitwippenden Zuschauern inszeniert. Ich fühlte mich dabei umarmt, seelenverwandt und gut mitgenommen. Micha Seidel ist ein Klangzauberer, einer, der mit dem Wort spielt, es dreht und wendet, bis aus dem Brandenburger Hinterland die große Politik spritzt. So war das kleine und große weltschattierte Konzert von „Seidels Volkskunst Kollektiv“ nicht nur musikalisch eine Offenbarung. Ich danke dafür.

PS: Die CD-Produktion „Seidel singt ziemlich beste Lieder“ hatte ich im Blog bereits letztes Jahr besprochen, siehe hier. Ich will mich nicht wiederholen…

„Seidels Volkskunst Kollektiv“: Micha Seidel, Sänger, Musiker und Entertainer; André Kuntze, Keyboard; Matthias „Felix“ Lauschus, Gitarre, Percussion, Trompete und Mario Rühl, Kontrabass und Gezupftes.

Morgenstunde (814. Blog-Notat)

Der Liebste beim Bilder richten.

Die zwei Aufbautage bei hochsommerlichen Temperaturen haben uns ganz schön geschlaucht. Zumal eine Hausausstellung zu hängen, immer eine Herausforderung ist. Das Gebäude ist keine Galerie, es hat andere Funktionen, denen man sich anpassen muss. Nach langer Überlegung habe ich als verbindendes Element ein „Blaues Band“ aus kleinformatigen Spachtelarbeiten mit meinem Liebsten gehängt, dass vom Foyer, über Flure und Treppen zu den sieben Beraterräumen führt, in denen jeweils zwei bis drei größere Arbeiten gezeigt werden. Insgesamt 48 Bilder sind in der Volksbank Templin über den Sommer zu sehen und ich finde, die Bilder tun dem Ort gut. Ob sie allesamt immer zu sehen sein werden oder nur zur Vernissage am kommenden Donnerstag, sei dahingestellt. Auf jeden Fall ist das die letzte große Ausstellung für dieses Jahr, es ist und war reichlich… Diese Schau zeigt unter dem Titel

„Flüsterzeichen oder von der Magie des Seins“

eine Kombination von abstrakter Malerei mit figürlichen Details aus meinen Serien „Geheimnisse“ und „Wasserland“. Es geht um alte Kraftzeichen aus dem globalen menschlichen Wissen und symbolische Zeichen. Protagonisten sind Glücksvögel, Sinnsucher, Traum- und Schattenfänger, die von der Magie des Seins flüstern.

Ausstellungszeit verlängert

Die Laufzeit (April bis Juni 2023) meiner Sonderausstellung „Sagenhafter Barnim – Zeichnung & Malerei“ im Eberswalder Stadtmuseum wurde verlängert. Noch bis September kann die Schau betrachtet werden. Wir freuen uns sehr.

Lyrik-Krümel

Foto: Lutz Reinhardt

Sanfter Morgen

Leise schleiche ich
mich aus der Nacht.
Es zieht mich
in den wilden Garten.
Sonnenflecken blinzeln sacht,
tanzen, funkeln, leuchten.
Beim Kaffee lausche ich ganz still
nach einem unscharfen Gedanken.
Noch greift der Tag nicht nach mir.
Schlägt kein Kummer an die Tür.
Da kann ich langsam sein.

 

© Petra Elsner

 

Morgenstunde (813. Blog-Notat)

Auf gepackte Kisten – Zeitweiliger Szenenwechsel im Atelier.

Wenig sprechen hieß es vergangene Woche, aber der Stimme hat es nicht geholfen und die Schwäche blieb leider auch. Keine Ahnung, ob das eine Folge der Viruserkältung (kein Corona) von Anfang Mai ist. So sind die täglichen Verrichtungen beschwerlicher geworden und die Laune – naja…. Neben den klassischen Gartenzeiten, war die Vorbereitung der Ausstellung in der Templiner Volksbank dran. Zwei Tage lang habe ich allein Glasrahmen (alle Spachtelarbeiten aus dem Atelier) geputzt und eingepackt. Analog dazu nahm der Szenenwechsel im Atelier Gestalt an.  35 Teile und 15 Leinwände werden am Mittwoch und Donnerstag in der VB gehängt. Weil dort alle Räume frisch gemalert sind, hab ich mir statt Titelkärtchen oder Nummern an den Wänden, eine sechsseitige bebilderte Ausstellungsliste einfallen lassen, womit die Bild-Cedits leicht zuzuordnen sind und auch nach dem Rundgang über die zwei Etagen noch einmal nachgeblättert werden kann. Das nützliche Ding hat echt Arbeit gemacht, aber es sieht gut aus. Der Liebste hat währenddessen mit seinem Bruder die Wohnung der Eltern im Erzgebirge weitestgehend ausgeräumt. Das Wochenende hatte endlich mal wieder etwas Ruhe in sich: Hier eine Honigverkostung, dort einen Schwarm fangen, Kohlrabi-Pflanzen pikieren, Brennnesseln schneiden und für Tee trocknen… dem Leuchten der Margeriten-Wiese zusehen…

ABGESAGT

Ja, liebe Freunde, es hat nicht sollen sein, meine Stimmbandentzündung der letzten vier Wochen hat sich zur Kehlkopfentzündung ausgeartet, ich musste die Musikalische Lesung mit Micha Seidel für den 4. Juni 2023 in der Zehdenicker Klosterscheune gestern absagen. Sehr schade, aber derzeit gilt: Sprechen möglichst vermeiden…

Die Autorin Petra Elsner und der Musiker Micha Seidel. Foto: Kathy Seidel

Stimmungen (5)

… Ich grübele: Früher hatte ich meine Urängste gut im Griff,  aber die Pandemie hat sie freigeschält, befeuert und mich verändert. Abstand halten. Zuhause bleiben. Im damals übergriffigen Staat wurden Andersdenkende wie Ordnungswidrige behandelt und ein Konformismus in den meinungsmachenden Eliten wuchs, der die Demokratie aushöhlt, weil er die Realität vieler Menschen ausblendet und deren Interessen übergeht. „Weißt du Seelchen, es ist schwer, der inneren Stimme zu folgen, wenn das Äußere zu laut ist, alles übertönt und schließlich überzeichnet. Dein Wispern verlor sich darin.“
„Und warum hörst du mich jetzt?“
„Es ist wohl das Innehalten, dass das dauerhafte Kranksein und das Älterwerden begleitet. In der Stille setzen die inneren Monologe ein und plötzlich hörte ich: das Seelchen spricht.“
„Das ist für mich nicht so erstaunlich, aber warum hast du mir die Farbe Blau gegeben?“
„Weil sie mit dem Himmel verschmilzt. Dieses Himmelblau ist leicht und nimmt die Schwere aus den Stimmungen.“
„Das wünscht du dir?“…

Morgenstunde (812. Blog-Notat)

Mein Held hieß gestern: Uwe Wagner von der Telekom Prenzlau. Nach allen Irrungen und Wirrungen fand die Endlosgeschichte „Glasfaserkabelanschluss“ am Freitag vor Pfingsten, 17 Uhr (!) ein glückliches Ende. Wer hätte das gedacht. Ein Mensch aus meiner Zeit. Der arbeitete ohne Getöse, einfühlsam, klar strukturiert und erklärte, wenn gefragt. Was mich mit meiner Technik-Phobie geradezu zutraulich in diese Baustelle blicken ließ. Er schuf und schweißte die fehlende Anschlussstelle am Glasfasermodem für das innere Kabel, das so dünn wie ein Haar ist (Kabel nie Knicken, dann wäre es hin!!!), bohrte ein Loch durch die Wand zum Atelier und verlegte es bis zum PC, schloss den neuen Router an, folgte einem Link via Mail zur Telekom (Handy war sinnlos, wir stecken ja noch im Funkloch), um ihn freizuschalten. Danach verband er die komplette Technik, lächelte und war nach zwei Stunden fertig. Wir waren verzückt. Das Leben kann einfach sein, wenn kompetente Hilfe gereicht wird. Das gibt es noch, nur Mut!
Frohe Pfingsten allerseits!

Maien.

Was die Maien bedeuten.

Morgenstunde (811. Blog-Notat)

Stimmungen 4

…„Das stimmt. Damals war ich mir selbst nicht mehr gewiss. Man könnte auch sagen: Mir selbst fremd. Ich stand 1990 vor meinen großen Bücherwänden und dachte: Alles nicht mehr wahr. Was und woran sollte ich noch glauben, wem vertrauen? Ungute Lebenszutaten für etliche Jahre. Aber das ist das alte Fremd-Sein. Das Neue ist noch subtiler. Die bekannten Zustände werden einem plötzlich fremd, unüberschaubar und dadurch existenziell. Und diesmal trifft es das ganze Land, nicht nur den Osten und ich weiß nicht, wer hier gerade mehr Angst hat. Die Strippenzieher der Verhältnisse spielen mit ihr.“
Das Seelchen flüstert: „Du weißt schon, dass du die Angst durchschreiten musst, um sie hinter dir zu lassen?“
„Ja.“…

 

Morgenstunde (810. Blog-Notat)

Stimmungen (3)

…Das Leben ist unübersichtlich geworden und die Zerwürfnisse wachsen mit jeder Krise. Wenn aber die Krisen das Leben würgen, wird es eng. Damals, nach der Wende, wollte ich unbedingt niederschreiben, was geschieht. Diese Texte waren Merkzeichen wie dieser kleine Splitter: ‚Stell‘ Dir vor, es hat dich aus deinem Land getrieben, so wie Tausende auf dem Balkan, im Nahen Osten oder sonst wo in dieser wirren Welt. Du gehst aus irgend gearteten Zwängen ohne Wiederkehr. Dort, wo Du hingerätst, musst Du Dich zurechtfinden lernen, Sprache und Umgang, Gesetze und Gepflogenheiten, jeden Tag ein bisschen mehr. Und es gibt Niederlagen, weil man so rasant nicht alles zugleich in sich aufnehmen kann. Aber es wird. Ja, ich weiß, du hast deine Koffer nicht gepackt, bist hiergeblieben und doch in ein anderes, unbekanntes Land gezogen, fremd geworden auf vertrautem Terrain. Kaum ein Tag, der dich nicht verletzt, denn plötzlich bist du zugehörig einer Minderheit, mit der man umgeht wie mit jeder Minderheit: schroff und ablehnend. Der Ostdeutsche, der einfach gelebt hat in dem Zwischen-Land seiner Geburt, das man jetzt den Unrechtsstaat nennt, nervt und verunsichert den Altländler…‘ „Ach, Seelchen, das war die Zeit, 1992, in der ich dich nicht mehr spürte. Aber diesmal ist es anders, wir wissen, was krisenhafte Veränderung bringt: Erschütterung und Brüche.“
Das Seelchen räuspert sich: „Du hast damals nicht einmal über mich nachgedacht. Für dich hatte ich doch lediglich die ominösen 21 Gramm.“ …