Die Nacht, ein Ort (5)

… Das Ungewisse bekam Kontur im riskanten Nachtraum. Riskant, weil der dunkle Ort verzaubern konnte, verwandeln, in ihm pendelt der Geist  zwischen Genie und Wahnsinn, zwischen heller Erkenntnis und schwerster Traurigkeit. Wer ihn betritt, ist durchaus gefährdet. Aber diese Angst fürchtete Linda Mondschein nicht. Sie liebte es, das Gedankenkarussell zu drehen. Sich den Kopf zu zerbrechen und die braunen Haare zu raufen. Ungezügelt umkreiste sie die Wunde der abgerissenen Zeit. Die Quelle war leicht auszumachen: Das Elend in der Welt. Und die Schuld für diese Zustände trug ganz offenkundig die unsoziale Gier. Die Tönniese dieser Welt. Aber die Maßlosen sind es nicht allein, Armut zulassen, dafür braucht es auch immer die Akzeptanz der vielen Zusehenden. Der Bessergestellten, die sich allein durch das vorhanden sein der Schlechtgestellten wertvoller fühlen. Kann die Virus-Krise diesen ehernen Verbund aufbrechen? Die Nachtfrau wünschte sich einen Wandel und träumte von einer Welt der Achtsamen, in der nachhaltig für Mensch und Natur gewirtschaftet wird. Für sie wäre das wünschenswert.  Doch noch herrschten ein anderer Gemeinsinn und das Virus …

Die Nacht, ein Ort (4)

… Die Zeit war gerissen und flackerte nun nur noch als Fieberkurve weiter. Die Zeitnormalos flackerten über Tag mit, mal hektisch, dann wieder apathisch, denn das echte Leben war verschwunden. Alle ersehnten es, doch es war unwiederbringlich.  Das Alltagsgeschehen, die Politik und die Wirtschaft – nichts würde mehr so sein, wie vor der Pandemie. Frauen haben atmosphärisch ein besseres Gespür, als die zielfixierten Männer. Aber Single-Frauen spürten diesen Zeitabriss noch deutlicher. Schließlich verbannte die Kontaktsperre nach dem 23. März Singles vollkommen in die Einsamkeit. Niemand bemerkte Mitte Juni, dass Linda Mondschein kaum noch in den Tag fand und ihre soziale Selbstisolation auch nach den Lockerungen anhielt. Aber die Nacht war nicht nur ihr Schutzraum, die Nacht schärfte auch all ihre Sinne und spitze ihre Fantasie an. Auf sich selbst zurückgeworfen, konnte sie mit ihren Nachtgedanken ihre Corona-Angst dämpfen und sich der Macht der Nacht bedienen, denn die Nacht blendete das Herzrasen der Fieberzeit aus und öffnet den Vorhang für Visionen. Diese Krise könnte Kriege auslösen, Demokratien stürzen, aber vielleicht auch zu einer menschlicheren Gesellschaft führen. Linda Mondschein nährte nach und nach ihr Kopfkino …

Morgenstunde (358. Blog-Notat)

Nicht, dass da Missverständnisse aufkommen, die nachtwandelnde Eremitin Linda Mondschein ist eine literarische Figur, die ich jetzt in diese Corona-Zeit hineinlege, weil so viel geschieht und sich so viel verändert. Ich bin es nicht, auch wenn das mancher vermutet. 😊 Hier der lebendige Beweis: Wir waren heute in Stendal, um Honig zu liefern und anschließend ging es weiter nach Havelberg, dieser schönen Stadt, in der die Havel in die Elbe fließt…

Die Nacht, ein Ort (3)

… Einmal in der Woche schlich sich Linda Mondschein maskiert in den nächsten Supermarkt. Nur für das Notdürftigste, dabei sah sie diese Merkwürdigkeiten auf wankenden Planken. Es schien ihr, als hätten all diese Einkaufswagen schiebenden Leute ihre Mitte verloren. Manche taumelten sogar in ihrer Atemnot. Ja, natürlich waren da auch noch die Coolen, die ihre Masken lässig unter dem Kinn, wie ein hippes Modeteil trugen. Oder die Lauten, deren Grimmblick allein wie eine Körperverletzung anmutete. Das ganze Leben maskierte sich, entgleiste und die Gewissheiten zerbröselten. Zu Ferienbeginn entfaltete sich eine launische Scheinwelt, die sich öffnete und hier und da schnell wieder schloss. Die verwaisten Orte der Kultur trugen nachts leuchtendes Rotlicht, eine magische Illusion aufblitzender Schreie, die die bange Frage schrill riefen: Was wird aus uns? Niemand konnte das beantworten. Nur draußen, auf den Bühnen unter freiem Himmel, gab es vorsichtige Spielstätten, freies Theater, Konzerte mit Abstandsgeboten, Maskenpflicht und Desinfektionen. Nichts für Linda Mondschein, diese Konstellation weckte keine Muße in ihr, die sie früher von einer schillernden Premiere zur nächsten umtrieb. Wenn sie jetzt gegen Mitternacht ihre Übersetzungen von Beipackzetteln und Bauanleitungen ihrem Fachverlag mailte, blieb sie ganz bei sich, schaute via Internet den verzweifelten Musikern bei ihren Küchen- oder Wohnzimmerkonzerten zu oder las sich durch die literarischen Texte der Bloggerwelt. Manche Empfehlung, die sie dabei fand, brachte sie dazu, sich Bücher online zu bestellen. Jedes Buch war für sie fortan wie eine Fernreise, ein Fest, eine neue Bekanntschaft, eine Begegnung, die zu ihrem klösterlichen Leben passte…

Die Nacht, ein Ort (2)

… Als im Sommer die Menschen ihr altes Leben zurückverlangten und darin versuchten zu baden, blieb Linda Mondschein in der Nacht. Ihr Antrieb, die Angst. Die Politik agierte hektisch und im vollen Rampenlicht, um die wirtschaftlichen Abstürze im Land abzufedern. Längst hatte sie die Virologen wieder aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verdrängt, es war alles über Hygieneregeln gesagt. Jetzt hatte es der mündige Bürger wieder selbst in der Hand, ob er das Virus nährte oder nicht. Doch wo war der mündige Bürger? Er ging seltsame Bündnisse ein. Es schien, das Virus führte auch zu gesellschaftlichen Mutationen und Exzessen. Auch Linda Mondschein hatte sich verändert, die Virus-Krise stürzte sie in eine Lebenskrise. An schlafarmen Tagen schusselte sie sich fahrig durch die Nacht. Dem Verfall ihrer Lebensqualität zuzusehen, nahm ihr jedwede Leichtigkeit, mit der sie bisher all die Jahre durch das wellenreiche Leben segelte. Neugierig auf jähe Wendungen, mutig im Wind. Stattdessen floss plötzlich eine seltsame Furcht durch ihre Adern und sie ging nur noch in Bögen vorwärts. Die Geradeausspur war von Geboten verstellt. Die brachten nicht nur die Nachtfrau ins seitliche Ausweichen, auch viele andere Menschen bewegten sich seltsam verhuscht, nicht souverän…

Die Nacht, ein Ort (1)

Linda Mondschein war ein Nachtmensch. Die Nacht war für die Mitvierzigerin  der Raum innerer Freiheit, immer schon. Vorzeiten war das Dunkel noch der Ort der großen Geheimnisse, amouröser Begegnungen, diffuser Sehnsüchte und der Gespenster. Inzwischen bedeutete die Nacht für Linda Mondschein – Sicherheit. Sie konnte die italienischen Bilder vom Sterben nicht vergessen. Sie brannten in ihrer Seele und schürten eine zittrige Angst. Deshalb hatte sie sich mit ihrem herzschwachen Leib in die Dunkelheit verzogen, in ein Eremitendasein, das den Menschen auswich. Ein echter Verzicht, denn Linda Mondschein mochte Menschen, die mit einem leichten Sprung besonders.  Aber das schien ihr eine  Ewigkeit her. Die lichtarme Nacht wuchs indes zu ihrem Schutzraum, in dem sie ein verblassendes Dasein führte. Damit das so blieb, fütterte Linda Mondschein ihre Corona-Neurose geduldig mit sperrigen Nachrichten. „7417 Tote in Deutschland“ rief das Radio am 11. Mai schlag null Uhr, das reichte schon, um es wieder auszuschalten und sich unter dem Mondlicht wegzuträumen, an einen Strand mit rauem Wellenschlag. Gischt und Salz in der Luft. Mit geschlossenen Augen konnte sie ihr fernes Sehnsuchtsbild skizzieren und darin wandern. In Gedanken war das ganz mühelos. Das Kreischen der Möwen in den Ohren, den Geschmack von heißem Sanddornsaft auf der Zunge, Sonnenfunken auf den nassen, geschliffenen Kieseln im Wellensaum. Dieses gedachte Strandwandern machte nicht die Muskeln sauer, der Atem stockte nicht, sie sah in das Bild, aber sie fühlte nichts. Gedankenmeere machen nicht das Herz weit und leicht…

Morgenstunde(357. Blog-Notat)

Diesen Blickfang brachte ich am Freitag von unserer Ausfahrt über die uckermärkischen Dörfer mit. Die Feldlandschaft ist derzeit einfach malerisch schön. Samstag klingelte im strömenden Regen die Postfrau mit einem Paket. Es stammte von Hörnchen, einem langjährigen Journalisten-Kollegen, den ich erst letztes Jahr auf FB wiederentdeckte. Auf mein morgentliches Sinnieren über Corona-App und, dass ich mir wohl nun doch ein Smartphone anschaffen sollte, meinte er nur schlicht: Ich hab eins für Dich, tausche ich gegen einen Schrägen Vogel von Dir. Und während ich noch überlegte, welche Zeichnung es sein könnte, weil er das mir überlassen hatte, war das iPhone schon eingetroffen. Da hab ich jetzt was zu lernen nach  Jahren der Handy-Abstinenz! Bedienungsanleitungen sind mir ein Graus, aber es hilft nichts, ich werde mich überwinden müssen. Morgen also SIM-Karte kaufen, dann kann es losgehen. Mein Überraschungspaket für Hörnchen ist gepackt, ich denke, er wird sich mindestens so freuen wie ich gestern. Tauschen statt kaufen ist in diesen ungewissen Zeiten eine echt gute Sache.

Morgenstunde (356. Blog-Notat)

In der Serie Kauz-Köpfe: Der Sibirische Uhu

Der große Helle ist der 16. Kauz in meiner Schopf-Serie. Der Sibirische Uhu (Bubo bubo sibiricus) ist die größte Eulenart der Welt. Das Weibchen misst bis zu 75 cm, das Männchen 68 cm. Wenn er beeindruckten will, stellt er seine 8 bis 10 cm langen Federohren auf und wirkt dann noch mächtiger. Der Sibirische ist eine asiatische Unterart des Europäischen Uhus, allerdings ist er auffällig heller gefärbt. Viel Weiß im Gefieder. Beheimatet ist der Vogel im östlichen Russland, im westlichen Sibirien, in Baschkirien, Mittlerer Ob, im West-Altai-Gebirge und im Norden bis an den Rand der Taiga.
Nach diesem Prachtstück mache das Wochenende kauzfrei. Habt alle miteinander eine gute Zeit!

Morgenstunde (355. Blog-Notat)

Die alten Griechen verehrten schon diesen kleinen Kauz. Sein Abbild findet sich auf Münzen und Briefmarken. Der Steinkauz (Athene noctua) ist von Nord-Afrika bis zur Nordsee und von England bis China verbreitet. In Deutschland gehört der Steinkauz zu den Standvögeln. Mit seinen etwa 22 cm gehört er zu den kleinen Eulenvögeln. Er kommt in offenen Landschaften mit sehr altem Baumbestand, in alten Obstgärten, Parkanlagen und in Ruinen vor.

Morgenstunde (354. Blog-Notat)

Nun gab es doch noch den Verlagsvertrag für meine Winterarbeit 2019/20. Für den Schräge-Vögel-Kalender 2021 und einige Mini-Lektüren. Die Idee des Verlages, für diese Dinge mit einem großen Supermarkt zusammenzugehen, ist Corona bedingt geplatzt, aber das soll mir recht sein. Der hätte nämlich 50 Prozent Rabatt verlangt und ich hätte dann kaum ein Beteiligungshonorar erzielen können. Es wäre nur eine Imageveranstaltung ohne echtes Honorar. Denn wer macht sich schon zu mir ins Atelier auf, wenn es das Teil beim Markt um die Ecke gibt? Also für mich ist es besser so, vor allem hatte ich nicht mehr geglaubt, dass der kleine Schwedter Verlag es nach dem Lockdown schafft, neue Produkte auf den Weg zu bringen. Einen Druck-Termin gibt es noch nicht, aber ich denke, es wird Spätsommer werden. Was ist das nur für ein verrücktes Jahr! Und JA, es hätte auch anders kommen können, viele schließen derzeit ihre kleinen Lädchen für immer…  und weil das alles so ungewiss war, hab ich geschuftet, so als hätte ich nichts in der Hand. Die Bildverkäufe im April/Mai haben mich ermutigt und meine Schockstarre gelöst. Jetzt bin ich sehr erleichtert, dass die Dinge Gestalt annehmen werden…