Der Kutschenhof in Groß Schönebeck

Schatz – und Sinnsucher haben mancherorts  sehenswerte private Sammlungen zusammengetragen. Zum Beispiel auf dem Vierseitenhof der Familie Bohm in Groß Schönebeck (Schorfheide). Hier befinden sich eine bemerkenswerte Kutschensammlung und eine Bauernstube, die sich von ihrer Opulenz her sehen lassen können.

Der Freizeitlandwirt Jürgen Bohm: Sein Hof steht für Werte und Tugenden der traditionellen Landwirtschaft. Zur Landpartie am 12. Juni und zum Erntedankfest öffnete er einem breiten Publikum sein fein hergerichtetes Gehöft für ein bäuerliches Erlebnis. Foto: Lutz Reinhardt
Der Freizeitlandwirt Jürgen Bohm: Sein Hof steht für Werte und Tugenden der traditionellen Landwirtschaft. Zur Landpartie am 12. Juni und zum Erntedankfest öffnete er einem breiten Publikum sein fein hergerichtetes Gehöft für ein bäuerliches Erlebnis.
Foto: Lutz Reinhardt

Wer einer alteingesessenen Familie angehört und aufbewahrt, was aus der Zeit fiel, der kann, wenn er Platz und Muße hat, bald ein privates Museum vorzeigen, dass locker mit anderen Heimatstuben mithalten kann. Jürgen Bohm (55) gibt den Dingen, die seit 150 Jahren auf dem Hof gebraucht wurden einen Schauplatz, den er auf Wunsch und zu den großen Landfesten öffnet.
Im Dachgeschoss der gut hergerichteten Scheune befindet sich als erstes Ausstellungmotiv des Bauernmuseums: das komplette Schlafzimmer von Oma. Daneben die Aussteuertruhe von Bohms Mutter, die aus Hammer stammte. Eine Ebene weiter füttern historischen Hauswirtschaftsgegenstände einen großen Raum und unter der Dachneigung befindet sich das Spielzeug von Jürgen Bohm und seinem Zwillingsbruder und den anderen drei Geschwistern. Alles sorgsam erhalten, man spürt noch heute, es wurde geachtet und gut behandelt. Die Bohm-Geschwister bilden die fünfte Generation auf dem Hof.

Unter der musealen Bauernwirtschaft und im üppigen Nebengelass wohnen 32 fahrbereite Kutschen und etliche, die er nicht mitzählt, weil sie noch nicht aufbereitet sind. An der Decke hängen diverse Pferdeschlitten und unter dem offenen Vordach warten die Ackerwagen auf den nächsten Gebrauch. Alles, was Jürgen Bohm hier versammelt hat, wird benutzt, zur Ausfahrt oder zur bäuerlichen Arbeit. – Gut 100 verschiedene Fahruntersätze sind es wohl.
Der Gemeindearbeiter und gelernte Fernmeldemechaniker betreibt seine Landwirtschaft als weitschweifendes Hobby: Hühner, Enten, Schweine, Kühe, vier Pferde und die Feldarbeit für das gesunde Tierfutter. Aber die Kutschen – es scheint, Jürgen Bohm lebt für sie.
Mit 16 Jahren hat er seine erste erworben. Damit was es ausgebrochen, das Sammelfieber. Zupass kam ihm die Wende, als viele alles wegwarfen oder für einen Schrottpreis verscherbelten. Doch für andere Stücke hat er sein Erspartes hingelegt.
So wuchs in 40 Jahren eine private Sammlung, die er auch Kutschenmuseum nennt. Er öffnet es jedem auf Wunsch. Und wenn es sich einrichten lässt und das Wetter gut ist, verabredet er sich mit Gästen zu einer Kutsch- oder Schlittenfahrt – vage, denn es könnte ja sein, er wird zur Freiwilligen Feuerwehr gerufen, dann kann er nicht und die Tour fällt aus. Da hilft kein meckern, wer sich auf so eine ungewisse Verabredung einlässt, kann Staunen und mit dem Mann viel Spaß haben.

Der Jagdwagen von 1870 wurde 2003 in Polen komplett neu aufgebaut. Den hatten Kinder aus Klosterfelde angezündet, aber das Eisengestell war noch gut. Jetzt ist er wieder eine Augenweide. „Das Baujahr der Kutschen ist schwer zu sagen. Manchmal heben sich die Kutschenbauer auf der Achse verewigt“, erzählt Jürgen Bohm. Foto: Lutz Reinhardt
Der Jagdwagen von 1870 wurde 2003 in Polen komplett neu aufgebaut. Den hatten Kinder aus Klosterfelde angezündet, aber das Eisengestell war noch gut. Jetzt ist er wieder eine Augenweide. „Das Baujahr der Kutschen ist schwer zu sagen. Manchmal heben sich die Kutschenbauer auf der Achse verewigt“, erzählt Jürgen Bohm.
Foto: Lutz Reinhardt

Wer den Hof von Jürgen Bohm betritt und ihm zu seinen Schätzen folgt, der spürt sofort, die Freude des Besitzers dieser Dinge: Vielleicht hat er schon hundertmal so oder so scherzend seine Führung begonnen: „Sie sehen hier mein lebendes Museum, denn alles was hier steht, ist fahrbereit.“ Er durchläuft die schmale Wagengasse und zeigt die Unterschiede: „Sehen Sie hier, das ist ein original ungarischer Korbwagen. Der ist wie ein Marktwagen aufgebaut: Hinten die Sitze sind nur eingeschnallt, nimmt man sie ab, entsteht Ladefläche. Oder hier der offene Landauer als Hochzeitskutsche. Das hier ist ein Zweispänner mit Faltverdeck. Und hier die Victoria, ein vierrädriger und viersitziger Kutschwagen. Da beispielsweise sehen Sie eine Break, eine offene vierrädrige Gesellschaftskutsche. Das hier ist eine Berliner Droschke aus Rixdorf. Die habe ich von einem alten Fuhrunternehmer bekommen. Eine schöne Geschichte kann ich dazu erzählen: Ich war mit meinem Hufschmied in Berlin, der wollte sich in Neukölln Kutschen ansehen. Ich war gleich begeistert als ich dieses Stück entdeckte. So eine feine Handarbeit und tolle Ausstattung. Der Besitzer hat eine Summe aufgerufen und ich entgegnete gleich: Um Gottes Willen, das wird nichts! Mein Hufschmied verriet: ‚Der sammelt doch och Kutschen, 20 Stück hat er.‘ Und ich verbesserte: Nee, 30. Der Neu Köllner glaubte uns kein Wort. Na, dann musst du mal kommen. Als er wirklich kam, hatte er große Augen. Als er alles gesehen hatte, meinte er nur noch: ‚Und meine gehört hierher!‘ Er hat mir einen guten Preis gemacht und die Droschke sogar noch geliefert.“ Bohm geht weiter zum nächsten schönen Stück, seine Hand fährt liebend über den Feinschliff. Falls einer seiner Besucher neidische Blicke auf die Sammlung wirft und gar glaubt, einen reichen Mann vor sich zu haben, den lässt er gleich wissen: „Ich fahre nicht in Urlaub, ich trinke nicht und hab auch keine Frau!“

Unzählige Ackerwagen, wie man sie heute kaum noch findet, beherbergt der Hof auch. Der Landmann erzählt: „Früher hatte man ja nicht gleich mehrere Wagen. Es gab ein Grundgestell, das wurde lang gemacht, dann wurde es zum Erntewagen. Andere Aufbauten verwandelten ihn in einen Kasten- oder Jauchewagen. Im Winter wurden die Räder abgebaut und Kufen montiert und schon war der große Bauernschlitten entstanden.“ Aber für Pferdeschlittenfahrten waren die letzten Winter nicht schneereich genug.
Zum 1. Mai kommen alle die wertvollen Kutschen und Wagen in die trocknende Sonne. Da wird abgestaubt und alles zur Landpartie fein gemacht, und wer will, kann dann auch wieder anspannen lassen.
Petra Elsner

Kontakt:
Bauernstube und private Kutschensammlung, Jürgen Bohm, Ernst-Thälmann-Straße 4, 16244 Schorfheide OT Groß Schönebeck; Besuch auf telefonische Anfrage: 0171-7819048

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