Reportagen aus dem Schorfheidewald: Der Stein-Scout

Naturbeobachter Klaus-Herrmann Mewes Foto: Lutz Reinhardt
Naturbeobachter Klaus-Herrmann Mewes
Foto: Lutz Reinhardt

Wenn diese Steine reden könnten, dann würden sie gewiss von Wilddieben und gemeuchelten Förstern munkeln, vom seltsamen Jagdglück von Wilhelm II. oder anderer Größen plaudern und vielleicht auch von einem, der erst als Rentner in die Heide kam, um endlich seinen Traum zu leben: Naturbobachtungen in der Schorfheide. Das Klaus-Hermann Mewes dabei auf die Spur der Steine kam, war dann eigentlich nur eine Frage der Zeit. Denn schon immer hat sich der hellwache Mann für alles was da kreucht und fleucht interessiert.

An diesem Morgen kam der Witwer Klaus-Herman Mewes gerade vom Ufer des Grimnitzsees. Bevor wir miteinander reden können, notiert er erst einmal akribisch in seinen kleinkarierten Block: Datum, Zeit Ort und das Entdeckte: Kriekenten, Kormorane, Höcker- und Singschwäne, ein weißer Bussard. Was er sieht, meldet er den Ornithologenverbänden via Internet. Beobachten und dokumentieren, das ist seine Passion, der er seit dem Jahr 2000 als ehrenamtlicher Horstbetreuer für See- und Fischadler nachgeht. Seine Entdeckungen anderen mitteilen, anschaulich und lehrreich, das ist eine weitere Lust des Naturbeobachters. Und so wundert es kaum, dass Mewes bereits 2003 mit der Herausgabe von Bildbroschüren über das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin begann, und auf Wunsch auch Lichtbildervorträge über seine Landschaftssteine hält. In „Eine Dokumentation über einige von der Eiszeit zu uns überkommenen Findlinge und Geröllsteine, die im Laufe der Jahre von den hier in der Heide ansässigen Menschen zu den unterschiedlichsten Zwecken verarbeitet und genutzt wurden“ beschreibt er über Hundert Hinweis- und Gedenksteine in ihrer landschaftlichen Umgebung. Garantiert hat er noch nicht alle gefunden, weil sich im Schutzgebiet manches gut verborgen hält.

Geduld und Naturtreue sind ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt. Die Eltern siedelten in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts im Wald von Lindenberg bei Wittenberge. Endlos war dort die Stille. Mit einem ebenso leisen Freund, zog der junge Mewes durch die Baumlandschaften. Sie suchten Vogelnester, registrierten die Brutstätten und malten sich kleine Karten dazu. Ein guter Biologielehrer förderte die Anlagen des Jungen und ernannte ihn zum Helfer des Biologiekabinetts der Oberschule in Wittenberge. Das interessierte ihn: Präparate-Sammlung, Anschauungstafeln, das klapprige Skelett namens Adam. Bald konnte der Schüler Schmalfilme vorführen, darunter war ein Film über Fischadler von einem Doktor Horst Siewert aus Joachimsthal, den sich der Knabe zum Vorbild nahm. Seither überlegte Mewes: Wie kommst du nur in die Schorfheide?

Das sollte dauern. Natürlich hätte der begabte Schüler später Biologie studieren können, aber in seiner Familie gab es eben Mehrfachbegabungen. So wie der Heranwachsende alle Vögel kannte, wusste er auch jeden Flugzeugtyp zu klassifizieren, war er wie sein Vater und Großvater schon ein Techniknarr. Da wurde aus dem Naturfreund Mewes junior erst einmal ein Arbeitsleben lang der Diplom-Ingenieur im Flugzeugbau und Fachbuchautor für Luftfahrtgeschichte. Doch im Ruhestand zog Mewes nun wirklich nach Joachimsthal.

Herr der Steine war dort natürlich schon ein anderer, nämlich Joachim Bandau, der unter historischen Aspekten zu den Steinen forschte. Mit ihm tausche sich der Zuzügler aus. Doch schon bald wurde Mewes selbst fündig, stöberte unbekannte oder vergessene Steine auf, die er minutiös in einer Karte eintrug, inzwischen sind es über Hundert. Der Stein-Scout Mewes ist nun Spezialist für Landschaftssteine. Gemeint sind Exemplare wie „Adderloch“, der eine Schlangengrube benennt. Oder Steine mit Berge-, Seen- und Ortsbezeichnungen wie „Bullenwinkel“, der markiert beispielsweise einen Ort auf der Halbinsel im Großen Glasowsee, wo die Bauern im 30-jährigen Krieg ihr Vieh vor den Schweden versteckten. „Die Molle“ ist schlicht eine Talsenke. „Mönchebude“ beschreibt eine Raststelle der Mönche, die zwischen dem Zisterzienserkloster Chorin und Zehdenick pendelten. „Zollpfahl“ lässt ahnen, man bat an dieser Fürstengrenze zur Kasse. Neben den Landschaftssteinen berichtet Mewes Dokumentation aber auch über Inschriftensteine zu Forstkulturen, und solche mit jagdgeschichtlichen Hinweisen, mit Vermerken zu alten Forsteinrichtungen, Erinnerungs- und Gedenksteine an besondere Personen und Ereignisse und natürlich erzählt er auch über Wegweiser, alte Richtungs- und Meilensteine.

All jene Steintypen hat der Stein-Scout erfasst, fotografiert, die Abbilder mit Erklärungen versehen, so dass wer durch die Heide wandert oder radelt, sich hiernach Routen zu den alten Steinzeichen zusammenstellen kann. Im zweitgrößten Wald- und Naturschutzgebiet Deutschlands sicher ein neues spannendes touristisches Thema. Und wer weiß, vielleicht begegnen Sie ja bei Ihrer individuellen Pirsch durch die Schorfheide jenem kleinen Mann mit dem großen, wachen Blick für alles was da kreucht und fleucht.

PS: Klaus Mewes verstarb am 4. Januar 2016 in Joachimsthal. Seine Kinder Karsten und Ellen haben ihn bis zuletzt zu Hause gepflegt und waren bei ihm, als er ging.

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