„Spielbeschreibung“ von Klaus Dieter Remus
Da kommt einer 1993 mit labbrigen DDR-Pass aus der Welt zurück nach Deutschland und versucht an das einstige Leben in seiner Freundes-Klicke anzuknüpfen. Er wird scheitern, denn das einstige Lebensgefühl der Freunde ist längst Legende, ihr Alltag existentieller Kampf. Edgar sieht diesen Wandel, er gefällt ihm nicht, und so macht er, was er immer als Lösung ansieht: er formt aus dem Übel ein Spiel.
Zu DDR-Zeiten spielte der Klüngel tagelang „Monte Carlo oder Monte Christo“. Es ging um den perfekten Diebstahl völlig unsinniger Dinge. Sowas wie einen Stadtplan von New York z.B., wohin man damals nie reisen konnte. Kultus, Raffaela, Frank und Edgar, der den souveränen Spielführer gab. Kompliziert wurde es, wenn ein Spiel im Spiel entstand. Beispielsweise mit einer unwiderstehlichen Verkäuferin in der Spieleabteilung eines Kaufhauses, worin Edgar genötigt war, eine Erklärung seines gesuchten Spieles abzugeben:
„… Wissen Sie, es könnte darum gehen, dass sich jeder Spieler zu Beginn Klarheit über sich selbst verschaffen müsste. Charakter und Träume, seine Liebe, seinen Hass. Alles, was so dazugehört. Er müsste ein Bild von sich machen, ein Ornament, verstehen Sie?… Und auf alles, was er trifft, muss er versuchen, sein Ornament anzuwenden. Es wiederzufinden. Und es zu behaupten. Und dann muss er mit allen Mitteln versuchen, die Ornamente der anderen Spieler so zu beeinflussen, dass diese unbrauchbar werden. Dann kann er sie nämlich übernehmen. Ganz oder teilweise. Oder auch nicht. Das steht ihm frei…“
Aber manchmal verzockt man sich. Edgar hatte Versäumnisse. Während er nach der Wende den Weltenbummler gab, zog Antje die gemeinsamen Kinder alleine groß. In seiner Abwesenheit hatte das Leben der Anderen harte Züge bekommen, aber Edgar spielte wie eh und je, und es wird sehr schnell klar, sobald einer dieses Ornamenten-Spiel auf das wahre Leben anwendet, gibt es Kollateralschäden…
Klaus Dieter Remos hatte diesen Stoff 1993 gemeinsam mit dem Regieabsolventen Jörn Zielke in Szene gesetzt. Doch das Szenario kam nie in die Filmproduktion. 30 Jahre später formulierte der Regisseur und Autor Remus den Stoff zur Novelle um, die den schlaksigen Ton des Berliner Prenzlauer Bergs in den frühen 90ern wunderbar trifft. Langsam bekommt die damalige regellose Zeit unterwegs ein neues Verhaltenskorsett, und dieses historische Momentum fängt der Autor präzise ein.
Petra Elsner
„Spielbeschreibung“ von Klaus Dieter Remus, 188 Seiten, Taschenbuch, Hardcover, epubi.com, ISBN: 9783759836137, Preis 23,99 €
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Das klingt interessant, das Buch.
Ist es, liebe Sylvia. Alles Gute zu Dir nach Berlin!