Die Nacht, ein Ort (2)

… Als im Sommer die Menschen ihr altes Leben zurückverlangten und darin versuchten zu baden, blieb Linda Mondschein in der Nacht. Ihr Antrieb, die Angst. Die Politik agierte hektisch und im vollen Rampenlicht, um die wirtschaftlichen Abstürze im Land abzufedern. Längst hatte sie die Virologen wieder aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verdrängt, es war alles über Hygieneregeln gesagt. Jetzt hatte es der mündige Bürger wieder selbst in der Hand, ob er das Virus nährte oder nicht. Doch wo war der mündige Bürger? Er ging seltsame Bündnisse ein. Es schien, das Virus führte auch zu gesellschaftlichen Mutationen und Exzessen. Auch Linda Mondschein hatte sich verändert, die Virus-Krise stürzte sie in eine Lebenskrise. An schlafarmen Tagen schusselte sie sich fahrig durch die Nacht. Dem Verfall ihrer Lebensqualität zuzusehen, nahm ihr jedwede Leichtigkeit, mit der sie bisher all die Jahre durch das wellenreiche Leben segelte. Neugierig auf jähe Wendungen, mutig im Wind. Stattdessen floss plötzlich eine seltsame Furcht durch ihre Adern und sie ging nur noch in Bögen vorwärts. Die Geradeausspur war von Geboten verstellt. Die brachten nicht nur die Nachtfrau ins seitliche Ausweichen, auch viele andere Menschen bewegten sich seltsam verhuscht, nicht souverän…

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