Morgenstunde (811. Blog-Notat)

Stimmungen 4

…„Das stimmt. Damals war ich mir selbst nicht mehr gewiss. Man könnte auch sagen: Mir selbst fremd. Ich stand 1990 vor meinen großen Bücherwänden und dachte: Alles nicht mehr wahr. Was und woran sollte ich noch glauben, wem vertrauen? Ungute Lebenszutaten für etliche Jahre. Aber das ist das alte Fremd-Sein. Das Neue ist noch subtiler. Die bekannten Zustände werden einem plötzlich fremd, unüberschaubar und dadurch existenziell. Und diesmal trifft es das ganze Land, nicht nur den Osten und ich weiß nicht, wer hier gerade mehr Angst hat. Die Strippenzieher der Verhältnisse spielen mit ihr.“
Das Seelchen flüstert: „Du weißt schon, dass du die Angst durchschreiten musst, um sie hinter dir zu lassen?“
„Ja.“…

 

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Morgenstunde (809. Blog-Notat)

Stimmungen (2)

…„Warum antwortest du nicht?“, frage ich nach.
Das Seelchen flüstert „Die Welt sortiert sich neu, da stört der Frieden.“
„Warum flüsterst du?“
„Die Selbstgerechten könnten es hören und mich niedermachen.“
„Ein Seelchen?“
„Alles, was stört. Das Selbst verdrängt mit seiner Selbstoptimierung die alles belebende Seele.“
Ich seufze: „Ja, ja, das Ego verachtet das Mitmenschliche.“
Das Seelchen wispert: „Es ist noch schlimmer, das Ego züchtet das Einander-Fremd-Sein. Nur die Meinung des Egos gilt – unantastbar, geradezu versteinert.“
Mich gruselt es, weil ich mich erinnere, auf diesem Pfad war ich auch einige Jahre als Selbstständige, hatte aber das Füreinander nie abgelegt. Im Gegenteil, ich suchte es, weil ich es vermisste und denke: Das Fremd-Sein ist ein Schwergewicht dieser Zeit…

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