Eine Kurzgeschichte in Arbeit:
… Offenbar hörte jemand seinen inneren Monolog. Der Schreiber hob den Blick und sah sich im Großraum um. Die Kollegen telefonierten, tippten ihre Gedanken in die Tastatur oder debattierten über irgendetwas. Keiner beachtete ihn, aber jemand war bei ihm, ganz in der Nähe. Seine Augen kehrten zum Schreibtisch zurück und erfassten das Foto seiner verstorbenen Frau. Wie oft war sie ihm Inspiration gewesen und wie oft hatte er in den vergangenen Jahren mit ihrem Abbild gesprochen? Plötzlich stieg sie als Miniatur aus dem Bild, lief über Hand und Arm auf seine Schulter und flüsterte dem alten Schreiber ins Ohr: „Ja, du darfst diesen milden Grundton anstimmen, um dem großen Kanon eine hoffnungsvolle Note hinzuzufügen. Eine schöne Note.“ Dann lief sie zurück in das Bild. Eric Winter blinzelte mit feuchten Augen. Er bedachte sich noch ein Weilchen und beobachtete dabei die Kollegen. Diese vielen Selbstgerechten, die hätten längst zurückgebrüllt, die Fahne der Arroganz geflaggt oder gar nicht erst auf diese Leserpost reagiert. Er konnte das nicht, es entsprach nicht seinem Naturell. Er war kein Jäger. Eric Winter war und blieb ein Feingeist. Vielleicht sollte er mit ihm in Rente gehen. Aber noch fühlte sich der alte Schreiber gebraucht, denn er hatte bemerkt, dass er von Menschen umgeben war, die alles hatten und sich deshalb nichts mehr wünschen konnten, außer vielleicht ein Wetter, das sich jedoch nicht erzwingen lässt. Das Gesellschaftsleben aber braucht offene Wünsche, sonst gehen ihm die Träume aus. Er konnte sich nicht zurückziehen, er wollte Stimme sein, eine Stimme, die Herzen öffnet und Gemeinsinn stiftet. Der Schreiber nickte, er hatte sich selbst versichert und nun schrieb er: „Ihre Zeilen habe mich wirklich nachdenklich gestimmt, aber glauben Sie mir bitte, die Welt braucht Ermutigung und einen hoffnungsvollen Blick auf ihren kranken Zustand …“
© Petra Elsner
28. Juni 2019
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