Die Linde ist seit dem 1. August 2017 geschlossen.
Das Gasthaus „Zur Linde“ lädt seit 28 Jahren zur großen Himmelfahrtsparty:
Schluft. Angela Repkow ist mit einem praktischen Naturell auf die Welt gekommen, Mitte der grauen 50er Jahre. Sie lernte Verkäuferin, hat auch im Groß Schönebecker Leistenwerk zugepackt. Nur Kneipe wollte sie nie machen. Doch dann traf sie Burghart Repkow und zog von Zerpenschleuse nach Schluft. Da stand die strenge Schwiegermutter Marie noch hinter dem morschen Tresen. Der ist seit dem vierten Generationswechsel im Gasthaus „Zur Linde“ neu, wie auch das Dach, die Holzvertäfelung, eine neue Küche und das gediegene Mobiliar. 1855 hat die Familie Repkow den Gasthof an der Hauptstraße 19 eröffnet. Seither hat das kleine Schorfheidedorf immer einen gastlichen Ort, wo man zum Bierchen die Dorfgeschichten bespricht, die großen und die kleinen und jene, die sich auf leisen Sohlen heranschleichen. Burghart Repkow ist seit Herbst in Rentner. Er hilft seiner Frau natürlich weiter am Zapfhahn und mit den Einkäufen. Aber im Winter hat er eine schwere Grippe verschleppt, da hat es ihn plötzlich aus den Latschen geworfen und Angela bekam einen gehörigen Schreck. Seither versuchen die Zwei die Geschäfte etwas kleiner zu dosieren. Denken über einen weiteren Schließtag nach. In zwei Jahren könnte auch Angela in den Ruhestand wechseln. Ob und wie es mit der Linde dann weiter geht, steht noch in den Sternen, denn die zwei Repkow-Töchter leben ein anderes Leben.
Irgendwie kein Wunder, denn das Überleben einer Gastwirtschaft auf dem Lande ist schwierig geworden. In der Winterzeit sitzen die beiden nicht selten allein im Hinterzimmer und lesen schweigend ihre Zeitungen. Dann klopft doch noch der Förster vom Trämmersee ans Fenster und schaut auf ein paar Bierchen vorbei. Das reicht gerade mal für den Strom dieser Winternacht. In Schneezeiten füllen die Skiwanderer auf einen Grog die gemütliche Gaststube. Doch Schnee gab es schon etliche Jahre kaum mehr. Die Repkows leben von den Wochenend- und Feriengästen des kleinsten Dorfes in der Heide. Das ist so, seit die meisten jungen Menschen auf der Suche nach guter Ausbildung und fair bezahlter Arbeit weggezogen sind. Wenn der verschmitzte Mann sich an die quirligen Jahre nach der Wende erinnert, lächelt er still in sich hinein und erzählt dann doch: „Reich wird man eh’ nicht mit so einer kleinen Wirtschaft. Es gab mal so einen Moment, Anfang der 90er Jahre, da dachten wir, wir müssten alles ändern. Eine größere Speisekarte, vielleicht sogar anbauen. Inzwischen sind wir auf dem Boden der Realität angekommen.“ Burghard zapft und scherzt im Flüsterton mit den paar Stammgästen.
Da muss man echt die Ohren aufstellen um den Witz zu vernehmen. Er ist eben kein Lauter, sondern das Original im Hintergrund, während sie taff die Küche im Alleingang stemmt und zwischen Entenessen und Bauernfrühstück mit den Gästen plaudert und auch ihren Mann am Tresen für eine Pause ablöst. Einer fragt in die Runde: „Und, ist wieder Himmelfahrt was los?“ Da huscht Angela aus der Küche in den Gastraum und spricht, als gäbe es keinen Anlass für die bange Nachfrage: „Aber klar doch!“ Man sieht, dass sie sich auf das launige Ereignis freut. Seit 28 Jahren bestreiten die Repkows diesen Schenkelklopfer des Jahres im Schorfheidewald. Begonnen haben sie in den letzten Monaten der DDR-Existenz, zum damals unerwünschten Festspektakel einzuladen. Seither kommen sie von nah und fern – die geschmückten Männer in ihren tollkühnen Kisten. Da liegt ganz Schluft in den Fernstern und schaut dem großen Auftrieb belustigt zu.
Am 5. Mai wird es wieder so sein. Die Zapfparty steigt, gleich welches Wetter, auf der Festwiese gegenüber der Linde. Angerichtet ist von 9 Uhr morgens bis zum Einbruch der Dunkelheit. Den Imbiss übernimmt ein Cateringservice aus Zehdenick und eine Repkow-Tochter schenkt mit ihrem Sohn das kühle Blonde vom Bierwagen auf dem grünen Wiesenteppich aus. Und drinnen hält Angela für den kleinen Hunger Schmalzstullen bereit, für die Süßen gibt es leckeren Kuchen. (pe)
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