Morgenstunde (809. Blog-Notat)

Stimmungen (2)

…„Warum antwortest du nicht?“, frage ich nach.
Das Seelchen flüstert „Die Welt sortiert sich neu, da stört der Frieden.“
„Warum flüsterst du?“
„Die Selbstgerechten könnten es hören und mich niedermachen.“
„Ein Seelchen?“
„Alles, was stört. Das Selbst verdrängt mit seiner Selbstoptimierung die alles belebende Seele.“
Ich seufze: „Ja, ja, das Ego verachtet das Mitmenschliche.“
Das Seelchen wispert: „Es ist noch schlimmer, das Ego züchtet das Einander-Fremd-Sein. Nur die Meinung des Egos gilt – unantastbar, geradezu versteinert.“
Mich gruselt es, weil ich mich erinnere, auf diesem Pfad war ich auch einige Jahre als Selbstständige, hatte aber das Füreinander nie abgelegt. Im Gegenteil, ich suchte es, weil ich es vermisste und denke: Das Fremd-Sein ist ein Schwergewicht dieser Zeit…

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Morgenstunde (808. Blog-Notat)

Foto: Lutz Reinhardt

Stimmungen

Tag 23. Die Stimme ist immer noch blechern und der Husten zurück. Ich setze mich mit schwerem Kopf, der mir vollkommen geleert erscheint, an den Computer und klage stumm. Jämmerlich fühlt sich das an. Wo ist der Schalter, der die Stimmung in eine andere, leichtere Richtung kippt? Ich finde ihn nicht. Ich mag diese Jammerliese nicht. „Reiß dich zusammen!“, ruft mein Seelchen von seiner inneren Kanzel. Ich nicke und denke, du hast gut reden. Ich suche nach positiven Gedanken. Es fallen mir meine letzten Märchen ein, aber plötzlich weiß ich, sie alle waren nur eine kurzweilige Ablenkung, ein Ausweg aus einer Wirklichkeit, die von Jahr zu Jahr bizarrere Blüten treibt. Die Wirklichkeit – ein Albtraum aus Seuche, Kriegsgerassel und Klimahorror. Das Leben verliert da leicht seinen Glanz. „Aber schau das schöne Maiengrün!“, rüttelt mein Seelchen in mir. Hm, das ist ein Argument für Schönheit und Wiederkehr. Und was ist mit Frieden? frage ich. Keine Antwort.

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