„Der Kaiser und sein Haus im Wald“

Eine Buchbesprechung

Es gehört zu den ehrenvollsten Arbeiten eines Chronisten, brüchiges Wissen zu bergen und so für die Nachwelt zu bewahren. Das war der Antrieb von Manfred Lentz, der seinen Spürsinn und Recherchegeschick einsetzte, um die Geschichte eines fast verfallenen Gemäuers im Wald zwischen Kappe und Kurtschlag zu erforschen. Ja, in den Dörfern wusste der eine oder andere noch: Der Kaiser ging auch hier in der westlichen Schorfheide jagen. Und man munkelte, Wilhelm II habe das sagenumwobene Blockhaus vom Schwedenkönig 1889 geschenkt bekommen. Aber diese Mär hat der Autor ausgeräumt. Was den meisten heutigen Bewohner der Walddörfer völlig unbekannt war, dass Wilhelm II an dieser Stelle ein Gatter für die Zucht von Ungarnhirschen unterhielt. Die mächtigeren Tiere sollten der Auffrischung des Rotwildbestandes dienen, aber wie so oft im Leben, ging die Idee nicht gut aus. Immer dann, wenn Manfred Lentz ins Erzählen oder auch Unken kommt, liest sich diese Schrift flüssig und sehr unterhaltsam, aber wie es sich für eine Chronik gehört, braucht es Belege, Faksimiles, Auszüge aus Dokumenten, um die Thesen zu stützen. Und so entstand ein fundiertes Sachbuch unter Mithilfe von Birgit Halle, Erich Voß und Manfred Grimm, das lückenlos über die Nutzung des Hauses und seiner Bewohner berichtet. Der Leser erfährt von Totschießjagden, von Lappjagden und der Pirsch. Vom Leben der Wildwärter. Von forkelnden Hirschen und interessanten Moorkulturen. Lentz bringt auch Licht in das dunkelste Kapitel: 1941 bis 1945 diente der Ort als Kriegsgefangenenlager. Er fand Belege dafür, dass hier Serben und Italiener in einer Baracke unterhalb des Blockhauses eingesperrt waren und zur Zwangsarbeit im Holzeinschlag, im Sägewerk von Vogelsang und in den Zehdenicker/Burgwaller Tongruben genötigt wurden. Nach 1945 diente das Blockhaus als Unterkunft für Waldarbeiter und Vertriebenenfamilien. Kurzweilig gab es beim Haus einen Heimtiergarten und schließlich wurde das Gemäuer Jagd- und zuletzt Forstquartier. Aber, obgleich unter Denkmalschutz gestellt, verfällt inzwischen das Blockhaus im Wald.  Was von ihm bleiben wird, sind wage Geschichten, aber definitiv Manfred Lentz‘ Gedenkschrift. (pe)

Erhältlich ist das Sachbuch „Der Kaiser und sein Haus im Wald“ nur beim Autor unter Telefon: 0171 4729673. Das Buch wird es daneben auf Dorffesten geben. Da die Nachfrage recht groß ist, wurden inzwischen weitere 150 Exemplare gedruckt. Der Preis der Zweitauflage beträgt 10 Euro.

Views: 862

Tannmütterlein erzähl!

Karin Schulze hat für sich das Darstellende Vorlesen als probates Mittel entdeckt, eine Sache für alle Sinne erfahrbar zu machen. Wenn das Tannmütterlein auftritt, erklärt es den Kita-Kindern immer ein Wildkraut. Erst wenn sie viele Kräuter kennen, gehen sie selbst hinaus, um sie zu sammeln. Foto: Lutz Reinhardt
Karin Schulze hat für sich das Darstellende Vorlesen als probates Mittel entdeckt, eine Sache für alle Sinne erfahrbar zu machen. Wenn das Tannmütterlein auftritt, erklärt es den Kita-Kindern immer ein Wildkraut. Erst wenn sie viele Kräuter kennen, gehen sie selbst hinaus, um sie zu sammeln.
Foto: Lutz Reinhardt

Karin Schulze aus dem Schorheidedorf Kappe zaubert Figuren, Kulissen und sinnliche Genüsse:

Hinter den Rabenbergen, tief in der Schorfheide lebt Karin Schulze und zaubert dort ein bisschen – jeden Tag.  Sie kennt jedes Kraut in ihrem Wiesengarten und hat sich ein Kräuterweiblein namens Tannmütterlein gestrickt, das ihr Wissen von der Natur an Kita-Kinder weiter gibt. Die Kräuterkundige ist seit 40 Jahren Erzieherin und hat für sich das Darstellende Vorlesen als bestes Mittel entdeckt, kleine und größere Kinder gleichermaßen  anzusprechen. Für ihre Morgenkreise sucht sie immerzu passende Geschichten, die sie als kunterbuntes, interaktives  Bühnenspiel inszeniert. Alle Sinne soll es treffen. Hier erwachen Hänsel und Gretel, die Raben Kräx und Krox, die Schneefrau Luise … als fein gestrickte Gestalten. Tolle Charakter- oder Blütenköpfe agieren in einem Bühnenbild und die Erzählerin sitzt selbst mittendrin: erzählt, fragt, animiert. Wenn das Tannmütterlein wieder einmal ein neues Kraut vorstellt: Löwenzahn,  Pimpinelle, Giersch, Vogelmiere oder Knoblauchrauke, dann hat die Erzählerin natürlich ein Kräuterbrot dazu gebacken und Wildkräuterbutter angerichtet: Schmecken, riechen, so nistet sich das erklärte Kraut im kindlichen Gedächtnis ein.

Auch mal mit Fingerpuppen kann man einprägend erzählen: Fünf Männlein sind in den Wald gegangen und wollten einen Hasen fangen. Der Erste war so dick wie ein Fass und rief immer: „Wo ist der Has‘? Wo ist der Has‘?“ Der Zweite schrie: „Da, da sitzt er ja!“ Der Dritte war der Längste, aber auch der Bängste. Der fing an zu weinen: „Ich sehe keinen, ich sehe keinen!“ Der Vierte sprach: „Das ist mir zu dumm, ich kehre lieber wieder um!“ Der Kleinste aber, wer hätte das gedacht, der hat den Hasen mit nach Haus‘ gebracht, und alle Leute haben laut gelacht. (Der Autor ist unbekannt, Text stammt von der Internetseite: heilpaedagogik-info.de) Foto: Lutz Reinhardt
Auch mal mit Fingerpuppen kann man einprägend erzählen: Fünf Männlein sind in den Wald gegangen und wollten einen Hasen fangen. Der Erste war so dick wie ein Fass und rief immer: „Wo ist der Has‘? Wo ist der Has‘?“ Der Zweite schrie: „Da, da sitzt er ja!“ Der Dritte war der Längste, aber auch der Bängste. Der fing an zu weinen: „Ich sehe keinen, ich sehe keinen!“ Der Vierte sprach: „Das ist mir zu dumm, ich kehre lieber wieder um!“ Der Kleinste aber, wer hätte das gedacht, der hat den Hasen mit nach Haus‘ gebracht, und alle Leute haben laut gelacht. (Der Autor ist unbekannt, Text stammt von der Internetseite: heilpaedagogik-info.de)
Foto: Lutz Reinhardt

Karin Schulze erklärt: „Das Erzählen oder Vorlesen wird mit verschiedenen Gegenständen ergänzt. So können die Kinder die Geschichten, Märchen oder spezielle Themen mit allen Sinnen erfahren. Riechen, schmecken, hören, fühlen, sehen.  Dabei werden die Morgenkreise für die Kinder noch einmal ganz anders erlebbar. Die besprochenen Themen wirken nachhaltiger, anwendbarer auch auf andere Lebensbereiche und es geschehen Transfers in die Umwelt. In dieser besonderen Erzählatmosphäre kommt die Gruppe zur Ruhe, in der sie dem Geschehen gespannt folgt. Verzaubert tauchen die Kinder ein in die Welt der Fantasie.“
Das ist allerdings nicht einfach mal so geschaffen. Wenn andere vergnüglich beim Sonntagskaffee plaudern, baut Karin Schulze für all das die Kulissen, strickt die Figuren, backt was gebraucht wird. Für die Schneefrau Luise zum Beispiel Schneeflockenplätzchen. Und im Nachtrag des Events fertigt sie eine Wandzeitung mit Fotos vom Morgenkreis für die Kinder zur Erinnerung. Ein mächtiger Aufwand, den die Erzieherin nicht scheut, weil ihr die Freude der Kinder erlebte Akzeptanz zurückgibt. Spürbar auch in herrlicher Vorfreude, wenn die Zwerge rufen: „Oh, Karin, machst du wieder den Morgenkreis! Schön!…“

Karins Puppenspielkorb. Foto: lr
Karins Puppenspielkorb.
Foto: Lutz Reinhardt

Wie sie das so erzählt, beginnt die 61-Jährige zu leuchten und ihre Augen sprühen begeistert. Man spürt das Glück, dass ihr selbst diese eigene Gabe bereitet: Einer Geschichte Gestalt zu geben. Da kann es auch schon mal geschehen, dass sie auf dem Heimweg mit der Heidekrautbahn den Zugbekanntschaften die Geschichte aus dem Morgenkreis abends noch einmal vorspielt. Und ringsherum lauschen viele müde Pendler vergnüglich.
Einen mächtigen Korb voller Figuren hat sie für die vielen Episodenspiele schon geschaffen: Wichtel, Zwerge, Hexen, Tiere und Spielfiguren. Im Grunde könnte die Frau jederzeit eine Puppenbühne eröffnen, aber sie hat anderes im Sinn: Als Privatlehrerin möchte sie gerne Seminare zur Gestaltung von Morgenkreisen anbieten. Das ist eine nahe Zukunftsvision, die als Essenz aus ihrem Berufsleben und ihrem kreativem Schaffen rührt. An einer Zeitschwelle, an der andere eher leiser treten und über ein Rentnerdasein sinnieren, hat diese Frau so ganz andere Dinge auf dem Schirm, nämlich selbst bestimmt ihre Erfahrungsschätze anderen weiter zu geben. Anmeldungen von Interessentinnen hat sie schon.

Petra Elsner

Views: 2765

Mit den Rangern zu den Schätzen der Schorfheide

Das Döllnfließ unweit des Schorfheidedörfchens Kappe. Foto: Lutz Reinhardt
Das Döllnfließ unweit des Schorfheidedörfchens Kappe.
Foto: Lutz Reinhardt

Im Frühling beginnen wieder die Ranger-Erlebnistouren. Bei dieser neunten Offerte führen 27 Entdeckerrouten der Naturwacht quer durch Brandenburg. Mit den kompetenten Rangern in den Großschutzgebieten unterwegs zu sein, bringt eine Ansprache für alle Sinne.

Zugleich schärfen sie den Blick für die regionale Wirtschaftsgeschichte der Menschen. Ins Gebiet der Schorfheide führt beispielsweise die Exkursion „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ am 5. Juni 2016.
Die Tour spürt den Spuren des Wassers nach. Sie folgt dem Lauf des 28 Kilometer langen Döllfließes, zeigt wo für die Flößerei einst seine Mäander begradigt wurden und auch wo man sich heute müht, passagenweise diesen Zustand zurück zu bauen, um das Wasser länger in der Schorfheide zu halten.

Dazu gehört auch die Renaturierung einiger Flächen der Moorlandschaft im Westen dieses berühmten Waldgebietes.

Echter Laubfrosch am Döllnfließ. Foto: pe
Echter Laubfrosch am Döllnfließ.
Foto: peDas Moor als eine Art Schwamm soll wieder die Landschaft mit Nässe versorgen. Alte Namen wie Hagelberger Posse, Punskuhl, Nessellake, Dusterlake und Entenparadies lassen ahnen, wie pitsch-nass das Gebiet einst war.  Die Ranger erklären die 300-jährige Fließgeschichte unterwegs und auch von der Klingelmarie, einer Sagengestalt aus dem Punskuhl an der Döllner Chaussee, wird erzählt.

Döllnfließ Dorfmitte-Kurtschlag. Foto: pe
Döllnfließ Dorfmitte-Kurtschlag. Foto: pe

Bei Klein Dölln demonstriert die Landschaft selbst, wie das Schichtenwasser aus dem Boden eines alten Fließbogens quillt. Ein paar Schritte weiter gibt es originelle Kunst im Wald zu bestaunen, bevor es im Kurtschlager Gasthof „Mittelpunkt der Erde“ zur Mittagseinkehr kommt. Der Nachmittag führt weiter zur „Gewässerschau“ an das Faule Fließ und das Trämmerfließ. Zum Abschluss der gelehrigen wie beschaulichen Tour kann der Gast noch dem Schorfheidemärchen „Dellwog und der Flößer“ auf dem nahen Kurtschlager Künstlerhof  lauschen (das ist bei uns – der Malerin & Autorin und dem Fotografen).

Silberreiher am Döllnfließ. Foto: pe
Silberreiher am Döllnfließ.
Foto: pe

Zu Fuß wäre diese Strecke kaum zu bewältigen, deshalb bringt ein Kleinbus die Teilnehmer zu den Etappen. Gestartet wird am Bahnhof Groß Schönebeck um 9.15 Uhr. Hier unterhält die Naturwacht im Bahnhofsgebäude seit 2012 einen kleinen Ausstellungsplatz. Reinschauen lohnt sich, denn der Ankömmling erfährt hier haargenau, wo er sich befindet. Es ist eine Art Fenster in die Heide. Die zweisprachige Ausstellung im ehemaligen Wartesaal betrachtet Naturräume der Projektpartner im polnischen Drawsko Pomorskie und in der Schorfheide.

Ranger Uwe Schneider erklärt: „Den Weidendom haben wir gerade mit unseren Junior-Rangern, den einstigen Wilden Spürnasen, aufgebaut. Die wilde Fläche neben dem Bahnhofsgebäude von ca. 180 Quadratmetern werden wir in einen Biogarten verwandeln. Quartiere für Insekten sind als nächstes dran.“ Foto: pe
Ranger Uwe Schneider erklärt neben dem Bahnhof in Groß Schönebeck: „Den Weidendom bauen wir gerade mit unseren Junior-Rangern. Die wilde Fläche neben dem Bahnhof von ca. 180 Quadratmetern werden wir in einen Biogarten verwandeln. Quartiere für Insekten sind als nächstes dran.“
Foto: pe

Beide Ausstellungsorte beleben stillgelegte Bahnhofsgemäuer. Wenn im nächsten Jahr die Raumbindung der Schau in Groß Schönebeck ausläuft, bleibt die Naturwacht weiter Mieter am Bahnsteig der Heidekrautbahn und wird hier den Ausstellungsblick in die Schorfheide erweitern.
Wer die Ausstellung zu einem anderen Zeitpunkt besuchen möchte, sollte sich telefonisch ankündigen. Der Ort hat keine feste Betreuung, denn die Ranger sind meist zur Umweltbeobachtung unterwegs im Revier.

Seit über 25 Jahren betreut die Naturwacht das Grundwassernetz in der Schorfheide, in dem gilt es die Grundwasser- und Oberflächenpegel zu messen, um den ökologischen Zustand bewerten zu können.

In der Ausstellung im Bahnhofsgebäude wird über Themenbäume das große Waldlabor in der Schorfheide erklärt. Es ist ein erster Einstieg. Wer mehr wissen will, pilgert weiter ins Schorfheidemuseum.
In der Ausstellung im Bahnhofsgebäude wird über Themenbäume das große Waldlabor in der Schorfheide erklärt. Es ist ein erster Einstieg. Wer mehr wissen will, pilgert weiter ins Schorfheidemuseum.

Als Dienstleister des Großschutzgebietes dreht sich ihr Alltag vor allem um Artenerfassung,  die Umweltbildung in Kitas, Schulen und die Nachwuchsarbeit mit den zehn Junior-Rangers der Waldschule. Und manchmal sie sind einfach nur auf einer individuell gebuchten Führung zu Fuß oder per Rad unterwegs zu den schönsten Schauplätzen in der Natur. Also einfach vor dem Besuch anrufen.
Petra Elsner

Anmeldung und Information: Naturwacht Groß Schönebeck, Telefon: 033393 63819, Mobil: 01705735148,
wildfang@naturwacht.de,

Kosten:       15 € pro  Person, Verpflegung in Gaststätte auf eigene Kosten, Anmeldeschluss ist der 27. Mai 2016.
Telefon: 0170/5735884 oder per Mail:
wildfang@naturwacht.de

Views: 1846

Schneezeit in der Schorfheide

Winterstraße zwischen Kurtschlag und Kappe. Foto: Petra Elsner
Winterstraße zwischen Kurtschlag und Kappe.
Foto: Petra Elsner

… nun wird es doch noch einmal Winter, wo doch schon die Tulpenspitzen grinsten, aber zum Schreiben passt das wunderbar. Die Nachbarn schippen schon seit sieben Uhr morgens das schwere, nasse Weiß, das alles verzaubert und kunstvolle Gebilde wachsen lässt, es ist die leise Zeit  …

Schneezweige Foto: pe
Schneezweige
Foto: pe

Auch die Märchen im Lesegarten halten Winterschlaf. Foto: Petra Elsner
Auch die Märchen im Lesegarten halten Winterschlaf. Foto: Petra Elsner

Views: 1416

Ausstellung: Funken der Seele

Gestern haben wir sie aufgehängt, die neue Ausstellung in der Kapper Kulturkirche. Ich nenne sie:

FUNKEN DER SEELE

Dateil aus einem Traumfänger von Petra Elsner
Dateil aus einem Traumfänger von Petra Elsner

Die Ausstellung „Funken der Seele“ erzählt von der Magie der inneren Kraft und ihren Geheimnissen. Sie will diesem wundersamen Prozess, des aus sich Schöpfens, der Inspiration und des sich selbst Beschützens künstlerische Gestalt geben. Dafür habe ich mich alter Kraftzeichen aus dem globalen menschlichen Wissen bedient und  dazu schützende Figuren erfunden: Die Traumfänger, als eine andere Interpretation des indianischen Begriffs, und die Schattenfänger als Träger von symbolischen Zeichen. Eine Auswahl aus diesem jüngenen Schaffen ist bis zum 3. Jaunuar 2015 in dem Walddorf  Kappe zu sehen, das sich auch „Kleines Tor zur Schorfheide“ nennt.

Am 29. November 2014, 15 Uhr, gibt es in der Kapper Kulturkirche festliche Barockmusik zum Advent mit Karla Schröter (Barockoboe) und Hildegard Saretz (Cembalo). In diesem Rahmen lese ich drei Weihnachtsgeschichten.
Kapper Kirche, Samstag, 29. November, 15 Uhr, Eintritt 12 Euro im VVK, 15 Euro AK (inkl. Kaffee & Kuchen).

Views: 2317

Drei Landkreise teilen sich die Schorfheide

Das berühmte Waldgebiet Schorfheide ist heute Teil des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin. Kaum 60 Kilometer nördlich von Berlin öffnet sich hinter Groß Schönebeck, dem sogenannten „Tor zur Schorfheide“, eine atemberaubende Waldlandschaft. Die Schorfheide berührt drei Landkreise: Barnim, Uckermark und – oft vergessen – Oberhavel. Genauer: die Schorfheidedörfer Kurtschlag und Kappe (das „Kleine Tor zur Schorfheide“) gehören ebenfalls dazu. Der wild-romantische Winkel bei den Rabenbergen liegt fast vergessen in einer alten Moorniederung hinter dem Trämmersee und dem Zehdenicker Hauptgraben. Wer von Berlin kommend in sein Navi „kürzeste Strecke“ nach Kurtschlag eingibt, wird über das Barnimer Dörfchen Schluft geführt. In Schluft findet sich noch eine nahrhafte Quelle: Der Landgasthof „Zur Linde“ ist eine urige Wirtschaft, wie man sie heutzutage kaum noch vorfindet: Einfach, herzlich, ehrlich. (Nachtrag 2017 – inzwischen auch geschlossen!)
Von dort geht es sechs Kilometer über den Kurtschlager Damm, ein gewölbtes Kopfsteinpflaster, dass für tiefer gelegte Autos nicht befahrbar ist. Aber wer Zeit hat, kann bei Tempo 30 wunderbare Geistereichen ansehen oder stoppen und Pilze sammeln gehen. Hinter dem Entenparadies beginnt Oberhavel. Sichtbar ist das nicht, Landschaft kennt keine politischen Grenzen … Wer schneller mit dem Auto unterwegs sein will, wählt besser den längeren Weg über die L 100 von Groß Schönebeck bis zum Hotel Döllsee, dann links durch das uckermärkische Groß Dölln, weiter bis Kurtschlag oder Kappe.

Ungefähre Karte vom Bioshärenreservat Schorfheide-Chorin, Strichzeichnung: Petra Elsner
Ungefähre Karte vom Bioshärenreservat Schorfheide-Chorin, Strichzeichnung: Petra Elsner

„Drei Landkreise teilen sich die Schorfheide“ weiterlesen

Views: 1657

Reportagen aus dem Schorfheidewald: Von Brunchkonzerten und Kräuterwissen

Vorab bemerkt: Diese Geschichte ist Legende, die Schulzes  werden am 15. August 2016 die Schorfheide verlassen.

 

Kappe (2013): Es gibt Dörfer in Brandenburg, die sind so klein und doch bärenstark. Mag es daran liegen, dass allein der Gedanke, irgendwann zu verschwinden, die Menschen umtreibt, und sie zu Rufern in der Zeit heranwachsen. Kappe, das „Kleine Tor zur Schorfheide“, gehört mit seinen schlapp 150 Bewohnern dazu. Als ihre Backsteinkirche 2009 dem Verfall preisgegeben wurde, trat das Paar vom Schulze-Hof auf den Plan und gründete 2010 den Förderverein Kapper Cappe e. V.. Seither gibt es an diesem abgelegenen Ort sommerwärts die exklusive Brunchkonzerte mit Kammermusikern der Deutschen Oper zu Berlin. Die Speisen sind ebenso erlesen wie die Musik. 18 Euros zahlt der Gast für diesen Hochgenuss und füttert damit zugleich die Kasse für den neuen Kirchturm. Weil es aber rund 50 Jahre dauern würde, auf diese Weise das Geld einzuspielen, kümmert sich Christian Schulze (68) um geförderte Finanzierung und Sponsoren. Doch damit die Gäste kommen, um immer öfter auch zu bleiben, drehen Karin (57) und Christian Schulze am ganz großen Rad.
Seit 1982 bauen die zwei ehemaligen Berliner am Schulze-Hof. Vor drei Jahren zogen sie ganz aufs Land. Heute beherbergt ihr romantisches Kneipp-Gästehaus 12 Ferienbetten, ein Kräuter- und Geschenkelädchen und Erlebnisgarten der besonderen Art. Die Montessori-Erzieherin Karin hat ein Händchen für schöne Arrangements in Haus und Garten, und als Kräuterkundige auch für gesund machende Speisen.
Karins Fabel für Kräuter spürte sie früh, heute meint sie: „Dieses Kräuterwissen ist unser Kulturgut, wir sollten es nicht umkommen lassen.“ Und deshalb gibt die Frau ihre Erfahrungen bei ihren Kräutertagen anderen weiter. Aber die kompromisslose Hinwendung zum gesunden Leben begann, als ihr Mann an Krebs erkrankte, und nur noch eine vage Lebenserwartung von zehn Jahren von seinen Ärzten vorausgesagt bekam. Das ist 27 Jahre her. Karin war nach dieser Diagnose und Operation klar: „Wir müssen in unserem Leben alles ändern.“ Zuerst hieß es für das Paar und die zwei Söhne auf Schweinefleisch zu verzichten. Nach dem Konzept von Dr. Reckeweg. „Mit der Ernährung fällt und steht man“, erklärt sie, „und ich habe schon lange als Erzieherin darauf geachtet, dass die Kinder möglichst wenig Konservierungsstoffe zu sich nehmen. Anfänglich gab es einen Aufschrei, als ich das in der Kita und Zuhause umstellte. Aber ich musste nun auch genau gucken, was ich stattdessen Schmackhaftes auf den Tisch brachte. Damals war das noch ganz schwierig. Dann entdeckte ich im Gesundbrunnencenter Truthahn, der für uns zur Alternative für das Schweinefleisch wurde.“ Sie ist davon überzeugt, dass es ihrem Mann das Leben gerettet hat und so trägt sie den Gedanken weiter. Ein Kräuterlehrgang brachte Frau Schulze zu Kneipp, wonach sich ihre Ferienanlage zum das Kneipp-Gästehaus wandelten. Überall im Garten finden sich Studienhinweise – ein grünes Ferienseminar. „Kneipp passte einfach zu uns“, meint Christian und erläutert: „Gesundheitskonzept heißt immer: Einklang von Seele, Ernährung und Bewegung. Da darf man auch nichts weglassen, es ist eine Einheit. Und Kneipp hat noch zwei Komponenten dazu: die Ordnungs- und Wassertherapie. Wenn das funktioniert, dann hat man eine gute Aussicht, ein hohes Alter zu erreichen.“
Gewiss. Mit solchen Auffassungen und Haltungen ist man gelegentlich für seine Umwelt auch anstrengend. Ständig ändert sich so der äußere und dörfliche Beistand, denn das Anliegen des Cappe-Vereins weiter in Schwung und auf hohem Niveau zu halten, kostet Kraft.
Karin findet: „Immer dabei etwas Neues, Gutes anzubieten, damit die Leute zu den Konzerten kommen, dabei etwas für sich entdecken können, um es mit in ihr Leben zu nehmen – das ist unser Anspruch.“ Deshalb gibt es neben dem Konzert satte 62 Gerichte beim Brunch. Dazu eine Kräuterecke, einen Wildkräuterplatz mit Informationen und Material, zwei, drei Tische allein mit Kräutergerichten. Christian verrät: „Unsere weitgereisten Musiker, die ja umsonst spielen, sagen über den Brunch, so etwas hätten sie noch nirgends gesehen und es überträfe alles. Der Kern ist meine Frau selbst. Bei den Helfern ist sie verschrien als perfekt. Aber sie lässt nicht locker, dirigiert das Herrichten, Zuordnen, Beschriften, manchmal gibt es darüber auch Krach.“
Als sie den Brunch ohne Schwein formulierten haben die Leute im Dorf „Um Gottes Willen gerufen!“ gerufen. Doch Karin blieb fest und eindeutig. Viele dachten, das ginge gar nicht, aber es geht. Es gibt leckere Aufstriche, Salate, Desserts, Eintöpfe, Kuchen, Truthahn … und es kommen immer mehr Konzerthörer in das kleine Dorf im Schorfheidewald. Da auch für sie die prächtige Tafel gedeckt werden will, werden 2013 Spendenbüchsen für das gute Essen aufgestellt, was wohl jeder verstehen kann.

Porträt-kl

Kontakt: Schulze-Hof, Kapper Dorfstraße 37, 16792 Zehdenick, OT Kappe, Telefon: 03307 315110; Förderverein: www.kapper-kirche.de

Views: 1507

Dorfgeflüster: Kleine Raben in der Heidekrautbahn

Als ich neulich in die Heidekrautbahn Richtung Groß Schönebeck stieg, traf ich Karin vom Schulze-Hof in Kappe. Während die Motessori-Kindergärtnerin gewöhnlich in einem tiefen Erschöpfungsschlaf heimwärts reist, wirkte sie mir an diesem Feierabend hellwach zu. Kaum, dass ich neben ihr auf so einem engen Doppelsitzer hockte, funkelte sie mich an: „Schau mal, was ich heute gemacht habe.“ Sie grub in ihrer großen Tasche und brachte ein ovales Schatzkästchen hervor, öffnete es vorsichtig und holte einen kleinen Raben hervor. Handgestrickt, vielleicht 8 bis 10 cm groß, mit einem blauen Schal. „Das ist Kräx.“ Dann folgte die nächste Schatzkiste: „Das ist Krox, du weißt schon, der mit dem rote Schal.“ Dann folgte ein Vogelhaus – „Die Rabengasse 2,  in der der Imker Lutz mit seiner Frau Petra wohnt.“ Zwei Handpuppen guckten dazu aus Wundertasche. Mir stiegen die Tränen in den Augen – vor Rührung. Denn Karin Schulze hatte aus einer meiner Winzling-Geschichten ein Puppenspiel gemacht und es gerade an diesem Tag aufgeführt – mit ungeteiltem Zuspruch – wie sie meinte. Und in der Heidekrautbahn hatte sie den auch, denn wer konnte, lauschte.
Das kleine Rabenbuch habe ich im Februar/März erfunden, also getextet, illustriert und nummeriert gut 100 Stück indes handgebaut. Es sind vier kurze Geschichten für ganz kleine Menschen. Sie hat ein Büchlein bei meiner Dorflesung gekauft und jetzt war es zwei Wochen später – alles passte wohl. So kann man heimwärts reisen … schön, nicht wahr?

Es ist diese kleine Geschichte, die sie aufführte:

Kräx und Krox

Vor ihrem Rabenkaten hocken die Schwarzröcke Kräx und Krox und krächzen ihr Morgenlied. Kraaar, Kraaar. Kräx ist heute nicht gut bei Stimme. Deshalb will er zum Imker fliegen, um ein wenig Honig bitten. Er wohnt in der Rabengasse 2. Der Imker sieht sofort, dass Kräx heilenden Honig braucht. Er gib ihm einen Löffel voll und spricht dazu: „Komm die nächste Woche jeden Tag vorbei und hol dir einen Löffel voll Honig ab, dann bist du wieder gesund.“

Die Frau des Imkers bringt noch einen Schal herbei, einen schönen Himmelblauen: „Der wird den wunden Hals gut warm halten“, sagt sie. Kräx dankt und fliegt nach Haus.

Als Krox den schönen blauen Schal sieht, wird er echt neidisch, sagt aber nichts. Er schleicht zum Imker und hustet wie wild vor seiner Tür. Der Imker stutzt, denkt sich seinen Teil, holt aber doch das Honigglas herbei. Er spricht zu dem Vogel, wenn du mir ein schönes Lied singst, bekommst du auch einen Löffel Honig. Krox vergisst vollkommen, dass er ja Husten hat und singt so fein er kann. Der Imker schmunzelt und sagt. „Na, einen echten Husten hast du kaum, sonst könntest du nicht so wunderbar krächzen. Aber weil Honig einfach gesund ist, sollst du auch ein bisschen davon haben.“

„Und einen Schal bekomme ich nicht dazu?“ fragt Krox ganz enttäuscht, und die Frau des Imkers schüttelt den Kopf und schimpft leise: „Wer sich verstellt, bekommt nicht eine einzige Masche von mir gestrickt.“

Krox fühlt sich ertappt und flattert beschämt davon.

Nun trug es sich aber zu, dass ein kalter Ostwind durchs Land zog. Kräx hielt der Schal schön warm, aber Krox schlotterte. Da erbarmte sich die Frau des Imkers und strickte auch für Krox einen schönen wärmenden Schal. Den hing sie stillschweigend an den Zaum der jungen Raben. Als Krox ihn fand, war er sehr froh, dass ihm die Frau des Imkers verziehen hatte. Er band sich den schicken roten Schal um und sang vor dem Häuschen des Imkers sein schönstes Dankeslied. Und hinter der Gardine lächelten der Imker und seine Frau sehr versöhnlich.

Bühnenbild Kräx und Krox-kl        

Mein „Bühnenbildchen“ für meine Rabenlesungen im Atelier.

   Kinderlesung1-kl

Nachtrag zu: Kleine Raben in der Heidekrautbahn

Monate später. An einem Montagabend im Januar 2014 bin ich wieder mit der Heidekrautbahn unterwegs und treffe Karin. Sie kramt abermals in ihrer großer Tasche und hohlt eine kleine Geschenkkiste hervor. „Du wolltest doch so einen haben, nicht?“ Sie lächelt, und ich öffne die Kiste, da schaut mich dieser kleiner Strickrabe Kräx an … und der wohnt jetzt auch bei mir. DANKE Karin für das herzige Strickwerk!

Strickrabe Kräx, Handarbeit von Karin Schulze aus Kappe
Strickrabe Kräx,
Handarbeit von Karin Schulze aus Kappe

Views: 2695