Das Schneeglöckchenlicht

„Wo die Schneeglöckchen blühen, wohnt das Licht,“ sprach die Mutter ins Winterdunkel der Hütte. Sie war schwermütig, darum bat sie ihr Töchterchen, es möge doch in den Wald gehen und ihr ein paar dieser strahlendweißen Blüten bringen. Das Mädchen schlüpfte in seinen Mantel und stiefelte auf einem verschneiten Weg in den Wald.  Es war Februar und ein klirre-kalter Tag. Hinter dem dunklen Tannenwald öffnete sich ein Auenwald mit Eschen und Erlen. Es gab keinen festen Weg durch die morastige Senke. So stieg und rutschte das Kind über gefallene Bäume, um an einen Schneehang zu gelangen, der heller als die anderen Schneefelder am Horizont leuchtete. Raben kreischten im Wolkengrau. Dem Mädchen war es unheimlich zumute, aber es wollte unbedingt der Mutter diese zarten Glöckchen bringen, die mit so viel Lebensenergie der Winterkälte trotzten. Flocken fielen und überzuckerten das Moor, das nun wie unberührt wirkte. Die Tierspuren verschwanden und langsam auch die Furcht des Kindes. Doch das war voreilig. Umso näher es dem Schneehang kam, desto lauter vernahm es ein bedrohliches Knurren. Und schließlich sah das Mädchen, woher es kam: Wölfe patrouillierten vor dem Hang. Wie sollte sie nur an ihnen unbeschadet vorbeigelangen? Für einen Moment stand das Kind wie angefroren, als eine Schleiereule über ihr schwebte und rief: „Was wagst du dich an diesen gefährlichen Ort? Die Wölfe werden dich zerreißen, wenn du weitergehst. Sie sind die Wächter der zarten Schönheit und lassen niemanden zum Schneeglöckchenlicht. Würden sie es nicht beschützen, es wäre längst geplündert.“
Das Mädchen war vollkommen ratlos. Das sah die Eule und landete vor dem Kind. Es erzählte vom Wunsch der kranken Mutter und die Eule befand: „Ja, wenn das so ist, dann halte dich an meinen Schwingen fest, ich kann dich lautlos über die Wölfe tragen.“ Sie schwebten unbemerkt wie ein Hauch. Als die Eule das Kind am Schneehang absetzte, waren beide verzaubert von dem herrlichen Leuchten. Tausende Blütenköpfchen streckten sich aus dem Schnee und verströmten einen milden Honigduft. Als das Kind ganz verzückt eine Blüte pflücken wollte, trat ihm eine strenge Glöcknerin entgegen: „Tu‘ das nicht! Du nimmst dem Schneeglöckchen das Leben!“  „Oh, das will ich auf gar keinen Fall“, sprach das Mädchen erschrocken, „aber wie soll ich sonst meiner schwermütigen Mutter das Schneeglöckchenlicht bringen?“ „Mit der ganzen Pflanze,“ antwortete die Glöcknerin und gab ihr drei Glöckchen mit bewurzelter Zwiebel. „So kannst du sie ihr bringen. Suche eine feuchte, fruchtbare Stelle in eurem Garten und pflanze sie dort ein. Sie werden sich vermehren und euch Jahr für Jahr das Schneeglöckchenlicht schenken, das den Trübsinn vertreibt.“

© Petra Elsner, 2. Klausur-Text, 2. Februar 2023, Lichtmess

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Morgenstunde (449. Blog-Notat)

Für die meisten Menschen ist Weihnachten schon am 27. Dezembers vorbei. Bei  anderen bleibt der Christbaum so lange im Haus, wie es nur irgend geht, denn die Weihnachtszeit dauert eigentlich noch viel länger. Mindestens bis die Sternsinger da waren oder gar bis zum 2. Februar mit „Maria Lichtmess“. Nach dem Buch „Wunderweiße Zeit“ von Dr. Lutz Libert reicht die Weihnachtszeit vom Martinstag bis Lichtmess. Und ehrlich, diese Ansage kommt meinem Gespür am nächsten.  Er schreibt zu Maria Lichtmess u.a. „An diesem Tag endete, die Arbeit bei Kerzenschein und die Vorbereitung auf die Tätigkeiten im Frühjahr begann… Weihnachtskrippe und Herrnhuter Stern werden … wieder verpackt, damit endet der liturgische Weihnachtszyklus…“ Man kann das Lichterspiel also noch reichlich genießen, wenn man will, für mich ist es Teil der Dunkelzeit. Das leuchtende Buch im Atelierfenster hat mir übrigens meine Zeuthener Uraltfreudin Dagi zum Fest geschenkt. Jetzt hat es einen würdigen Platz gefunden… DANKE, es passt zu mir 😊.

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