Morgenstunde (261. Blog-Notat)

In diesen dunklen Winterabenden spüre ich steinerne Müdigkeit, die immer einer Zeit folgt, die keine Spielstunden, sondern nur Pflichten kennt. Das Radio spuckt wie jeden Tag Horror-Monster und Wortgeister aus und lässt sie durch meinen Kopf schwirren. Doch sie verschwinden mit der Zeit, weil sie spurlos überschrieben werden von immer neuen Desastern. Wir können sie nicht alle in unseren Erinnerungen halten, die Last wäre einfach zu groß. Neues Leid überzeichnet altes, bis es sich verflüchtigt und unsichtbar wird. Wir haben in unserer Menschengeschichte keine Erfahrungen mit so einer monströsen Nachrichtenfülle, die sich täglich über uns ergießt, wie ein Vulkan, der Elend und Katastrophen speit. Er behindert freies Denken und trübt unsere Wahrnehmungen. Wir sollten uns doch endlich in diesem Land zusammenfinden und die Brüche, die der Erbsünde unsrer Großväter folgten mit Verständnis überspannen und Verstehen. Den Blick schärfen dafür, worin die Teilung Deutschlands wurzelte. Nur dort, an diesem Punkt – der Stunde null 1945 entstanden die Risse durch Schuld und Sühne. Alles andere ist/war nur ein Nachspiel. Wir sollten an den Spätfolgen dieser Teilung gemeinschaftlich arbeiten, denn ein Teil bekam echt schlechte Karten und hält dieses Blatt noch immer. Und morgen beginnt ein neues Jahr. Ich kann nicht jubeln, denn in dieser Zeit wohnt so viel Schmerz und Unvernunft, so viel Hass und Ungnade und so wenig Zuversicht. Trotzdem wünsche ich Euch allen: Frieden, Hoffnung, Gesundheit, Liebe und Glück.

 

Ein Neujahrsmärchen von mir findet Ihre hier:

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