Morgenstunde (987. Blog-Notat)

Tag 24 in diesem Stützschuh. Freitag wurden die Fäden gezogen, was eine ziemlich unsanfte Zieperei war. Nun muss der Knochen einfach weiter Heilen, am 7. Oktober soll der Schuh abkommen. Die Zeit dehnt sich und sie ist ohne kreative Geistesblitze. Die kreativen Momente sind und waren es, die mich immer wieder aus irgendeiner Schwere gezogen haben, sie bleiben aus. Stattdessen – stille Leere. Wie verordnet. Ein dröges Hin und Her auf Rädern. Sowas gab es noch nie in meinem ganzen Leben. Wenigsten gelingt das tägliche Kochen, aber ich sehe die allgemeine Überforderung des Liebsten. Er hat diese Routine nicht, die täglich wiederkehrenden Verrichtungen zu bewältigen, ohne dass sie zum Maß aller Dinge werden. Irgendwann wird das hinter uns liegen.
Seltsamerweise fallen mir dieser Tage stets Bücher in die Hand, in denen die Kinder der Vertriebenen aus Schlesien, Böhmen und den Sudeten plötzlich über die späten Folgen reflektieren. Es geht mir auch so, zumal mein Sohn sich nun fragt, weshalb in manchen Familien kein Wohlstand gelingt. Dann muss ich ihm erklären, dass meine Großmutter ja „nur“ Weberin war. Ihre Lebensleistung steckte in ihrem Häuschen, dass sie zurücklassen musste. Ihr Mann kam mit TB aus dem Krieg und starb in einem Seuchenhaus 1949. Die Generation meiner Eltern gehörte aus purer Überlebensfreude zu so einer Feiergeneration, die alles immer gleich verprasste. Am Monatsende wurde es oft knapp, obwohl sie gute Berufe ausübten.  Mein Reichtum ist die Kreativität, ein anderes Erbe gab es in meiner Familie nie, es wird ausreichen…

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