Der Rabe mit dem Katzenschwanz

(Der Vorspann zu DAS KLEINEN RABENBUCH – Vorlesegeschichten, handgebunden): 

Hinter den Rabenbergen ist ein seltsamer Vogel gelandet. Im roten Frack, vor ein paar Jahren. Was er wohl suchte? Vielleicht gefielen dem Stadtvogel der Wald und die Wiesen, das flinke Döllnfließ und das Dörfchen mit den geduckten Häusern. Der schillernde Eisvogel brütet hier im Verborgenen, und das scheue Wild schleicht in der Dämmerung bis an die Gärten heran. Dann schlagen von den Höfen her die Hunde an. Sie wittern die nächtlichen Gäste. Den Vogel aber verjagte keiner. Er stand träumend in einem der Vorgärtchen und staunte die Zeit an. Im Frühjahr die Ankunft der Kraniche. Im Sommer die Blumenpracht und den Festumzug im Dorf. Im Herbst die Feuer und den Lichterglanz zu Weihnachten. All das inspirierte ihn und seine merkwürdige Verwandlung begann. Schwarz ist er, wie ein Rabe schwarz ist, aber was ist das Rote an seinem Hinterteil? Dort sitzt nicht eine einzige Feder, sondern ein wendiger Schwanz, den er sich ganz offenbar bei einer Katze geborgt hat. An dessen Ende steckt eine Pinselspitze. Tropfend von roter Farbe. Die braucht der Malerrabe für seine bunten Bilder und Geschichten, die er erfindet oder sich aus der Landschaft pflückt.

Mein Maler-Rabe Logo: P. Elsner
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Rabengeschichte (2)

Da es dort draußen stürmt und pladdert, ist heute mal wieder Gelegenheit eine kurze Vorlesegeschichte für unsere Kleinsten aus dem Ärme zu zaubern. Sie stammt aus meinem  „Das kleine Rabenbuch“ – eine nummerierte Handarbeit  für kindliche Ateliergäste:

Kolkmar & Kasimir

Raben sind schlaue Tiere. Sie können die Laute der Tiere nachahmen und foppen damit gerne Wanderer oder Pilzsucher. Der alte Kolkmar muhte am liebsten wie eine Kuh, und Kasimir heulte  täuschend echt wie ein Wolf. Abends erzählen sich die beiden Altvögel ihre Streiche, und krächzten dazu ein schönes Rabenlachen.
An einem Wintertag schwebte Kasimir hoch oben im Wolkengrau. Er segelte elegant im Wind, als er tief unten, am Waldrand, einen Holzdieb entdeckte. Kasimier wusste, dass der Wald dem Bauern Benno gehörte, aber der war auf dem Markt und konnte den Dieb nicht verjagen.
Da heulte Kasimir, wie ein Wolf den Mond anheult. Der Holzdieb erschrak. Er duckte sich, als wollte er sich nur verstecken. Doch nun knurrte der Rabe sehr bedrohlich. Der Mann ließ das Holz zurück und rannte augenblicklich davon.
Am Abend erzählte Kasimir seinem alten Freund, wie er den Holzdieb in die Flucht geschlagen hatte.  Die Vögel lachten ein tiefes Kraa-Kraa.
Kolkmar meinte dann: „Aber mein Scherz mit den Hühnern war auch ganz gelungen. Die haben seit Tagen schlechte Laune, weil ihr Hahn ausgeflogen und nicht wiedergekehrt ist. Da hab ich von der Tanne gekräht, so ein richtiges Guten-Morgen-Krähen, und die Hühner sind ganz aufgeregt durch ihr Gatter geflattert. Doch so sehr sie auch gackerten, kein schöner Hahn war zu entdecken. Weil das Krähen aus der Tanne kam, folgten sie schließlich dem Laut und flatterten ungeschickt hinauf in den Baum. Da hocken sie immer noch wie Kugeln an einem Weihnachtsbaum.“
„Ganz schön frech!“, krächzte Kasimir lachend. „Ja“, antwortete Kolkmar, „aber sehr witzig, findest du nicht auch?“ Und die Altvögel nickten listig.

Kolkmar Zeichnung Petra Elsner
Kolkmar
Zeichnung
Petra Elsner

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