Die Wunderbuche

Ein Märchen für die Woche ist eins meiner Schorfheidemärchen. Das muss ein paar Tage reichen, ich ersaufe gerade in Arbeit…

Die Wunderbuche:

Croll. Zeichnung von Petra Elsner
Croll. Zeichnung von Petra Elsner

Der kleine Druide, den der verfehlte Liebesschrei eines Einhorns ins Wanderland holte, war ein besonders emsiger. Schon im März schwebte er mit den goldenen Wolken der Haselnusspollen durch den Heidewald. Er liebte diesen Hauch von Glamour. Croll war kein heiliger Druide, sondern ein seltsamer Waldschrat, der mit den Bäumen sprach. Gern versteckte er sich hinter einer Blättermaske, denn Croll war nicht besonders gesellig. Selbst die wispernden Stimmen der Baumfeen störten ihn. Was jene aber nicht daran hinderte, über seine viel zu großen Ohren zu lästern, in die Croll, wenn es ihm zu viel wurde, demonstrativ kleine Früchte als Schalldämpfer steckte. Ansonsten aber lebten die Tiere und Gespinste einträchtig beieinander zwischen den tiefen Senken und den welligen Sandern.

Croll wohnte in der mächtigsten Buche im Wanderland. Wo sie stand, entfalteten sich im April Blütenteppiche aus unzähligen Buschwindröschen. Aber mit dem frischen Austrieb des Blätterdachs begann die Dämmerzeit unter den Buchen. In diesem Schattenlicht wuchsen die Träume und segelten die Fledermäuse.

Crolls Buche war älter als die üblichen Hundertjährigen. Sie thronte schon gut 300 Jahre auf einer Düne östlich des kleinen Pinnowsees. Ihr Stamm sah aus, als wäre er aus einem verschlungenen Baumbündel gen Himmel gewachsen. Über 30 Meter hoch wand sich ihr silbriges Rindenkleid, umweht vom glasigen Blattschleier. Dort oben, in den Wipfeln, erntete Croll immer im Mai rehbraune Knospen. Wozu er sie benutzte, blieb sein Geheimnis.

Und es war nicht alles, was er behütete, denn Croll war eben auch der Wächter der größten Buche der Schorfheide*. Am liebsten lauschte er ihrem Geflüster nachts, denn dann raunte ihm der mächtige Urwaldriese seine Weisheiten zu: Welche Bäume Kraft spenden und welche Kraft rauben. Die alte Buche war gewissermaßen Crolls Meister, durch sie wurde er zum einzigen Kräuterkoch, der jene magische Essenz, die allen guten Zauberwassern innewohnt, inszenieren konnte. Und weil dem so war, kamen alle Naturwesen mit dem ersten Frühlingslicht zu ihm.

Doch dieses Jahr war alles anders. Der Nebel hing fest zwischen den Stämmen und das rostrote Laub rollte sich auf dem kalten Waldboden. Die Frühlingswinde, die den Frost verwehen sollten, wollten einfach nicht kommen. Längst war es Mai und immer noch wuchs die Dürre in der Buche. Überall knackte es in der Rinde, als wollte sie reißen. Jeder weitere eisige Tag ließ den Baum Stück um Stück sterben. Es musste etwas geschehen.

Croll durchforstete all seine Kräuterhöhlen. Irgendwo hatte er diese Notration deponiert. Als er das Pulverdöschen schließlich fand, hockte er ratlos auf einem Ast und grübelte: Die magische Essenz wird es dieses Jahr nicht mehr geben, aber er könnte mit diesem kleinen Rest seinen Baum erretten. Dann aber blieben alle Waldgeister ohne Zauber. Was sollte er nur tun? Wieder platzte die Baumhaut seiner Buche etwas weiter auf. Und es war Croll, als hörte er seine Freundin vor Schmerz stöhnen. Da gab es kein Fragen mehr. Croll sprang auf, entzündete ein Feuer und kochte darüber ein schwarzes Mus, dem er zu guter Letzt das Pulver beigab. Mit dieser Masse bestrich er hauchdünn seinen Baum. Das dauerte mehrere Tage und Nächte, aber unter jedem Pinselstrich hörte Croll junges Leben atmen und das machte ihn sehr froh.

Ende Mai ging endlich der Frost und die Waldgeister kamen zu dem Druiden in der Buche, um sich etwas von jener Substanz zu holen. Croll zog die Zipfel seiner leeren Taschen aus den Hosen: „Die Ernte ist erfroren, ihr könnt erst nächstes Jahr wieder kommen.“ All die kleinen Zauberwesen standen steif und stumm. Wie sollten sie nun das Wanderland erwecken? Da reckte sich und ächzte plötzlich Crolls Buche. Aus ihrer Rinde perlten schillernde Lebenstropfen, die in die grünen Flakons der kleinen Feen und Kobolde schlüpften und wo sie auf den Boden fielen, erblühte augenblicklich das Land zwischen den zwei schnellen Flüssen. (pe)

(* Silkebuche ist der reale Name dieses Baumes)

(Aus meinem Buch „Schattengeschichten aus dem Wanderland“ – Schorfheidemärchen, erschienen 2010 im Schibri-Verlag ).

Neu erschienen: 2018 bei der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Schwedt an der Oder als Märchensammlung (30 Texte) unter dem Titel „Die Gabe der Nebelfee“

Spende? Gerne!
Hat Ihnen diese Geschichte gefallen? Vielleicht möchten Sie mich und mein Schaffen mit einem kleinen Obolus unterstützen? Sie können das ganz klassisch mit einem Betrag Ihrer/Eurer Wahl per Überweisung tun. Die Daten dafür finden sich im Impressum. Dankeschön!

Die Gabe der Nebelfee

Ariella, die Nebelfee Zeichnung: Petra Elsner
Ariella, die Nebelfee
Zeichnung: Petra Elsner

Im Schutze des Berges, wo das Ufer des Werbellinsees ein Stück zurück tritt, lag das kleine Hüttendorf noch im tiefen Schlafe. Nur der junge Fischer Jakob dümpelte schon im Morgengrauen bei seinen Reusen. Die Vögel begannen gerade zu zwitschern, als sich ein kalter Hauch über den See kräuselte, auf dem ein blasser Schatten ritt. Die Vögel hielten inne, während Jakob erschrocken aufsah. Es war Ariella, die Nebelfee, die er fürchtete und zugleich verehrte. Kalt lächelnd legte sie einen mächtigen Wels in seinen Kahn. Die Eule auf ihrer Schulter schrie unheilvoll und flog sodann davon. Jakobs Augen folgten dem weißen Vogel, aber als er seinen Blick zurückwandte, war Ariella lautlos im Nichts entschwunden. Die leichte Brise verwehte die letzten Schleier ihres Kleides und trug murmelnde Stimmen mit sich: „Nimm ihn nicht, nimm ihn nicht, sonst holt sie dich.“ Aber der Fischer konnte dem großen Geschenk nicht widerstehen und ruderte so schnell er konnte zurück an Land.

Es war schon der zweite große Fisch, den er auf diese Weise bekam. Im Dorf prahlte der junge Mann, wie tollkühn er den Wels dem Wasser entzog. Kein Wörtchen verlor er über die Gabe der Nebelfee. Die Altfischer munkelten zwar manches, aber Jakob galt fortan als begnadeter Fänger. Drei Tage aß das ganze Dorf von dem riesigen Wels und ließ den Fischer beim Weine hochleben. Der Heidereiter, der große Verkünder von Recht und Ordnung, bot ihm sogar seine schöne Tochter zur Frau. Jakob sonnte sich in seinem Glück und freute sich auf die Aussicht einer guten Partie. Doch tief in seinem Inneren wusste er, sein Herz gehört schon einer anderen, aber der Fischer schwieg. Der Sommer kam und es sollte Hochzeit gehalten werden. Alles, was das Wanderland zu bieten hatte, lagerte schon für das Festmahl in den kühlen Erdspeichern: Edles Wild, feinste Pilze und Waldbeeren, Fliedersekt und Lindenhonig, es fehlte nur noch ein stattlicher Fisch.

Jakob ruderte in aller Frühe seines Hochzeitsmorgens auf den Werbellin und warf gerade sein größtes Netz aus, als die Sonne ihr Gold in den See goss, der augenblicklich zu dampfen begann. Aus dem Dunst wuchs Ariella heran, weiß-blass und hundertmal schöner als seine Braut. Die Fee trug einen Seerosenkranz und hielt einen prächtigen Hecht in den Händen. Jakob schaute entrückt auf das schimmernde Bild. Er sah nicht den Fisch, es war die bezaubernde Gestalt der Nebelfee, die ihn berauschte. So merkte er nicht, wie der Hecht aus ihren Händen in seinen Kahn flutsche, und er im gleichen Moment von einer milchigen Wolke umfangen wurde. Ohne ein Wort und vollkommen lautlos verschwand Jakob in den Tiefen des Wassers. Sein Kahn strandete mit Hecht, doch ohne Fischer am Ostufer des Werbellins.

Seit jenem Tag saß des Fischers Braut an dieser Stelle und weinte. Sie weinte Tage und Wochen so viele Tränen, dass der See über seine Ufer zu treten drohte. Da sprach ein alter Fischer zu der Trauernden: „Verwinde deinen Schmerz, kleine Frau, der Jakob ist der Nebelfee verfallen und damit dem schönen Schein. Der hockt jetzt in ihrer Dampfküche und erntet nichts als Rauch. Du aber kannst leben und musst nicht einem Phantom am Grunde des Sees dienen.“

Die Worte des Altfischers trockneten die Tränen der Braut, die sich alsbald einen anderen Mann nahm. Nur manchmal, wenn die Nebel über das Land wallten, dachte sie noch etwas wehmütig an den jungen Fischer, der jetzt für Ariella im See die Dunstsuppe kochte. Er steht dort noch immer im schlammigen Grund. Ruhelos rührt er, und mit ihm noch viele andere Nebelknechte, die sich die Fee mit jeweils drei Fischen von den Seen und Flüssen des Wanderlandes pflückte, in einem gewaltigen Trog den milchigen Schein.

(Aus meinem Buch „Schattengeschichten aus dem Wanderland“ – Schorfheidemärchen, erschienen 2010 im Schibri-Verlag ).

Neu erschienen: 2018 bei der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Schwedt an der Oder als Märchensammlung (30 Texte) unter dem Titel „Die Gabe der Nebelfee“

Spende? Gerne!
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Im Mai

Festliche Vogelbeere
Festliche Vogelbeere

Ich frage mich schon seit Jahren, wer auf die Idee kam, die Tage der offenen Ateliers im  1. Maiwochenende zu platzieren. Die Natur ist da gewöhnlich noch so zart, so dass man jede Blüte einzeln begrüßen möchte. Eine Woche später platzt das Grün. Das Gras ist mindestens 10 Zentimeter gewachsen (ich will nicht schon wieder mähen 🙁 ). Tja, aber die Kunstaktion ist eben eingeführt und wird sich nicht mehr schieben lassen.

Gartenblicke aus der 1. Maiwoche
Gartenblicke aus der 1. Maiwoche

Heute kommt eine Gruppe ins Atelier, die in der Schorfheide feiert und sich mich gewissermaßen als kleinteiliges Walddorferlebnis wünscht. Man kann sich im Atelier umsehen und ich lese anschließend 45 Minuten aus meinen Schorfheidemärchen. So etwas kann man bei mir buchen (Lesehonorar pro Besucher 5 Euro), geht aber nur bei trockenem Wetter oder die Gruppe ist nicht größer als 10 Zuhörer.

… Ein paar Stunden später: Das Lesepublikum sortiert sich  …

Lesegäste im Quartier am 12. Mai 2015
Lesegäste im Quartier am 12. Mai 2015

Regensonntag

Märchenstelen im Lesegarten - bei schönem Wetter zu sehen. Foto: Petra Elsner
Märchenstelen im Lesegarten – bei schönem Wetter zu sehen. Foto: Petra Elsner

Es ist schon der zweite Regensonntag nach den offenen Ateliers. Da kommt kein Mensch in den nassen Schorfheidewald, und ich brauche nicht die Märchenbahnen in die Stelen zu hängen. Auch schön, mach‘ ich halt mal Pause ….

Der kleine Zeremonienmeister hat Pause ... Foto: Petra Elsner
Der kleine Zeremonienmeister hat Pause … Foto: Petra Elsner

Regionales Lesefutter von Petra Elsner
Regionales Lesefutter von
Petra Elsner

 

Über die Lesung im Jagdschloss…

Heute ist diese Besprechung (siehe Link) in der Märkischen Oderzeitung in den Lokalausgaben Eberswalde und Bernau zu finden. Bis auf die Tatsache, dass der Schreiber mein Büchlein „Schattengeschichten aus dem Wanderland“ zur Langzeitarbeit gemacht hat (wo immer er das hergenommen hat, denn es ist bereits 2010 und indes in der 2. Auflage erschienen) ist das klasse und sehr wohlwollend geschrieben … DANKE.

http://www.moz.de/heimat/lokalredaktionen/eberswalde/artikel4/dg/0/1/1249992/

Cover
Cover

Lesenachmittag im Jagdschloss

Petra Elsner liest im Jagdschloss. Foto: Lutz Reinhardt
Petra Elsner liest im Jagdschloss.
Foto: Lutz Reinhardt

Es war wunderbar, jedenfalls für mich, denn diese Geschichten passen wie Faust auf’s Auge in dieses schöne Quartier. Etwa 60 Besucher hattem am Samstag meine Schorfheidemärchenlesung im Kaminzimmer des frisch renovierten Jagdschlosses in Groß Schönebeck besucht. Einige kamen verspätet, so dass zu guter Letzt noch Klappstühle reingestellt wurden. Am Ende erhielt ich eine Einladung des Hauses, diese Lesung im nächsten Winter an selber Stelle zu wiederholen. Was will man mehr? Allen, die sich zu mir aufgemacht haben, sei herzlichst gedankt.

Bei der Lesung am 22.Februar 2014 im Jagdschloss. Foto: Lutz Reinhardt
Bei der Lesung am 22.Februar 2014 im Jagdschloss.
Foto: Lutz Reinhardt

Der Wolf und der Zaunreiter

Eine Leseprobe aus meinen Schattengeschichten:

In den Bäumen schwiegen die Vögel, und der Wald färbte sich tiefschwarz, als entlang des großen Zaunes ein Reiter seinem Pferd die Sporen gab. Er kam vom Fluss im Osten und wollte längst an der westlichen Waldkante sein, denn er fürchtete sich vor dem Beutezug der Wölfe. „Hoh, hoh“, trieb er seinen müden Gaul an. Schnee stiebte auf, und verholzte Zweige brachen darin und scheuchten einen Wolf aus seiner Deckung. Der Einzelgänger sprang über den Pfad, das Pferd scheute, und der Zaunreiter fiel.
Als der Mann wieder zu sich kam, fühlte er ein warmes Fell an seinem Bauch und einen flachen Atem. Entsetzt erkannte er den Wolf, dessen Blut sich mit seinem im Schnee mischte. Das Herz des Mannes trieb die Angst an, doch der Wolf schaute nur mit unscharfem Blick auf, dann leckte er die Wunde des Reiters. Lange lagen sie so schweigend unter den Sternen und wärmten einander.
Auf einmal fragte der Wolf mit dünner Stimme: „Warum wachst du über diesen mächtigen Zaun?“
„Damit das Wild nicht auf die Äcker des Nachbarfürsten springt.“
„Verstehe, wir sollen nur deinem Fürsten in die Lappen, Netze und Fallen gehen“, raunte das Tier. „All die Hirsche, Rehe, Auerochsen, Elche, Wisente, Bären, Schwarzkittel, Luchse und wir Wölfe sollen diesem einen Fürsten gehören? Auch die Otter, Biber, Kraniche, Reiher und die Adler hoch in den Lüften über den Luchen und Mooren?“
Der Mann nickte nur stumm und dachte, es sind immer die mächtigsten Fürsten, die den großen Wald des Wanderlandes beanspruchen. Er hatte sich etwas gesammelt und riss nun aus seinem Hemd zwei Streifen. Damit verband er den blutenden Lauf des Wolfes und seine eigene Schulterwunde. Er wusste, hätte sich der Wolf nicht zu ihm gelegt, wäre er längt erfroren. Und doch konnte er kaum glauben, was ihm widerfahren war.
„Fürchtest du dich noch?“, fragte der Wolf. Der Mann schüttelte verlegen seinen Kopf. „Warum auch, ich jage keine Menschen, aber vor dem Bären solltest du dich in acht nehmen. Das Märchen vom Menschen fressenden Isegrim hat der Fürst erfunden, damit ihr nicht seinen Wald plündert und immer hübsch auf dem vorgeschriebenen Wege bleibt.“
Der Zaunreiter staunte, und dachte bei sich, dass könnte so sein. Die Worte des Wolfes stutzten endlich dem Schrecken dieser Nacht die Flügel.
Das Pferd war unterdessen in das Dorf des Zaunreiters getrabt und alarmierte die Bauern, Köhler und die einfachen Zaunläufer. Ihre Fackeln leuchteten indes wie ferne Irrlichter in der Nacht. Der Wolf witterte schon zeitig ihr Herannahen, aber vom Blutverlust geschwächt, konnte er sich nicht erheben. Der Zaunreiter spürte jetzt die Angst des Wolfes. „Fürchte dich nicht, ich werde dich beschützen, flüsterte er ihm müde ins Ohr.“
Als die Männer des Dorfes den Verunglückten endlich fanden, schliefen der Zaunreiter und der Wolf friedlich eng beieinander. Ungläubig und mit angstvollem Blick sahen sie auf das Bild, als Mann und Tier sich regten. Der Zaunreiter legte den Arm um den Wolf und stöhnte: „Er ist mein Retter und bleibt unbehelligt.“
Die Männer murrten, aber hievten dennoch Mann und Tier auf ein Pferd. Der Zaunreiter war als Grenzgänger angesehen im Dorf und seine Meinung zählte. Und so kam es, dass bald niemand mehr sich vor dem Wolf fürchtete.  Als das Tier gesund war, entließ der Mann es wieder in den Wald. Aber jeden Tag wartete fortan der Wolf am Waldrand auf den reitenden Wächter und begleitete ihn treu auf seinem Grenzpfad fad zwischen den Flüssen.

(Aus meinem Buch „Schattengeschichten aus dem Wanderland“ – Schorfheidemärchen, erschienen 2010 im Schibri-Verlag ).

Neu erschienen: 2018 bei der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Schwedt an der Oder als Märchensammlung (30 Texte) unter dem Titel „Die Gabe der Nebelfee“

PS: Weil oft falsch verstanden, noch einmal erklärt:
Meine Schorfheidemärchen sind KEINE Sammlung aus der Welt der Sagen, sie sind meine literarischen Erfindungen – der Zeit und der Landschaft abgelauscht.

 

Schorfheidemärchen für Alt und Jung im Jagdschloss

Petra Elsner liest, Foto: Lutz Reinhadt
Petra Elsner liest,
Foto: Lutz Reinhadt

Groß Schönebeck. Im stilvollen Kaminzimmer des Jagdschlosses Groß Schönebeck wird es am es 22. Februar 2014 romantisch. In meiner Lesung möchte ich die Besucher ab 15 Uhr in eine verzauberte Waldmächenwelt entführen, die man/frau durchaus hinter dem Groß Schönebecker Portal zur Schorfheide finden könnte: Knorrige Baumgestalten, wie sie hinter Schluft am Kurtschlager Damm stehen, geben die Protagonisten zu meinem Kurzkrimi „Die Geistereichen“. „Der Hasenräuber“ schleicht auf leisen Sohlen über den Groß Döllner Koppelberg, um nach seinem Fang zu sehen, und erzählt dabei von Häschern und der Not in den Walddörfern – vorzeiten. Und „Der Alchimist und der Herr der Tautropfen“ erinnert, wie einst das Waldglas gewonnen wurde. Detailgenau und doch märchenhaft verwoben. All diese literarischen Fiktionen könnten auch wahr sein, denn ich bin vor dem Schreiben meiner „Schattengeschichten aus dem Wanderland“, tief in die Geschichte der Schorfheide eingetaucht.

Seit 2008 lebe ich in dieser herrlichen Landschaft und das kam so: Vor gut sechs Jahren, als mein Liebster und ich planten von Berlin aufs Land ziehen, sah ich einen TV-Bericht über die Schorfheide. Er endete im nebelverhangenen Dünenland vor Groß Schönebeck. Dieser Anblick stach mir mitten ins Herz und ich wusste sogleich, in diese Gegend muss ich. Als wir das kleine alte Kurtschlager Haus im Januar 2008 belebten, hing der Nebel bis vor die Haustür und ich dachte, es ist das Revier der Nebelfee. Damit war im Geiste die erste Figur zu den „Schattengeschichten im Wanderland“ erschienen. Aber es musste ein weiteres Jahr vergehen, bevor ich im Winter 2008/09 an den Schattengeschichten zu schreiben begann. Im Ankommen fiel mir auf, das in dieser nordwestlichen Region der Schorfheide kaum regionale Sagen oder Märchen existieren. Die meisten Dörfer sind einfach „jung“, etwa 260 Jahre alt, also wollte ich für die hier lebenden Menschen stimmige Märchen erfinden. Dafür suchte ich nach den Farben und Gestalten dieser Landschaft und fand beispielsweise die Zaunreiter. Es gab sie wirklich. Etwa um 1590 begrenzte das Gebiet oberhalb von Groß Döll, Reihersdorf und Friedrichswalde ein großen Wildzaun (von der Havel bis zur Oder). Als dieser Zaun um 1665 -1670 erneuert werden musste, entstanden unter dem Großen Kurfürsten kleine Orte (Grunewald, Groß Väter, Bebersee) als Ansiedlung von Zaunsetzern. Der Wildzaun wurde von Zaunreitern und Zaunläufern bewacht. Aus diesen historischen Fakten und der modernen Wolfsauffassung des Wildparks Schorfheide wuchs meine Geschichte „Der Wolf und der Zaunreiter“ als eine von 12 solcherart Erfindungen. Mir ging es in diesen fiktiven Geschichten darum, eine Traumlandschaft mit realen Wurzeln zu inszenieren und ein Landschaftsgefühl zu verströmen.

Der Märchenfreund (von 8 bis 108) kann sich also am 22. Februar 2014 ab 15 Uhr im Jagdschloss Groß Schönebeck auf eine spannende Lesung mit regionalem Kolorit freuen. Das Vergnügen kostet 3 Euro Eintritt. Bereits ab 14 Uhr wird in der Touristeninformation Kaffee & Kuchen gereicht.

Karten und Infos unter: Touristinformation Groß Schönebeck, Schloßstraße 6, 16244 Schorfheide, Telefon 033393 65777

Die Märchenbäume der Schorfheide: Tote Eichen

Dieses Totholz steht zwischen Schluft und Kurtschlag am Kurtschlager Damm. Viele skurrile Baumgestalten finden sich hier. Diese alte Eiche könnte „die Riesennase“ sein, die in meinem „Schorfheidekurzkrimi“  mitspielt … hier eine Leseprobe:

Tote Eiche am Kurtschlager Damm, Foto: Lutz Reinhardt
Tote Eiche am Kurtschlager Damm,
Foto: Lutz Reinhardt

Die Geister-Eichen

In einer Vollmondnacht erwachten plötzlich die Blitzgetroffenen zu neuem Leben. Sie scharrten mit ihren losen Wurzeln und schauten einander staunend an: der brüchige Galgen, der schwere Mooshammer und die bucklige Riesennase. Dort, wo die Drei standen, an einem Kreuzpunkt über Wasseradern, wuchsen sie seit über 600 Jahren zu mächtigen Bäumen heran, die allerdings wie Blitzableiter wirkten. Unzählige Male durchzuckten ihre Stämme feurige Schläge, bis sie, gespalten und geköpft, leblos in den Himmel stachen. Ihr morsches Holz zog mit der Zeit ein Moosgewand an, und aus ihren Aststümpfen grinsten Geisterfratzen.
In jener Oktobernacht betrat ein Einhorn schnaufend die Lichtung. Sein Atem dampfte, und es tänzelte nervös auf der Stelle. Seit sieben Jahren kam der weiße Hengst stets in der ersten kalten Herbstnacht an diesen Ort, um nach einer Stute zu rufen, doch nie wurde er bisher erhört. Statt einer schönen Gefährtin holte sein sehnsüchtiger Schrei immer etwas Seltsames ins wirkliche Leben zurück: eine vergessene Blume, einen weisen Druiden, ein Elfenkäuzchen. Dieses Mal weckte er die toten Eichen…

weiterlesen bitte im Buch …
„Schattengeschichten aus dem Wanderland – Schorfheidemärchen“, 2. Auflage 2010, geschrieben und illustriert von Petra Elsner, 4-farbig, Schibri-Verlag, ISBN: 78-3-8686-040-4, 6 Euro

Die Märchenbäume in der Schorfheide: Die Silkebuche

Es gibt uralte Gesellen in der Baumlandschaft der Schorfheide. Knorriges Holz, dass die Fantasie beflügelt. Die berühmte Silkebuche inspirierte mich beispielsweise zu einem meiner Schorfheidemärchen. Hier ein Auszug:

Die Silkebuche Foto: Lutz Reinhardt
Die Silkebuche
Foto: Lutz Reinhardt

Die Wunderbuche

… Croll wohnte in der mächtigsten Buche im Wanderland. Wo sie stand, entfalteten sich im April Blütenteppiche aus unzähligen Buschwindröschen. Aber mit dem frischen Austrieb des Blätterdachs begann die Dämmerzeit unter den Buchen. In diesem Schattenlicht wuchsen die Träume und segelten die Fledermäuse.
Crolls Buche war älter als die üblichen Hundertjährigen. Sie thronte schon gut 300 Jahre auf einer Düne östlich des kleinen Pinnowsees. Ihr Stamm sah aus, als wäre er aus einem verschlungenen Baumbündel gen Himmel gewachsen. Über 30 Meter hoch wand sich ihr silbriges Rindenkleid, umweht vom glasigen Blattschleier. Dort oben, in den Wipfeln, erntete Croll immer im Mai rehbraune Knospen. Wozu er sie benutzte, blieb sein Geheimnis …

weiterlesen bitte im Buch …
„Schattengeschichten aus dem Wanderland – Schorfheidemärchen“, 2. Auflage 2010, geschrieben und illustriert von Petra Elsner, 4-farbig, Schibri-Verlag, ISBN: 78-3-8686-040-4, 6 Euro