Im Warten auf ein noch nicht gedrucktes Buch entstand 2009 meine Idee eines Lesegartens. Dort sind sonntags bei schönem Wetter im Sommerhalbjahr drei Schorfheidemärchenstelen, ein Lesepult mit Märchenblock, Gartenkieker und Sprüchevögeln als Bedenkangebote zu sehen, um zum Lesen im Grünen einzuladen. Es ist ein temporäres outdoor-Angebot für Atelierbesucher, die eigentlich zum Bildergucken gekommen sind. Jeden schönen Sommersonntag steige ich auf die Leiter und hänge die Textbanner in die Stelenrahmen. Bei trüben, stürmischen oder nassen Wetter fällt dieses Angebot aus. Wer will schon im nassen Gras sitzen und lesen?
Am kommenden Sonntag, dem 15. September, gibt es nachmittags keine Besuchsmöglichkeit. Ihr /Sie finden mich an diesem Tage auf dem Kunstmarkt beim Fest an der Panke in Berlin-Pankow.
Es war vor mehr als 200 Jahren. Kalter Ostwind blies am Morgen die letzte Schneewolke dieses Winters über den Groß Väter See. Elmer, der alte Zaunsetzer murrte, als er vor seine Hütte trat und nach dem Schneeschieber griff. Er war es wirklich leid. In zwei Tagen würde das Osterfest beginnen, und immer noch versteckte sich das Grün vor dem Frost. Er schob weiße Hügel zusammen und stöhnte missmutig dazu, als plötzlich dicht vor seiner Nase etwas vom Himmel fiel. Elmer bückte sich und sah, es war ein grünliches Ei mit braunen Sprenkeln darauf. Als er es in die Hand nahm, spürte er Wärme. Da trug der Mann das Ei in seine Stube, legte es auf die Ofenbank und ging dann seinen Verrichtungen nach. Elmer war wie seine Nachbarn in den Dörfern Grunewald, Beebersee und Friedrichswalde vom König als Zaunsetzer berufen worden. Der Mann hatte dafür zu sorgen, dass der große Wildzaun zwischen den uckermärkischen Feldern und dem Schorfheidewald nicht wieder verfiel. So zog er täglich aus, um nachzusehen, wo es etwas auszubessern gab oder neue Zaunteile zu fertigen waren. Als Elmer abends wieder sein Haus betrat, krächzte etwas ganz erbärmlich aus dem Dunkel. Der Mann zündete seine Laterne an und sah nun auf der Ofenbank einen nackten Vogel hocken, der gerade dem Ei entschlüpft war. Elmer rührte die klägliche Gestalt: „Na, Du willst wohl meine Osterüberraschung sein!“ Dann wickelte er das Küken in sein Taschentuch, ließ es vorsichtig in seine große Jackentasche hineinrutschen und hielt es warm. Und weil er sich am nächsten Morgen aus dem Groß Väter See noch einen Fisch zum Fest angeln wollte, hatte er auch einen guten Wurm für das Junge parat, welches er fortan Krax nannte. Wochen vergingen und das Küken wuchs zu einem prächtigen Raben heran. Der stolzierte heiter durch Haus und Hof. Sein Nest schwebte hoch oben in einer Eiche, von wo aus er weit über den See und den Heidewald schauen konnte. Näherte sich ein Wolf, ahmte er vom Himmel aus das Heulen des großen Beutegreifers nach, und sogleich brachte sich der Zaunsetzer in Sicherheit. Krax war ein ganz gescheites Tier. Nicht nur, dass er viele Geräusche und Rufe imitieren konnte, er half Elmer auch, den Wildzaun mit Reisig auszustopfen. Und so hatte der alte Zaunsetzer Hilfe und Gesellschaft. Den Menschen im Dorf aber war der Vogel unheimlich. Man munkelte, der Rabe über dem Groß Väter See sei ein Geselle der Finsternis und ein schlechtes Omen. Am liebsten hätte man das krächzende Tier vertrieben. Aber Elmer meinte immer nur, er sei ein österliches Himmelsgeschenk. Es solle sich niemand wagen, ihm etwas anzutun. Krax schüttelte sich die erste Herbstnacht aus dem Gefieder, bevor er zu einer eleganten Morgenrunde über den dunstigen See startete. Unter den Wolken stutzte der Vogel. Kein Rauch stieg aus Elmers Schornstein. Der Rabe stürzte sich abwärts und sah durch das Fenster seinen Freund am Boden liegen. Krax krähte entsetzt, so laut er nur konnte: „Helft Elmer!“ „Helft Elmer!“ Da liefen die Nachbarn herbei und kümmerten sich um den kranken Mann. Als der alte Zaunsetzer wieder bei Kräften war, wendete sich das Blatt für den schwarzen Vogel. Nicht, dass es fortan einfach Elmers kluger Rabe war. Nein, Krax galt nun als himmlischer Osterrabe. Es hätte ja auch ein Nachkomme des von Noah ausgesandten Vogels sein können. Jenem, der das neue Land erkunden sollte. Am Ende ist nur eines gewiss: Der erste Rabe, der am Groß Väter See landete, hatte sich einen der lauschigsten Plätze der Welt ausgesucht. Klar, kraa, kraa.
Dieses Märchen ist ein Schorfheidemärchen. Aber das Buch war schon geschrieben und produziert. Es ist gewissermaßen ein „Nachläufer“, der jetzt auf vermoostem Leinen im Zauberwald von Klein Dölln hängt und: Nun hat die Geschichte auch in „Das keine Rabenbuch“ einen Platz gefunden.
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Als Bernd Kanzow (50) sich im Dezember 2009 das Tagungszentrum der Wirtschaft, Hubertusstock 2, ansah, war ihm schnell klar, es würde nicht einfach sein, dem futuristischen Bau Leben einzuhauchen. Seiner Frau erzählte er von einem „Ufo im Märchenwald“. Knorrige Eichen blickten stumm auf den Ankömmling aus Hannover, der sich fasziniert im milchigen Dunst den Schorfheidewald grün vorstellte. Es gefiel ihm, was er tagträumte. Fortan besaß das „Ringhotel Schorfheide – Tagungszentrum der Wirtschaft“ einen neuen Chef. Einen, der nicht auf austauschbare Beliebigkeit, sondern auf Charakter, Charme und regionalen Touch setzt. Das ist durchaus gegen den Strom, denn die meisten Hotelketten vereinheitlichen ihr Erscheinungsbild und auch kulturelle Angebote sind oft zentralgesteuert.
Inzwischen ist Bernd Kanzow mit Frau und Tochter nach Prenden gezogen und zum Brandenburger geworden. Immer noch schwärmt er „Ich finde: Das Ringhotel Schorfheide ist ein superschönes Haus in einer Spitzen-Lage. Die hohen Fenster machen das Gebäude transparent. Jahreszeiten werden im Haus sichtbar. Es wirkt nie trüb, weil es mit und in der Natur lebt.“
Der nüchterne Stil entspricht durchaus der Art des gebürtigen Norddeutschen. Aber Kanzow spürte, „dem Haus fehlte die Seele.“ Das zu ändern, wurde zur Hauptthema für den gestandenen Hotelier. Jetzt wohnt in jedem der 55 Gästezimmer Hotelelch Hubert, ein wonniges Kuscheltier. Auf den Nachtischen laden Schorfheidemärchen zur Gute-Nacht-Geschichte ein. Unverwechselbare Details.
Die Wandelhalle hatte sich bei manchen Gästen den bissigen Spitznamen „Sing Sing“ erworben. Bernd Kanzow lacht schallend, nein, ein amerikanisches Zuchthaus solle man hier nie wieder assoziieren. Regionale Künstler kamen nun mit Dauerausstellungen ins Spiel. Ihre Bilder belebten auffällig den Ort und förderten zugleich die Kommunikation der Anwesenden. Derzeit dekorieren Banner mit Waldmotiven die Halle – warme Akzente, die aber nicht den klaren Stil des Hauses brechen.
„Mit dieser Belebung verändern sich auch die Zielgruppen“, verrät der Hotelier. „Plötzlich kommen Familien hierher, um Hochzeiten und andere private Feste zu feiern. Mit der Lage des Hauses, dem Park, der Nähe zum Werbellinsees und natürlich unserem Restaurant „Von Hövel“ mit Kamin, Bar und Terrasse – das passt hervorragend zu Familienvergnügen. Unterhalb der Woche buchen uns wie immer Seminar- und Tagungsgäste, das ist unser Hauptgeschäft.“
Darüber hinaus hat der Hotelchef eine bemerkenswerte Erlebniskultur entwickelt: In die eigens für Gäste geschaffene Kochwerkstatt wird zu Kursen und Kochaktionen eingeladen. Einzigartig ist das Geocaching auf Segways. Drei Stunden geht es dazu durch die Schorfheide. Man muss unterwegs Bogenschießen, Golfen, Rechenaufgaben lösen, Schätze finden. Aber auch das Restaurant bietet spannende Inputs: Reisen durch die Welt der Weine oder Cocktail-Kurse. Das spezielle Wissen vermittelt Kanzow höchst selbst. Auch einen Knigge-Kurs zauberte er aus dem Ärmel, darin geht es um das Auffrischen von guten Tischmanieren.
Womit auch immer der Gast dieses Vier-Sterne-Hauses überrascht wird, er wird vom Chef des Hauses oder seinem Assistenten persönlich geleitet. Das ist es, was die Gäste schätzen. „Klar, macht mir das auch Spaß mit einem Segway durch die Gegend zu düsen, aber darum geht es nicht, sondern um das sich kümmern“, erzählt der Überraschungskünstler. „Den Gästen einen persönlichen Kick geben.“ Und diese persönliche Betreuung ist nachhaltig, denn die Gäste sprechen darüber und kommen wieder. Für die Zukunft wünscht sich der Neu-Brandenburger: „Das die vielen Highlights der Region unter einem Dach gebündelt werden und nicht als kleine Königsreiche vor sich hindümpeln.“ Konzentriert für den guten Ruf zu arbeiten nennt er das und weiß, es wird noch etwas dauern.
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