Die Flades – Immer auf Augenhöhe unterwegs

Weil diese beiden Menschen so besonders sind, stelle ich im Nachtrag meinen Zeitungsartikel auch in den Blog Schorfheidewald ein:

Die Flades
In seiner letzten Predigt fand Stephan Flade Worte, deren Essenz Kraft für den nächsten Schritt geben. Kaum zu glauben, was das Paar alles in seiner kurzen Lebenszeit in der Schorfheide alles angeregt und inszeniert hat: Sommerausstellungen in der Winterkirche, Konzerte „Schorheideklänge“, den Kintopp und das Solidario-Lädchen, das Gedenken, der von den Nazis ermordeten Pfarrersfamilie Wagner, Treffen Pflegende von Denmenzkranken, Patenschaften für Geflüchtete u.v.a.m.
Foto: Lutz Reinhardt

Groß Schönebeck. Im Kirchgarten berührten sich am  Sonntagnachmittag des 21. Augusts sommerliche Leichtigkeit und die Bittersüße des Abschieds. Statt feierlichem Einzug in die Kirche: Stühle schleppen, wie immer zupackend – die Flades. Sechs Jahre und sechs Monate hat das Pfarrerspaar gezeigt, was möglich ist, wenn Mitmenschlichkeit gelebt wird. Wie aus der Zeit gefallen, gegen den Strom. Das ist anstrengend, und fast jeder fragt sich an diesem Tage, was sein wird in Groß Schönebeck, wenn diese beiden Menschenfischer nicht mehr den Karren ziehen und andere ermutigen mitzuwirken. Und sie, Annette und Stephan Flade, sorgen sich natürlich auch, ob ihre eingebrachte Energie nachwirken wird und nicht mit der Zeit zerbröseln.

All diese Fragen schwingen mit als um 14 Uhr der Abschiedsgottesdienst in der randvollen Immanuelkirche beginnt. „Singen, den Druck rauslassen, als Überlebensmittel!“ erinnert der Pfarrer in seiner letzten Predigt, was ihm in harter Gegenwehr half unangepasst in der DDR zu leben. In einer knappen Rückschau erzählt Stephan Flade von ihrem fast 40jährigen Wirken für den Glauben. Der Pfarrerssohn aus Pirna und die Bäckerstochter aus Wittenberge ergaben diese ungewöhnliche menschliche Legierung, die an einen antiken Urglauben erinnert: Männer und Frauen waren einst ein Kugelwesen, ein All-Eines, wie es kraftvoller nicht sein kann. Flade resümiert in seiner Zustandsbeschreibung aus den beiden Lebensläufen: „Und immer wieder laufen. Christ sein hat etwas mit olympischen Dimensionen zu tun. Dranbleiben, fit sein, Zeugnis ablegen.“ Er spricht von fairem Verhalten und dem aufrechten Gang durch die Zeiten. Die Erweckung durch den Prager Frühling. Er erzählt von Fluchthilfe und Widerstand und wie sie als Pfarrer und Pfarrerin um den Abbau von Standesunterschieden und  transparenten Strukturen in Pritzwalk und Babelsberg rangen. Immer in Reibung. Bescheiden resümiert er: „Das wenige, was wir tun konnten, haben wir getan.“

Während er weiter spricht, von ihrem Einsatz in Indonesien, ihrem erlebten  Fremdsein, ergießt sich draußen ein schweres Sommergewitter. Dramatische Unterstützung von oben. Gut, dass der Pfarrer auch ein Bauherr war und die Kirche ein neues, schützendes Dach bekommen hat. Die Worte führen nach Groß Schönebeck. „Mit Mühe und Offenheit haben wir unsere Rolle wahrgenommen. Den Rest kennen Sie – im Gebrauchen und Verbrauchen.“

Es folgten die sachlichen Dankesworte des Biesenthaler Pfarrers Christoph Brust. „Hand in Hand mit Deinem Schöpfer und den Gemeinden – das war Dein Credo.“  Dann ruft er Stephan Flade zu sich zur Entpflichtung. Die Gemeinde steht und hört: „Du bleibst berufen zu predigen, zu Taufen …, aber du bist nun auch frei von allen Diensten und Pflichten. Ich bitte Dich, nimm dieses Freisein auch an.“ Nach der Entpflichtung wird auch Annette Flade, die sich offiziell schon einige Zeit im Ruhestand befindet, dazu gerufen. Zur Gemeinde spricht Brust: „Achten Sie den Dienst dieser Beiden und beten Sie für sie in ihrem neuen Lebensabschnitt!“ Sichtbar ergriffen von dem Zeremoniell geht das Paar ab und in dem Gotteshaus ringt fast jeder mit den Tränen. Kein ergriffener Reflex, die versammelten Menschen spüren erstmals den Verlust und den Schmerz der Herzlichkeit. Mit jedem folgenden Grußwort verdichtet sich diese Emotion. In den Abschiedsworten wird das reiche Wirken des Paares für die Region deutlich. Bürgermeister Uwe Schoknecht hebt die gemeinsame Gründung des Bündnisses Bunte Schorfheide hervor und fasst zusammen: „Sie haben in der Schorfheide die Zivilgesellschaft gestärkt.“ Die Barnimer Sozialdezernentin Silvia Ulonska überbrachte  Grüße von Landrat Bodo Ihrke und stellt die engagierte und höchst kompetente Flüchtlingsarbeit von Annette Flade heraus, aber auch die Schaffung des Solidario-Ladens und die Arbeit für Menschen mit Demenz. Wissend, was für ein enormer Verlust der Wegzug der Flades sein wird, ringt sie bei ihrer Ansprache um Fassung.
Stellvertretend für die augenblicklich 42 Geflüchteten in Groß Schönebeck bedankten sich die Tschetschenin Zaynab Arsunkaeva und die Syrerin Iman Mohammed in deutscher Sprache bei Annette Flade für die Aufnahme und Betreuung. Für das Groß Schönebecker Willkommensteam verabschiedete ihr Sprecher Rainer E. Klemke: „Es gehen zwei Lotsen von Bord, die uns zu neuen Ufern geführt haben. Die uns Wegweisung gaben, wenn wir an gefährlichen Klippen zu scheitern drohten, die uns Trost gespendet und neue Horizonte eröffnet haben.“

Während sich das Wetter draußen lichtete und wieder pralles Sonnenlicht in den Kirchgarten fiel, schenkte der neue Kirchenchor dem Sangesbruder Stephan Flade ein flottes Liedchen, auf die Melodie des Schlagers „Amore“ gedichtet. Diese Heiterkeit nimmt die Schwere wieder aus dem Geschehen.
Es wurden an diesem Tag noch hunderte Dankesworte gesprochen. Nach dem Gottesdienst begann gegen 16 Uhr das schier unendliche Defilee der Kirchgemeinde und ihrer Gäste. Anderthalb Stunden lang schüttelten der scheidende Pfarrer und seine Frau Hände. Herznah, fröhlich, immer noch einen Rat den Mutlosen gebend, duldsam gegenüber dem Schwachen, Kranken und Alten.
Derweil ließ man sich im Garten zum Kaffeetrinken nieder, wie bei einem entspannten Sommerfest. Die Zerpenschleuser Kirchgemeinde gab noch ein Ständchen und zu guter Letzt ertönten die Jagdhörner der Schorfheider Jagdhornbläser. Adé Familie Flade.

Petra Elsner

 

 

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Landpartie als pralles Dorffest

Zeichnung: Petra Elsner
Zeichnung: Petra Elsner

Am Tag der offenen Höfe, dem 12. Juni, legte Groß Schönebeck ein einzigartiges Programm vor:

Historische Pflüge aus der Wiese des Bohm-Hofes. Fotos: Lutz Reinhardt
Historische Pflüge aus der Wiese des Bohm-Hofes.
Fotos: Lutz Reinhardt

Man konnte nicht wirklich alles wahrnehmen, was Groß Schönebeck zur  22. Landpartie zu bieten hatte. Das Dorf mit Bahnanschluss bot nicht nur offene Höfe, die traditionelle und supermoderne Landarbeit vorstellten. Der zweite Sonntag im Juni bot ein Erlebnis-Programm, das in seiner schönsten Üppigkeit und Qualität einzigartig war. Der Gast konnte zwischen 16 Stationen und 19 Ausstellungen wählen, was wohl das schwierigste war. Doch manche wollten wohl noch mehr und klingelten den Pfarrer um 10 Uhr vom Frühstückstisch hinweg. Eigentlich sollten die Turmbesteigungen erst mittags starten. Aber Stephan Flade ließ sich nicht lumpen, schloss die Kirche auf und schob eine Sonderschicht, bevor die Damen von der Offene Kirche die Kaffeetafel herrichteten. Gegenüber tobte da schon auf dem Lindenplatz das pralle Leben.

Unter alten Apfelbäumen auf dem Bohm-Kutschhof konnte man eine entspannte Kaffeezeit erleben.
Unter alten Apfelbäumen auf dem Bohm-Kutschhof konnte man eine entspannte Kaffeezeit erleben.

An jedem Stand duftete es anders nahrhaft. Kinder sprangen in der Hüpfburg oder fuhren ganz in Familie auf den Gruppenfahrrädern. Mittags startete auf der großen Bühne das große Unterhaltungsprogramm mit  den Schorfheider Jagdhornbläsern, Kirchenchor, das Duo Ron & Conny folgten. Allenthalben zogen rund um den Platz Oldtimer, Feuerwehrautos, Kutschen und Pferdewagen die Blicke auf sich. Man konnte einsteigen und sich zum nächsten Schauplatz kutschieren lassen. Beispielsweise zu Bohms Kutschenhof, der, wie schon in den Jahren davor, seine stolze Kutschen-, Wagen- und Pferdeschlitten-Sammlung präsentierte und das Leben auf einer traditionellen Hofstelle vorführte. Kuchen gab es vom Feinsten, da musste man schwach werden und alle Diätpläne über den Haufen werfen. Außerdem ließ es sich ganz wunderbar unter den großen Apfelbäumen verschnaufen. Dahinter auf der großen Wiese hatte Achim Bohm diesmal unzählige historische Pflüge und Gerätschaften aufgestellt. Bei dem Anblick wäre manch‘  Museumsleiter neidisch geworden. Bohm sammelt eben.

Der Musiker Ron (links) und der Pfarrer Flade (rechts).
Der Musiker Ron (links) und der Pfarrer Flade (rechts).

Neben seinen Antiquitäten platzierte die Schorfheider Agrar GmbH ihre großen Pflüge. Und dort startete stündlich die Feldrundfahrt, bei der die Experten ihre Anbaustrategie erklärten.

Andreas Heusinger mit seinem Stargast Gabi Seifert, ehemals Eiskunstläuferin.
Andreas Heusinger mit seinem Stargast Gabi Seifert, ehemals Eiskunstläuferin.
 Rockmusikerin Suli Puschban (rechts) mit Freunden auf dem Heusinger-Hof. Die Wienerin lebt heute in Berlin und ist oft zu Gast bei „Privatkonzerte“ in Groß Schönebeck.
Rockmusikerin Suli Puschban (rechts) mit Freunden auf dem Heusinger-Hof. Die Wienerin lebt heute in Berlin und ist oft zu Gast bei „Privatkonzerte“ in Groß Schönebeck.

Ein paar Schritte weiter, auf dem Heusinger-Hof, war die meterbreite Pfanne mit Bratkartoffeln  rasch geleert. Nun konnten die Besucher zwischen Bürgel- und Schorfheidekeramik der wunderbaren Rocksängerin Suli Puschban lauschen.

Renate Heusinger und Lisa Westermann boten indes leckere Kuchen  an. Während Andreas Heusinger seinen Stargast Gabriele Seifert herzlich begrüßte. Die einstige Eisprinzessin kommt oft in das Schorfheidedorf, um hier ihre Tennisfreunde zu besuchen. In der Scheune gab es Landartkunst von Margrit Schmidt (80) zu sehen, während es auf der Wiese lehrreich zuging. Mitglieder des Jagdverbandes hatten hier ihr Naturmobil geparkt und warben für den Lernort „Natur“.

Ganz spannend in diesem Szenario: die Falknerinnen Sabine Lehmann und Andrea Badouim stellten den elfjährigen Amerikanischen Wüstenbussard vor. Ohne Flugübungen, es ist gerade keine Jagdzeit.

Die Falknerinnen Sabine Lehmann und Andrea Badouim stellten Linus, den Amerikanischen Wüstenbussard vor.
Die Falknerinnen Sabine Lehmann (rechts) und Andrea Badouim stellten Linus, den Amerikanischen Wüstenbussard vor.

Überall zeigte sich an diesem Tag in Groß Schönebeck Originalität und pralles Leben. Im Wild- und im Kletterpark waren die Ausflügler in Scharen unterwegs.

Bei der Feuerwehr wurden Besichtigungen und Wasserspiele angeboten. Gleich gegenüber stellte der ortsansässige Simsonclub seine Feuerräder vor. Im Reiterhof Böse und bei Reit-und Fahrtouristik Sander waren die Pferdeliebhaber beieinander. Der Tag war ein Trubel, ein großes, lebensbejahendes Fest.

Petra Elsner

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