Singendes Eis

Die kleine Nixe Adelina hat sich beim sommerlichen „Inselleuchten“ in Marienwerder in die schöne Szenerie verliebt und ist nach dem Festival einfach im Finowkanal geblieben.
Zeichnung: Petra Elsner

Singendes Eis

Mit Dröhnen und Brausen herrschte in einer späten Herbstnacht Viadrus von der Oder durch die Kanäle in Richtung Westen. Der alte Flussgott suchte ärgerlich nach seiner Lieblingsnixe. Adelina war der Einladung zu den Weihnachtschorproben einfach nicht gefolgt. Nun fehlte ihre glockenhafte Stimme den anderen Klangfarben. Vor Monaten war die junge Nixe mit ihren Schwestern zu einem Sommerfest aufgebrochen. Die leuchtende Insel war so verführerisch, dass Adelina sich nicht lösen konnte und sich im Schilf versteckte. Im Morgengrauen kehrten die Nixen ohne die Schwester in den Oderstrom zurück. Viadrus tobte einen kleinen Sturm lang. So wie es alle Väter tun, wenn die herangewachsenen Töchter in die Welt ziehen wollen. Adelina war von dem romantischen Lichterspiel der Inselmenschen so berührt, dass sie sich entschied, fortan diese Wasser zu bewohnen. Bald schon erzählten sich die Menschen am Ufer wundersame Geschichten, von einer feinen Stimme im Finowkanal. Bei Mondschein stiege nachts eine Frau mit langem, weißem Haar an Land, um im fahlen Licht zu tanzen. Diesem Munkeln folgte Viadrus, doch so sehr er auch suchte, Adelina fand er nicht. Sie hielt sich vor ihm bei der Schleuse am Wasserkreuz verborgen.

Inzwischen zog der Winter ins Land. Eisig wie seit Jahren nicht mehr. Der Kanal war dick zugefroren, doch etwas war anders: Das Eis sang. Der Schleusenwärter Kai hörte es ganz deutlich. In der Sommerzeit steuerte er die Technik im Fluss und auch die beweglichen Brücken. Jetzt im Winter pflegte er die Anlage. Ein einsames Geschäft. Deshalb sang der Mann meist leise vor sich hin. Immer öfter summte er mit dem Klang des Eises. Und auch die sonntäglichen Schlittschuhläufer auf dem Kanal gerieten auf ihren blanken Kufen  leicht ins tänzeln.

Am Morgen des 24. Dezembers zog der Schleusenwärter forsch seine Schlittschuhe an, denn er hatte auf dem Eis etwas blinken gesehen. Was das wohl war? Als er herankam, steckte dort ein Spiegel. Ein mit Perlen verziertes Oval. Kai bückte sich, um danach zu greifen. Doch so sehr er auch daran rüttelte, der Spiegel löste sich nicht. Plötzlich scherbelte das Eis begleitet von einem gewaltigen Knirschen. Der Schleusenwärter fuhr erschrocken zurück: Durch die Eisdecke schoss Adelina hervor: „Willst du mit mir singen?“ Kai war unfähig zu antworten. Er starrte auf die schöne grüne-blau-violette Gestalt. „Bist du die wundervolle Stimme im Fluss?“, fragte Kai und Adelina nickte. „Dann komm‘ heute Abend an Land.“ Der junge Mann war aufgeregt und hatte es jetzt sehr eilig. Gegen 16 Uhr war es stockdunkel. Überall in den Fenstern leuchteten die Kerzenlichter und die Menschen begannen zu feiern. Adelina war traurig, noch nie war sie Weihnachten allein. Ob sie vielleicht doch zu den Odernixen zurückkehren sollte? Sie wippte unentschlossen auf einer Eisscholle und summte leise: „Stille Nacht, heilige Nacht“. Auf einmal tönten aus dem Dunkel viele, volle Stimmen „Alles schläft. Einsam wacht! …“ Die Nixe schluchzte gerührt und schlidderte lachend ans Ufer. Jeden, der am Kanal singen konnte, hatte der Schleusenwärter herbeigerufen. Nun sagen sie gemeinsam das alte Weihnachtslied und noch viele andere mehr. Als der letzte Ton verklungen war, dankten die Menschen der kleinen Nixe dafür, dass sie hergezogen war und so das Leben am stillen Finowkanal noch romantischer wurde.

Neu auf dem Buchmarkt
Das Buchcover „Von der Stille des Winters“

„Singendes Eis“ ist enthalten in: Petra Elsner, „Von der Stille des Winters“, Hardcover, 92 Seiten, 2. stark erweiterte Auflage (des Dezemberlesebuches), mit zahlreichen Illustrationen von Petra Elsner, ISBN: 978-3-943487-79-4, Preis: 19,99 Euro, erschienen in der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk Angermünde  (jetzt in Schwedt) im November 2016. Hier erhältlich.

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Zum Nikolaustag: Der Schuhputzer

Der neue Nikolaus . Zeichnung: Petra Elsner
Niko, der Schuhputzer.
Zeichnung: Petra Elsner

Eine Nikolausgeschichte von Petra Elsner

Niko liebt Schuhe, besonders die knallroten, die bei den Frauen als Glücksschuhe gelten. Er ist gerade auf leisen Sohlen mit seinem Schuhputzkasten unterwegs, um sich vor der großen Oper – wie jeden Abend – in Position zu bringen. Ein guter Standort, denn wer will schon mit schmutzigen Schuhen ein so erhabenes Haus betreten? Besonders bei Schmuddelwetter kommt der echte Opernfreund nicht an Niko vorbei, zumal keiner einen derart wunderbaren Glanz auf das Leder zaubern kann wie der junge Mann, den es aus der türkischen Stadt Patara hierher verschlagen hat. Einen seltsamen Wanderstab führt er immer bei sich. Das uralte Stück ist das Einzige, was ihm von seiner Familie geblieben war. Weil aber Niko ein ehrlicher und immer gut gelaunter Schuhputzer ist, kommt er überall gut an und so nicht in Not. Jetzt schneit es nasse Flocken in der Stadt an der Spree, und Niko lächelt dazu: Schuhputzerwetter.

Kurz vor der Oper quietschen plötzlich Autoreifen sehr laut. Aus einer schwarzen Limousine springen vier Männer, öffnen den Kofferraum, hieven eine Truhe empor, schleppen sie auf den vereisten Gehweg und schieben sie mit einem mächtigen Drive auf Niko zu. Während die Truhe noch schlittert, springen die Vier zurück in den mysteriösen Wagen, einer setzt noch einen Esel auf die Straße, dann rasen sie davon. In dieser Stadt, in der an jeder zweiten Ecke ein Spielfilm gedreht wird, nimmt nicht wirklich jemand Notiz von der Aktion. Man ist eilig unterwegs und hat kein Auge für merkwürdige Inszenierungen. Nur der Schuhputzer steht wie angewurzelt und liest das Schild an der Truhe „Für Niko“. Der Esel ist inzwischen der Truhe gefolgt, nun zupft er an Nikos Ärmel, als wenn er sagen will: „Mach sie endlich auf!“ Das tut er dann auch und glaubt dabei seinen Augen nicht. Aus dem rot gefütterten Innern funkeln ihm Gold, Silber und Edelsteine entgegen. Niko schließt blitzschnell und sehr erschrocken die seltsame Fracht. Die kann ihm einfach nicht gehören. Aber hat er nicht am Rande eine Schriftenrolle gesehen? Nur einen Spalt öffnet er wiederholt die Truhe, fingert nach dem Papier und findet darin diese Nachricht: „Es ist der Rest, den Dein Urahne nicht unter die Leute gebracht hat. Gehe, und walte Deines Amtes!“ Welches Amtes?

Ein Bettler stört Nikos Gedanken: „Haste mal ein paar Cent?“ Der Schuhputzer greift wie selbstverständlich in die Truhe und reicht der ärmlichen Gestalt ein paar Goldstücke. „Oh, danke, großer Nikolaus, für diese opulente Gabe“, spricht der Bettler. „Wie kommst du denn darauf? Ich der Nikolaus?“, fragt Niko. „Na, du trägst seinen Bischofstab und machst den Armen erlesene Geschenke! Heute ist der 6. Dezember, du musst es einfach sein. Verstell’ dich nicht, ich habe dich erkannt.“ Niko ist nicht nur deshalb irritiert. Aber gut, wenn er heute einen sehr speziellen Tagesjob übernehmen soll, warum nicht? Den Inhalt der Truhe wird er schon rasch unter die Leute bringen. Der junge Mann lädt den wertvollen Kasten auf den Esel und tippelt durch die Stadt. Mit vollen Händen verschenkt er Gold, Silber und Edelsteine, doch so sehr er sich bemüht, die Truhe leert sich nicht, ihr Inhalt scheint nachzuwachsen. Als der Tag sich neigt, hat Niko begriffen: Er ist jetzt der neue Nikolaus, und nächstes Jahr, zur selben Zeit, wird er wieder mit der Truhe losstiefeln und die Menschen beschenken. Eine wirklich herzliche Aufgabe, aber all die anderen Tage will er weiter nur der Schuhputzer mit dem seltsamen Wanderstab sein.

Neu auf dem Buchmarkt
Das Buchcover „Von der Stille des Winters“

Diese  Lesekostprobe steckt als Adventsgeschichte in meinem Buch „Von der Stille des Winters“.

Erhältlich ist das Buch über diese Koordinaten:

Petra Elsner, „Von der Stille des Winters“, Hardcover, 92 Seiten, 2. stark erweiterte Auflage (des Dezemberlesebuches), zahlreiche Illustrationen von Petra Elsner, ISBN: 978-3-943487-79-4, Preis: 20 Euro, erschienen in der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk

Spende? Gerne!
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„Von der Stille des Winters“

Winter- und Weihnachtsgeschichten
„Von der Stille des Winters“ – druckfrisch aus der Druckerei.

Neu auf dem Büchermarkt

Die Bücher sind da. Bei dem Anblick bin ich wirklich glücklich und: still. Ich hoffe, Ihr habt Freude an diesen Winter- und Weihnachtsgeschichten aus der Uckermark, dem Barnim und Berlin…  bin gespannt.

Wenn das Jahr seinen dunklen Mantel überstreift, beginnt die Zeit der Legenden und Geheimnisse. Seit 19 Jahren bin ich ihnen auf der Spur und schreibe jedes Jahr eine neue weihnachtliche Geschichte. Und das kam so:

Das Mädchen Mo

Mo liebte es zu Kochen und Schlagzeug zu spielen. Sie sammelte Puppen und ihre Leidenschaft galt eher den Frauen. Wohl deshalb hatte sie Thüringen verlassen und sich im Dschungel Berlins versteckt. Aber Weihnachten musste sie unbedingt in den Schoß der Familie schlüpfen – das war heilig. 1995 klappte das nicht. Sie bekam keinen Urlaub und musste im „Briefe an Felice“ kochen. Dort hatte ich in besagtem Jahr eine Ausstellung mit meinen Arbeiten: Beize auf Packpapier hängen. Und eine dieser Nachtgestalten hatte es Mo so angetan, dass sie mich immer wieder nötigte, sie brauche dieses Bild, habe aber kein Geld.  Ich lächelte dazu nur milde, ich hatte auch keins.
Tage vor Weihnachten hockte Mo in unserer gemeinsamen Stammkneipe um die Ecke, die damals noch Fiasko hieß und heulte. Sie hatte Heimweh nach ihrem Puderzuckerstädtchen. Umso näher das Fest rückte, desto unleidlicher wurde die junge Frau. Heilig Abend in der Nacht.  Mo hatte längst Kochschluss und lümmelte träge am Fiasko-Tresen.  Ich hatte nachmittags den „Schlagzeuger auf dem Mond“ eingepackt und als wir gegen 23 Uhr den Szeneladen betraten, rutschte Mo vom Hocker, griff sich das Paket und verließ mit einem „Oh, da kommt ja mein Weihnachtsgeschenk!“ – ohne ein weiteres Wort das Quartier. Nach diesem Erlebnis begann ich meine Weihnachtsgeschichten zu schreiben, die allermeisten habe ich erfunden und nicht wie diese selbst erlebt.
(pe, diese Begebenheit ist nicht im Buch enthalten.)

Neu auf dem Buchmarkt
Das Buchcover „Von der Stille des Winters“

Erhältlich ist das Buch über diese Koordinaten:

Petra Elsner, „Von der Stille des Winters“, Hardcover, 92 Seiten, 2. stark erweiterte Auflage (des Dezemberlesebuches), zahlreiche Illustrationen von Petra Elsner, ISBN: 978-3-943487-79-4, Preis: 19,99 Euro, erschienen in der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk Angermünde, heute in Schwedt

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