360., 361. … Tag des Jahres. Von Laternenlicht zu Laternenlicht huscht eine Mädchengestalt über den Straßenasphalt. Sie singt hemmungslos traurig eine portugiesische Weise, die dreht sich und kreiselt wie ein welkes Herbstblatt, kommt mal laut, mal leise – gleich einem Echo – zurück. Da ist sie plötzlich, diese immer wiederkehrende November-Dezember-Melancholie, die die meisten irgendwann in dieser Zeit befällt. Ja, vor das schönste Fest im Lande hat das Jahr Nebelvorhänge gewebt. Die müssen durchschritten werden, so oder so. Und wenn das milde Wetter in den Dezember zieht, tanzt die Nebelfee selbst zum Weihnachtsfest ein Düsterlied. Wer sich dann dem Anflug von Winterdepression nicht ergeben möchte, steuert jetzt gegen: Die einen haben (vielleicht deswegen) seit dem 11. 11. rote Pappnasen auf, andere rennen ins Sonnenstudio, doch manche hat schon die erste Erkältung niedergestreckt. Mit der gefühlten Nasenlänge eines Ameisenbärs wird die Laune auf der Liege auch nicht besser. Zeit für ein echtes Aufbauprogramm: Johanneskraut, Zimt, Lichttherapiegerät, Vitamine … es gibt unendlich viele Variationen.
Mein Gute-Laune-Programm kostet nichts. Es schlummert in einem Schuhkarton. Darin lagern wüst: Briefe, ausgedruckte Mails, Rezepte, Ideenskelette, Kneipen-Mitteilungen, abgerissene Eintrittskarten, Skizzen – gewissermaßen die Freizeit und die Kontakte des Jahres, und eben alles, was menschlich wichtig ist und Bedenkzeit fordert. Immer an einem Schlecht-Drauf-November-Dezember-Abend krame ich mir diese Sammel-Box des Jahres hervor, schmökere und staune, sortiere und hefte schließlich das Ganze zu einem Band mit dem diesmaligen Namen „2013“. Beim nachblättern bemerke ich schlussendlich – kein so schlechtes Jahr (unterwegs, gehetzt vom Tag, war mir das gar nicht aufgefallen) und: ich lächele …
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