Kultverdächtiges Sommermärchen:
Eine mächtige Matrone lässt Wunderlichs Zug nach Norden stoppen und verweist ihn ins märkische Nirgendwo. Liebesschmerz stieß ihn fort aus Berlin, oder war es Anonym, der aus seinem Handy alleswissend funkt? Irritiert stolpert Wunderlich in das Leben von Finke, einem Kneipenclown, der ihn in seine Welt mitnimmt und dort, in einer abgetakelten und verschlampten Ex-Gastwirtschaft, zum folgenschweren Trinken einlädt, um schlussendlich zu verschwinden. Mysteriös. Dafür taucht das Mädchen Toni auf. Und nicht erst mit ihr entfaltet die Autorin Marion Brasch in ihrem zweiten Roman ein skurriles Alltagsmärchen als wunderliche Reise, in der Wunderlich für uns zum Abenteuer und er selbst zum Abenteurer wird. Langsam, aber keineswegs vorhersehbar. Dabei hilft ihm unbewusst ein Hut, den er aus Finkes Quartier mitnimmt. Der tarnt alle Verletzungen, die alten und die neuerlichen, die sich der Mann in unglaublich kurzen Takten zufügt. Aber in Finkes Garten finden Toni und Wunderlich in einer unglaublichen Sommernacht an einem Apfelbaum das sagenumwobene Blauharz. Ein glimmender Stoff, der alle Wunden spurlos heilt, aber das Wissen darum zugleich auslöscht. Es ist eine Freude, wie Marion Brasch uns in dieses Sommermärchen entführt, mit einem feinen Gespür für das Schräge, das Liebenswürdige, das so manchen Aussteiger umweht. „Wunderlich fährt nach Norden“ ist eine wundervoll leichtfüßig und doch auch verstörend erzählte Geschichte eines lebensuntüchtigen Kauzes, der plötzlich das Leben spürt, ohne zu wissen, wohin ihn das führt. Und die Autorin bewahrt für ihn und für den Leser beschützend dieses Geheimnis. Diese magische Sommerreise ist kultverdächtig und so einfach empfehlenswert.
Petra Elsner
„Wunderlich fährt nach Norden“, Marion Brasch, S. Fischer Verlag, 19,99 Euro
Wunderlich fährt nach Norden, Marion Brasch, S. Fischer Verlag, 19,99 Euro
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