Morgenstunde (731. Blog-Notat)

Ausschnitt aus „Kokopelli“, dem Tänzer des Lebens.

Heute werde ich für den zweiten Präsentationsblock Passepartout-Ausschnitte schneiden. Der erste Märchenblock steht schon, jetzt folgen die Schrägen Vögel, morgen die Schnitte für kleine Spachtelarbeiten. Immer nur eine enge Auswahl. Es gilt auf kleinstem Raum das Spektrum meines Schaffens zu zeigen, als ein Teil einer Gemeinschaftsausstellung. Die Antidopinghilfe hat dazu eingeladen, für drei Tage (11.11. bis 13.11.) in die Villa des Berliner Olympiaparks. Das ist schon schön und doch fasst es mich an, denn es führt mich zurück in eine Zeit, die ich weitestgehend verdrängt habe: Meine Sportschuljahre, die jäh 1968 endeten, als ich am Schwimmbeckenrand zusammenklappte und ein Berliner Hinterhof-Gynäkologe mich mit ständigem Trainingsverbot belegte. Es war eine Zeit, in der man einer 14-Jährigen nicht erklärte, warum und wieso. „Übertrainiert“ hieß es schlicht, ich durfte nicht abtrainieren und auch die Sportstätte nicht mehr betreten. Von 15 km täglichem Schwimmtraining auf null. Es gab keinen Zuspruch, keinen Rat, eher einen Wutausbruch des Trainers und so fühlte ich mich schuldig erkrankt zu sein. Eine Versagerin und fortan Außenseiterin. Und da war ja noch diese Verschwiegenheitserklärung, die alle Leistungssportler unterschreiben mussten: Nichts der Lehr- und Trainingsmethoden der Kinder- und Sportschule „Ernst Grube“ Berlin durfte nach draußen dringen. Wir hatten zu schweigen. Verschlissen spuckte mich das System einfach aus, wie einen faulen Knochen und machte wieder dicht. Nicht eine meiner Schulfreundschaften überlebte diesen Abgang. Es brauchte danach eine Weile, bis ich wieder Träume hatte. Viele Jahre stand ich unter unerklärlichen Schmerzen, die erst nach einer Kinderwunsch-OP Anfang der 80er Jahre endeten: Alle meine Bauchorgane waren zusammengewachsen und überwuchert. Der Mikrochirurg verödete acht Stunden lang dieses Desaster. Er wunderte sich, fragte aber nicht nach und ich brachte es in keinerlei Beziehung. Auch später, nach der Wende nicht, denn der Dopingbeginn in der DDR wurde auf das Jahr 1970 datiert. Erst als eine Sport-PR-Frau  vor knapp drei Jahren meinte: „All Deine Gebrechen lassen Doping vermuten.“ Ich war im Zweifel, wir hatten ja nicht diese blauen Tabletten bekommen, aber Getränke. Vitamindrinks hießen sie. Inzwischen verdichten sich die Aussagen, dass bei den Schwimmern schon vor 1970 Dopingexperimente liefen und so erklärt sich manches. 2020 bestätigte mir ein Sportmediziner der Charité, dass meine körperliche Verfasstheit auf Doping zurückführbar sei. Es bleibt allerdings nicht beweisbar, denn diese Zeit steckt im Nebel.
Mit dieser Ausstellung im Olympiapark zünden wir, Exleistungssportler, die zur Kunst gefunden haben, gewissermaßen ein paar Nebelkerzen…wahrscheinlich völlig sinnlos, aber wir machen uns einen Augenblick sichtbar.

Views: 301